Schlussworte zur 132. Plenarsitzung des Bayerischen Landtags

Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat am Ende der letzten Plenarsitzung vor der parlamentarischen Winterpause die traditionellen Schlussworte im Plenum gesprochen. Im Zentrum der Rückschau auf das ablaufende Jahr standen insbesondere die enormen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise. Mit Blick auf die kommende Landtagswahl mahnte sie in der politischen Auseinandersetzung Respekt vor der Meinung des anderen an.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Ministerpräsident Dr. Markus Söder,
Kolleginnen und Kollegen!

Diese letzten vorweihnachtlichen Schlussworte der Legislaturperiode sind noch nicht der Zeitpunkt für eine Bilanz.

Aber es ist Zeit, zu reflektieren –

mit Blick zurück auf drei Jahre im Ausnahmezustand. Und mit Blick nach vorn –

in ein Jahr mit wachsenden Herausforderungen und mit Wahlen in Bayern.

Ich denke:

Es ist Zeit zur Rückbesinnung!

 

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor einem Jahr gab es keine großen Christkindlmärkte – dafür 3G und 2G. Im Plenarsaal wurden nach eineinhalb Jahren die Trennscheiben wieder abgebaut.

Seit Ostern tagen wir in voller Stärke.

Wir können Corona jetzt mit anderen Augen sehen.

Impfung, Immunität und weniger gefährliche Varianten haben der Pandemie den Schrecken genommen.

 

Wir haben uns unseren Alltag zurückerobert. Weil wir verstanden haben:

  • Wir brauchen Vorsicht

aus Respekt vor dem Leben.

 

Aber wir brauchen auch Normalität – aus Respekt vor dem Leben.

 

Die ersehnte Erleichterung jedoch – sie blieb aus.

Am 23. Februar habe ich an dieser Stelle noch die russische Aggression verurteilt.

Einen Tag später – war Krieg.

Und wir waren im tiefsten Innern erschüttert.

  • Über das menschliche Leid.
  • Und in unseren Gewissheiten:

über Frieden in Europa, über Russland, über die Globalisierung.

und es war und ist klar:

Es ist Zeit zur Rückbesinnung – auf das, was wirklich zählt!

Genau das, liebe Kolleginnen und Kollegen, erwarten die Menschen von uns – zu Recht. Es ist nicht nur mein Eindruck:

Wir haben viel Zeit und Kraft in öffentlichen Debatten verloren, die scheinbar fortschrittlich sind,

die uns in Wahrheit aber nicht weiterbringen.

  • Gendersternchen,
  • Rastalocken,
  • Armbinden auf dem Fußballplatz –

viel Symbolik und dahinter: oft wenig Substanz.

 

 

Einer aktuellen Umfrage zufolge meinen zwei Drittel, die Debatten werden zu sehr durch Randthemen bestimmt.

Das ist keine Politik, die Probleme löst.

Das irritiert die breite Mitte der Gesellschaft. Ich sage das in aller Klarheit:

Moral-Weltmeister allein –

das ist kein Titel, den wir anstreben sollten!

 

Damit ich nicht falsch verstanden werde:

  • Geschlechtergerechtigkeit,
  • Klimaschutz,
  • sich für Minderheiten stark machen,
  • sich schützend vor Diskriminierte stellen
  • und Schwächeren eine Stimme sein
  • das sind mir persönliche Herzensanliegen.
    • In Verantwortung für unsere Verfassung,
    • für die christlichen Werte,
    • die Unantastbarkeit der menschlichen Würde
    • und für das Recht jedes Menschen auf ein Leben in Freiheit und

auf das höchstpersönliche Streben nach Glück.

Da brauchen die meisten gar keine Nachhilfe.

Viele – und ich schließe mich da ein – waren schon wach, bevor die ersten woke wurden.

 

Ich warne vor einer

  • Über-Emotionalisierung
  • und einer Über-Moralisierung jeder Debatte. Das ist keine Politik, die Probleme löst.

 

Das Verheddern in Randthemen verschreckt die breite Mitte der Gesellschaft.

Die erwartet jetzt harte Arbeit – für eine Politik, die wirkt!

Für die Demokratie!

Es ist Zeit zur Rückbesinnung! Beispiel Identitätspolitik.

