Schlussworte zur 101. Plenarsitzung des Bayerischen Landtags

Am Ende der voraussichtlich letzten Plenarsitzung des Jahres 2021 hat Landtagspräsidentin Ilse Aignern auf das vergangene Jahr zurückgeschaut. Auch heuer standen die Schlussworte wieder ganz im Zeichen der Corona-Pandemie.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

 

Wir beenden in diesen Minuten die letzte reguläre Sitzung dieses Jahres.

 

Zu Jahresbeginn lag das Land im Lockdown.
– Nicht jedoch die Demokratie!

Wir haben hier im Bayerischen Landtag alles in unserer Macht Stehende getan, um

 

  • den Betrieb am Laufen zu halten,
  • zugleich die Gesundheit der Abgeordneten sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicherzustellen.
  • und die Debatte im Parlament zu gewährleisten

 

Nach dem ersten vollständigen parlamentarischen Jahr im Ausnahmezustand sage ich –

auch mit Stolz:

Es ist uns gut gelungen!

Ich bin froh, dass wir mit der Staatsregierung ein Verfahren gefunden haben, das sich bewährt hat:

MPK, Kabinett, Regierungserklärung, Aussprache mit Dringlichkeitsanträgen.

Allein in diesem Jahr neun Regierungserklärungen mit anschließender Aussprache und Dringlichkeitsanträgen. –

 

Der Ministerpräsident hat es selbst gesagt und ich greife es gerne auf:

Der Austausch mit den Fraktionen kann bereichernd sein.
 

Mit dem gefundenen Modus hatten wir im Landtag mehr Debatten- und Entscheidungsmöglichkeiten als die anderen Landesparlamente.

Weil es mir wichtig war, die unterschiedlichen Argumente transparent zu machen. Und zwar gerade in dieser Zeit, in dem leichtfertig mit dem Wort der „Corona-Diktatur“ um sich geworfen wird.

 

Das führt mich zu dem gescheiterten Volksbegehren, das die Abberufung des Landtags wollte.

Es geht in die Geschichte ein: mit der schlechtesten Beteiligung aller Volksbegehren seit 1946

Aus gutem Grund:

Weil die Menschen wissen, dass unsere Demokratie standfest ist, tragfähig, verlässlich.

Wir haben die Debatte von der Straße ins Parlament geholt –

dort wo sie hingehört!

  • Hier haben wir diskutiert, auch hitzig,
  • hier haben wir gestritten,
  • und hier haben wir entschieden – mit Mehrheit.

 

 

Meine Damen und Herren,

in der Debatte auf der Straße und im Parlament gibt es oftmals schrille und laute Töne, meist von derselben Seite.

Dabei müssen wir uns fragen:

Welchen Beitrag leisten sie für das Gemeinwohl in Bayern?

Diese schrillen und lauten Töne werden gehört,

es wird entgegnet und im Übrigen sind wir gut beraten, wenn wir uns auf das Wesentliche konzentrieren.

Und das funktioniert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Auch wenn Corona uns alle fordert, die Lage schwierig und die Not groß sind – ich bin geneigt zu sagen:

Nie war die Demokratie lebendiger!

 

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Pandemie hat Spuren hinterlassen,
auch im Maximilianeum.

Masken, Abstand, Plexiglas, Testungen, Impfungen.

 

Beinahe das gesamte Programm, das den parlamentarischen Betrieb begleitet, musste ausfallen:

  • Von den Neujahrsempfängen
  • über politische und kulturelle Veranstaltungen,
  •  den Höhepunkt beim Sommerempfang auf Schloss Schleißheim,
  • bis hin zur parlamentarischen Weihnachtsfeier.

All das fehlt.

Nicht nur um der Unterhaltung willen,

sondern weil auch das fester Bestandteil der Kultur des Hauses ist;

und zentral für das überparteiliche Zusammenkommen, die versöhnliche Stärkung des Miteinanders – jenseits der harten politischen Auseinandersetzung.

 

Nur sieben von 34 Plenarsitzungen konnten in voller Besetzung stattfinden.

 

Hier spiegelt sich der Pandemieverlauf,
der zwar über den Sommer Erleichterungen und Hoffnungen aufkeimen ließ,
welche jedoch im Herbst eingetrübt wurden.

Corona ist mit voller Wucht zurück.

 

In diesem anhaltenden Ausnahmezustand verschwimmt mitunter, was eine Pandemie im Kern bedeutet.

Sie bedeutet – weltweit – Krankheit, Leid und Tod.

Mehr als fünf Millionen Tote weltweit,
über 100.000 in der Bundesrepublik
und fast 18.000 in Bayern.

Das ist eine Katastrophe – in jedem einzelnen Fall – und für unzählige Familienangehörige und Freunde.

 

Auch wir im Landtag haben der Verstorbenen gemeinsam mit der Staatsregierung gedacht.

