„Glaubwürdigkeit ist am wichtigsten“

Donnerstag, 3. Juli 2014
– Von Dr. Anton Preis und Zoran Gojic –

Eigentlich ist es ganz einfach. Der ideale Abgeordnete soll sich vor allem für die Belange des Wahlkreises einsetzen, aber auch um die Sorgen der einzelnen Bürger kümmern sowie die Interessen der Gesamtbevölkerung vertreten. Die Ziele der eigenen Partei zu verfolgen ist eher verpönt, allerdings ist für den Bürger bei der Wahl die Parteizugehörigkeit das entscheidende Kriterium. Kurzum: Das Anforderungsprofil für den vollkommenen Volksvertreter ist eine Herausforderung, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes infratest dimap im Auftrag des Bayerischen Landtags an den Tag förderte. In der zweiten Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Rolle und Zukunft der Landesparlamente“ wurden unter dem Titel „Abgeordnete und Bürger: Wahrnehmung, Erwartung, Einschätzung“ die Ergebnisse der Umfrage vorgestellt und im Anschluss von den Spitzen der Fraktionen diskutiert.

Die Bürger haben eine sehr konkrete Vorstellung von Politik

Richard Hilmer, Geschäftsführer von infratest dimap unterstrich bei der Präsentation der Ergebnisse immer wieder: „Bayern lebt von seiner Regionalität. Das hat große Auswirkungen auf die parlamentarische Arbeit.“ Als bemerkenswert bezeichnete er es, dass bei der Frage nach dem politischen Einfluss des Parlaments die Abstände zur Exekutive sehr gering seien. Was die Politikinhalte betreffe, so seien Zukunftsinvestitionen wie im Bereich der Bildung das entscheidende Feld für die Bürger. Das sei vor zehn Jahren noch anders gewesen, als Wirtschaftswachstum oder Arbeitslosigkeit als zentrale Probleme galten.

Die Umfrage zeige auch, dass Milieubindungen nicht mehr so stark seien, wie noch vor 20 oder 30 Jahren. „Der Wähler ist volatiler geworden.“ Wer katholisch sei und im ländlichen Raum wohne, wähle nicht mehr automatisch konservativer. Hilmer betonte die Bedeutung der Abgeordneten als „Spange zwischen Parlament und Wähler“: Die Bürger hätten eine sehr konkrete Vorstellung von der Politik und wollen eine Beziehung zu ihrem Politiker haben.
Insgesamt zog der infratest dimap-Chef ein positives Fazit aus der Umfrage. „Das heißt aber nicht, dass die Politik den Kontakt zum Bürger nicht noch ausweiten könnte, damit dieser noch mehr das Gefühl hat, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen.“ Die Glaubwürdigkeit wird von den Bürgerinnen und Bürgern Bayerns bei ihren Landtagsabgeordneten als wichtigste Eigenschaft angesehen. Zugleich agiert der Bayerische Landtag nach Meinung der Bürger auf Augenhöhe mit der Staatsregierung, wenn es um den politischen Einfluss geht. Und, das ist durchaus ein überraschend hoher Wert: Immerhin jeder fünfte Wähler hatte direkten Kontakt zu seinem Wahl- oder Stimmkreis-Abgeordneten.

Mehr Selbstbewusstsein der Abgeordneten gefordert

Landtagspräsidentin Barbara Stamm zeigte sich von den Resultaten der Umfrage erfreut und betonte: „Wir wollen einen starken, selbstbewussten Landtag. Diese Umfrage zeigt uns, wie die Bürgerinnen und Bürger ihre Abgeordneten sehen. Die Ergebnisse bestärken uns in unserer Arbeit. Gerade weil die Glaubwürdigkeit der Abgeordneten für die Bürger besonders wichtig ist, tun wir mit unseren Bemühungen um größtmögliche Transparenz im Bayerischen Landtag genau das Richtige.“

Unter Moderation von Andreas Bachmann, Redaktionsleiter des BR-Politikmagazins „Kontrovers“, diskutierten im Anschluss CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer, Volkmar Halbleib, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Hubert Aiwanger, Vorsitzender der Fraktion FREIE WÄHLER und Thomas Gehring, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Umfrageergebnisse. Kreuzer sagte: „Wir stehen gut da, wollen aber noch besser werden.“ Volkmar Halbleib sah als Kerninhalt der Umfrage: „Die Bürger nehmen sehr wohl wahr, dass die Gestaltungsarbeit in den Regionen vom Landtag gemacht wird“, und stellte fest: „Die Menschen erwarten von den Abgeordneten die Fähigkeit zum Kompromiss, um etwas für die Region zu erreichen, wollen aber auch ein klares politisches Profil erkennen. Und diesen Spagat müssen wir meistern“. Hubert Aiwanger sah auch einen klaren Unterschied zwischen Stadt und Land. Landbewohner seien bescheidener und besser zufrieden zu stellen als mancher Bürger in der Stadt. Und er gab zu bedenken, dass die Menschen oft gar nicht so genau zwischen Regierung und Opposition unterscheiden würden. „Wenn ich von zuhause nach München abfahre, sagen die Menschen nicht: Und jetzt kontrollierst tüchtig die Regierung, sondern sie wollen, dass ich Anliegen, die ihnen wichtig sind, durchsetze. Der Landtag wird da oft als Teil der Regierung verstanden.“ Thomas Gehring, Fraktionsvize von Bündnis 90/Die Grünen, las aus den Ergebnissen, dass die Parlamentarier durchaus mit mehr Selbstbewusstsein, auch gegenüber der Staatsregierung, auftreten könnten. „Auch die CSU-Fraktion sollte ruhig den Mut haben, der Staatsregierung Paroli zu bieten.“
Thomas Kreuzer wies darauf hin, dass dies ohnehin geschehe – aber eben nicht in der Öffentlichkeit. „Gegen den Willen der CSU-Fraktion kann die Staatsregierung nichts durchsetzen, aber wir tragen das nicht in der Öffentlichkeit aus, weil hierzulande eine Sachdiskussion sofort als Streit ausgelegt wird.“

Am Ende war sich das Podium einig, dass die Umfrage als Ansporn für die Politik dienen sollte, noch näher an den Bürger heranzutreten. Richard Hilmer wies in dem Zusammenhang darauf hin: „Der Bürger ist durchaus bereit, drastische Botschaften zu senden und auf sensible Ereignisse zu reagieren.“

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