Da gibt es wichtige Themen, kein Zweifel. Aber es wird problematisch,

  • wenn der Diskurs nicht dazu dient,

unsere pluralistische Gesellschaft zu einen.

 

Wenn das Trennende im Mittelpunkt steht – nicht das Verbindende.

Ich bin zutiefst davon überzeugt:

Demokratie funktioniert nur miteinander – und niemals gegeneinander!

 

Und sie funktioniert im Übrigen auch nicht, indem man sich festklebt, nötigt und gefährdet.

Wer Politik und Gesellschaft auf diese Weise erpressen will – hat das Grundprinzip der Demokratie nicht verstanden!

 

Es basiert auf

  • friedlichen Demonstrationen,
  • Diskussionen mit Argumenten,
  • Kompromissen,
  • Parteiarbeit
  • und Wahlen.

Es ist für alle Seiten Zeit zur Rückbesinnung! Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Pandemie, Krieg, Inflation, Rezession, soziale Not –existenzielle Sorgen. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass wir uns um ihre Probleme kümmern.

 

Wir hatten vieles für selbstverständlich genommen. Jetzt geht es ans Eingemachte.

Aber umso mehr glaube ich an die Stärke der Demokratie. Wir haben noch immer alle Möglichkeiten.

Gerade in Bayern.

  • Wir haben starke demokratische Institutionen,
  • viel Know-how in Wissenschaft und Wirtschaft,
  • kluge Köpfe – engagiert in Beruf und Ehrenamt. Das ist die breite Mitte der Gesellschaft.

Sie verdient eine Politik,

  • die sich aufs Wesentliche konzentriert,
  • die sich kümmert,
  • die Probleme löst.

Darauf müssen wir uns zurückbesinnen:

Das ist harte Arbeit für die Demokratie!

 

 

 

  • Mit dem „Landtruck, den „Orten der Demokratie in Bayern“ und den

„Isar-Detektiven haben wir viel umgesetzt in diesem Jahr.

  • Die Besuchergruppen sind endlich wieder zurück im Haus.
  • Und wir haben zwei Sommerempfänge für Ehrenamtliche in Schleißheim gegeben.

Wir machen Demokratie greifbar.

 

 

Und wir machen Demokratie erlebbar:

Im Hohen Haus pulsiert der Parlamentarismus dank Ihrer engagierten Arbeit.

  • Rund 20.000 Initiativen wie Gesetzentwürfe, Anträge, Anfragen bis dato in dieser Legislaturperiode.
  • Tausende Stunden Sitzungen:
  • 132-mal im Plenum,
  • mehr als 1.000-mal in den ständigen Ausschüssen.
  • Seit gestern vier Untersuchungsausschüsse.

Und dazu Ihre Arbeit, Ihre Präsenz vor Ort in den Stimm- und Wahlkreisen.

Vielen Dank für Ihre Arbeit für die Demokratie, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was mich allerdings umtreibt, ist der Ton, der zu oft die öffentliche Debatte vergiftet – auch hier im Landtag.

  • Verächtlichkeiten gegenüber unseren Institutionen und dem Parlament,
  • Herabwürdigungen oder Beleidigungen der Kolleginnen und Kollegen.

 

Meine Vizepräsidenten und ich lassen nicht zu,

dass hier dem Negativrekord des Bundestages nachgeeifert wird – mit einem Höchststand an Ordnungsrufen!

 

Wir lassen nicht zu, dass der Landtag als Theaterbühne für YouTube und die eigene Klientel missbraucht wird.

Der politische Wettstreit soll dem Wohl der Menschen dienen – nicht der Inszenierung,

der Selbstdarstellung oder dem Spott.

Und auch nicht der Spaltung und dem Schüren von Ängsten. Das Parlament ist das Herz der Demokratie.

lassen Sie uns dafür hier fair und hart arbeiten! Es ist Zeit zur Rückbesinnung!

Das sage ich auch mit Blick auf das Wahljahr. Wir ringen um die besten Ideen.

Da geht es hoch her – soll es auch.

Aber die Sprache von Demokratinnen und Demokraten darf nie unversöhnlich sein,

voll Hass und Hetze.

Wir müssen immer diskussionsfähig bleiben!