Wir wollten den anonymen Zahlen Gesichter geben.

Denn das ist es doch, was uns in den letzten bald zwei Jahren tagein tagaus umtreibt: das viele Leid, das diese Pandemie verursacht.

  • Der Überlebenskampf auf den Intensivstationen,
  • das medizinische Personal, das seit Monaten an den Grenzen der eigenen Kraft kämpft.
  • Die einsam Verstorbenen,
  • die hilflosen Hinterbliebenen.
  • Aber auch die Familien am Rande des Nervenzusammenbruchs,
  • die Kinder, die in der Krise groß werden,
  • die Jugendlichen, die ihre Sturm-und-Drang-Phase mit angezogener Handbremse erleben,
  • die Berufsanfänger, die auf eine gebeutelte Wirtschaft treffen,
  • die Selbstständigen, die Mittelständler, die Kunstschaffenden, die Hotel- und Gaststätten und viele weitere Branchen, die in ihrer Tätigkeit eingeschränkt waren oder sind, die um ihre Existenz bangen müssen oder deren Lebenstraum bereits zum Albtraum wurde – unverschuldet, ausweglos.

 

Für sie alle – und die Aufzählung ist nicht lückenlos – hat die Politik versucht, Unterstützung zu bieten, Überbrückung, nicht in jedem Einzelfall mit Erfolg. Aber – und dazu stehe ich – mit bestem Wissen und Gewissen und mit dem festen Willen,
in dieser Krise niemanden allein zu lassen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich sage „mit bestem Wissen und Gewissen“ und will davon zwei Ausnahmen machen:

 

Zum einen diejenigen, die dem Ansehen der Politik mit ihrer Gier geschadet haben.

Die in der größten Not nichts Besseres zu tun hatten, als ihre Taschen aufzuhalten.

Unabhängig, wie das juristisch zu bewerten ist, ist es schäbig und schändlich.

Und schädlich für die Demokratie war es auch!

 

Die Politik hat auf diese Einzelfälle auf Bundes- und Landeseben konsequent reagiert.

Am Dienstag haben wir hier gemeinsam mit überwältigender Mehrheit das Abgeordnetengesetz deutlich verschärft, um Interessenkollisionen zu vermeiden und ein Maximum an Transparenz zu gewährleisten.

Dem dient auch das neue Lobbyregistergesetz,
das zu den weitreichendsten in Deutschland zählt.

Und gestern wurde in diesem Kontext im Bayerischen Landtag der erste Untersuchungsausschuss dieser Wahlperiode eingesetzt.

Das sollte keine politische Kampfarena sein,
sondern ein der Wahrheit dienendes Instrument.

Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität und die Glaubwürdigkeit der Politik ist das höchste Gut in einer parlamentarischen Demokratie!

 

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das führt mich zur zweiten Ausnahme von „bestem Wissen und Gewissen“.

Schier unfassbar erscheint mir, wie einige Politiker, auch mit Mandat, sich offenbar von der parlamentarischen Demokratie abgewendet haben.

Wer von „Bürgerkrieg“, von „Umsturz“ und „Revolution“ redet oder schreibt, wer die Machtübernahme jenseits demokratischer Mehrheiten anstrebt, Verschwörungsmythen weiterschwurbelt
und Menschenverachtung freien Lauf lässt,
der hat den Boden der freiheitlich-demokratischen Verfassung längst verlassen –
der wird selbst zum Fall für den Verfassungsschutz.

Deswegen ist auch ein Nicht-Widersprechen in solchen Chats nicht akzeptabel.

 

Wir, hier in diesem Saal, müssen uns auf dem Boden unserer Verfassung bewegen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der letzten Woche haben wir 75 Jahre Bayerische Verfassung gefeiert.

Auch dieser Festakt ist ganz anders ausgefallen,
als wir uns das – für unsere Verfassung – gewünscht haben.

 

Aber ich bin überzeugt:

Gerade in der Krise ist es wichtig,
sich auf seine Wurzeln zurückzubesinnen.

Sich zu vergegenwärtigen, was wirklich zählt –
wofür wir einstehen – und wogegen wir sind.

 

Aus demselben Grund haben wir in diesem Jahr das Projekt der „Orte der Demokratie in Bayern“ ins Leben gerufen.

Ein weiteres Standbein unserer gewachsenen Erinnerungskultur.

Wir wollen damit den mühevollen, mutigen Weg der Demokratie in unserem Land nachzeichnen und die freiheitlich-demokratischen Errungenschaften feiern.

Wir als Landtag werden damit ins ganze Land – in die Fläche – gehen und die Glanzseiten unserer Demokratie sichtbar machen.

Um den Miesmachern, Meckerern und Manipulierern zu zeigen:

Wir sind mehr.

Es ist meine feste Überzeugung:
Spaltung und Schmähung tragen nicht so weit
wie Wertschätzung, Begeisterung und Stolz!

 

Es ist gerade auch in diesen Zeiten deutlich geworden:

Unsere Demokratie lebt von den Bürgerinnen und Bürgern, die teilhaben, die Verantwortung übernehmen – für sich und andere.

Unsere Demokratie lebt von den Menschen,
die anpacken, die mitmachen, die Demokratie nicht als Gabe begreifen – sondern als ihre ureigene Aufgabe!

 

Dieser Ausnahmezustand ist ein Stresstest –
für die Politik, für die Wirtschaft, für die Gesellschaft,
für uns alle.

Wir zeigen, wo wir stehen.

Das hat durchaus – das verhehle ich nicht – Erschreckendes mit sich gebracht.

Aber auch – und ich betone: viel, viel mehr – Erbauliches.

So blicke ich zuversichtlich in das neue Jahr.

Es wird wieder voller Prüfsteine sein.

Auch für uns als Parlament.

Aber wir haben uns in dieser historischen Krise unter dem Strich als Volksvertretung gut bewährt.

Das macht mir Mut.

Das gibt mir Hoffnung.

Bewähren wir uns auch weiterhin –
in jeder einzelnen Sitzung!  

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

lassen Sie mich an der Stelle etwas zum Umgangston hier im Parlament sagen.

Der Wettstreit, die Auseinandersetzung um die besten Ideen ist zentraler Bestandteil der Demokratie.

Dabei darf es hoch hergehen, auch hitzig werden – muss es vielleicht.

Wir sind Politiker aus Leidenschaft.

Aber Demokratinnen und Demokraten wahren den gegenseitigen Respekt.

Unversöhnliches, liebe Kolleginnen und Kollegen,

darf in einer Demokratie nicht politisches Ziel sein – und auch keine fahrlässige Begleiterscheinung!

 

Es ist unüberhörbar, dass die Landtagsdebatten gröber und rauer geworden sind.

Hierin spiegelt sich in gewisser Weise, was wir in der gesamten Gesellschaft beobachten – offline und online.

Persönliche Verletzungen nehmen zu.

Bei einigen fallen alle Hemmungen.

Radikalität macht sich breit.

 

Demgegenüber haben wir als Volksvertreter eine besondere Vorbildfunktion:

Wir müssen vorleben, dass politische Auseinandersetzung – bei allen Unterschieden und Konflikten – auf respektvolle Weise möglich und notwendig ist!

 

Politische Konkurrenz zeichnet sich nicht durch Herabsetzung und Beleidigung aus,
sondern durch die Gegenüberstellung von Argumenten!

Ich appelliere eindringlich an Sie:

Testen Sie in den Debatten nicht immer wieder die Grenzen des Sagbaren aus – und erst recht: Überschreiten Sie sie nicht!

Lassen Sie uns in einer konstruktiven Atmosphäre die großen Herausforderungen angehen,
vor denen wir stehen – zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, in einer schwierigen Zeit!

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die halbe Legislaturperiode liegt hinter uns.

Weite Teile in der Pandemie.

In und abseits der Pandemie gilt es so vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kolleginnen und Kollegen hier im Landtagsamt zu danken!

Die Liste ist lang. Ich mache es kurz:

Ich bin stolz auf jede und jeden Einzelnen hier im Amt.

 

Wir Abgeordnete könnten unsere Arbeit nicht verrichten ohne diese tatkräftige Unterstützung.

Egal, ob sie hier vor Ort den Parlamentsbetrieb sichergestellt haben,

oder aus dem Homeoffice ihren Dienst geleistet haben: Ihnen allen herzlichen Dank für Ihre Arbeit!

Wir haben als Amt versucht, mit Hygienekonzepten und Impf- und Testangeboten für möglichst große Sicherheit zu sorgen. Hier geht mein Dank an Frau Kienle!

 

Zu großem Dank verpflichtet sind wir auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen,
die unsere Arbeit vor- und nachbereiten und oft auch Schnittstelle zu Bürgerinnen und Bürgern sind.

 

Ich danke den Landtagsbeauftragten:
Der rege und vertrauliche Austausch zwischen Staatsregierung und Landtag ist gerade in der Krise von besonderer Bedeutung. Danke dafür!

 

Und nicht zu vergessen:

Das Sanitätspersonal, das sich um unser Wohl sorgt!

Sowie die Polizistinnen und Polizisten, die zusammen mit unserem Pforten-Team das Parlament schützen. Auch Ihnen: Tausend Dank!

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mein Dank gilt Ihnen – für Ihre parlamentarische Arbeit in diesem Pandemie-Jahr.

Ich wünsche Ihnen frohe Feiertage und einen guten Start in das neue Jahr!

 

Bleiben Sie gesund!

 

Gott segne unser Land!

 

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