  • Wenn es keinen Respekt mehr vor der Meinung des anderen gibt,
  • wenn wir uns alle gegenseitig „Fake News“, „Lügen“ oder „Verrat“ unterstellen,

dann entsteht bei den Bürgerinnen und Bürgern ein falsches Bild von der Politik als Ganzem.

Um es klar zu sagen:

Dieser Ton, dieser Umgang miteinander vergrault die breite Mitte der Gesellschaft!

 

Und jetzt noch ein Blick auf die Extremisten am Rand der Gesellschaft: Reichsbürger mit ihren Verschwörungsmythen und Umsturz-Plänen wurden aufgedeckt und festgesetzt.

Sie hatten das komplette Gegenteil unserer Demokratie zum Ziel. Aber:

 

Genau diejenigen, die unseren Staat verlachen und verhöhnen – genau die haben unseren Rechtsstaat jetzt in voller Stärke zu spüren bekommen.

Sie sind brandgefährlich – aber:

Wir, wir sind stärker!

 

 

Schon zuvor gab es den Verdacht, dass diese Bewegungen, die sich gegen unser Land und unser Grundgesetz richten, einen politischen Arm bis in die Parlamente haben.

  • Mit denselben kommunikativen Mustern und Narrativen,
  • der in Freund-Feind-Schemata denkt,
  • Ängste schürt,
  • unsere Gesellschaft spaltet
  • und von völkischen Kollektiven fantasiert. Und wir wissen ja:
  • wer auch in Bayern auf dem Parteitag „Deutschland, Deutschland über alles“ gesungen hat!
  • Wer mit Gasmaske im Parlament am Rednerpult stand!
  • Und wer Videos verfälscht hat und damit Abgeordnete anderer Parteien herabsetzt!

Gerade heute, gerade im Angesicht all der Krisen und Bedrohungen – bin ich sicher:

Wir Demokratinnen und Demokraten machen den Unterschied.

 

 

Sind es gute Zeiten? Nein!

Dürfen wir dennoch hoffnungsvoll sein? Unbedingt! Wir haben die Chance,

die Stärke und die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie unter Beweis zu stellen.

Es ist Zeit zur Rückbesinnung auf das Wesentliche!

 

 

Trotz aller Herausforderungen bleibe ich überzeugt:

Nur die Demokratie sichert uns Freiheit und ermöglicht uns Wohlstand.

 

Und dabei ist die Demokratie selbst nicht kostspielig. Ich habe das jetzt mal ausgerechnet:

Ein Mitglied des Bayerischen Landtags kostet einen Bürger in Bayern im Jahr: sechs Cent.

 

Ich denke: Das sollte uns die Demokratie wert sein! Umgekehrt ist es unsere Pflicht,

hart für die Demokratie zu arbeiten

und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen,

damit wir unsere Arbeit machen können, brauchen wir Unterstützung. Und die haben wir – dafür will ich einen großen Dank aussprechen:

  • An alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier im Amt, in den Fraktionen und Ministerien.
  • Ich danke der Landtagspresse und den Medien,
  • Ich danke der Polizei, dem Roten Kreuz.
  • Nach wie vor sind die hohen Anforderungen an die Hygiene eine große Fleißarbeit. Tausend Dank an alle, die sie so sorgsam erfüllen.
  • Ich danke den Diensten, die unsere Sitzungen im Plenum, in den Ausschüssen und allen Gremien perfekt vorbereiten und betreuen.
  • Ich danke den Offizianten, die auf vielfältigste Weise permanent im Einsatz sind.
  • Ich danke dem Stenografischen Dienst,

der Druckerei, der Pforte, der Poststelle, der Hausverwaltung, der Telefonzentrale.

  • Ich danke unserem Amtschef, lieber Herr Worm, stellvertretend für alle Abteilungen und Stäbe.

 

Ich bin von Herzen dankbar für den so engagierten Einsatz aller im Hohen Haus über das ganze Jahr!

Wir, im Präsidium und im Plenum, wissen um Ihre hervorragende Arbeit, die nicht selten über das normale Maß hinausgeht.

 

Sie arbeiten hart für den Parlamentarismus – für unsere Demokratie! Herzlichen Dank!

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich wünsche Ihnen und Ihren Familien frohe Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr!

Gott segne unser Land!

Randspalte

Seitenanfang