Rede zur Verleihung des Verfassungsorden 2021

Im Rahmen eines Festakts hat Landtagspräsidentin Ilse Aigner verdiente Persönlichkeiten mit dem Bayerischen Verfassungsorden 2021 ausgezeichnet. Mit dem Orden würdigt der Bayerische Landtag Bürgerinnen und Bürger, die sich in besonderer Weise um die Verwirklichung der Grundsätze der Bayerischen Verfassung verdient gemacht haben.

 

I. Prolog: Der neue Orden

 

Der Bayerische Verfassungsorden ist die höchste Auszeichnung des Bayerischen Landtages.

Der Bayerische Verfassungsorden würdigt herausragende Verdienste um demokratische Werte.

Klingt etwas traditionell und altbacken?

Ist es aber nicht.

Der Bayerische Verfassungsorden feiert hier eine Premiere:

Er ist neu. Brandneu.

 

Tatsächlich hat das Parlament bisher die Bayerische Verfassungsmedaille verliehen. Den Vorläufer.

Die Trägerinnen und Träger bilden einen exklusiven Kreis.

Nicht, weil man sich für elitär oder etwas Besseres halten würde.

Sondern, weil die Medaille für großartige Leistungen vergleichsweise selten verliehen wurde.

Auch der Bayerische Verfassungsorden bleibt eine sehr seltene Auszeichnung – sie wird an nur maximal 50 Personen pro Jahr verliehen.

 

Der Bayerische Landtag ist ein sehr selbstbewusstes Parlament.

Er ist Ort der Debatte, Ort der Entscheidung – auch Ort der Entscheidung, wer regiert und wer nicht.

Legitimiert, direkt von den Bürgerinnen und Bürgern.

 

Das muss man wissen.

Aus diesem Selbstbewusstsein resultiert nämlich unsere Entscheidung zu sagen:

Die Bayerische Verfassungsmedaille erwächst zum Bayerischen Verfassungsorden.

Wir haben gesagt:
Wir machen ihn groß.

Es muss ein Orden sein, den die Geehrten tragen!

 

Und Sie, liebe künftige Ordensträgerinnen und Ordensträger, erhalten ihn als Erste in diesem Rahmen.

Sie erfahren also heute eine besondere Auszeichnung.

Der Bayerische Verfassungsorden ist eine Auszeichnung, eine große Auszeichnung, die man mit Stolz tragen kann.

Es freut mich sehr, Ihnen diesen Orden – endlich –aushändigen zu können.

Ich heiße Sie und Ihre Familien und Gäste sehr herzlich willkommen!
 

II. Begrüßung

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus dem Präsidium,

ich begrüße Sie in Ihrer Funktion als Mitglieder des Ordensbeirats.

Ich begrüße die Vizepräsidenten

  • Karl Freller
  • Thomas Gehring
  • Alexander Hold und
  • Dr. Wolfgang Heubisch sowie

aus dem Präsidium Angelika Schorer.

 

Ordensbeiräte – das sind die,
die die vielen Vorschläge gesichtet und bewertet haben.

Die überein gekommen sind:
Jawohl, diese Leistungen haben politisch und gesellschaftlich höchste Anerkennung verdient.

Und zwar über Parteigrenzen hinweg.

Weil es um Bayern geht.

Weil es um unsere Demokratie geht!

Ich danke Ihnen für die würdige Auswahl,

für den würdigen Prozess und das würdige Ergebnis!

 

Viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Landtag sind heute hier – stellvertretend für die Fraktionen

die stv. FV Prof. Bausback, Bergmüller und
die stv. Ausschussvorsitzende Köhler.

 

Auch Kollegen, die Kandidatenvorschläge gemacht haben: Lieber Holger Dremel Dir auch vielen Dank!

 

Besonders begrüßen möchte ich auch Sie,
lieber Herr  Beißer, als eigentlichen Hausherrn – nämlich als Vorstand der Stiftung Maximilianeum.

 

Liebe Präsidiumsmitglieder, sehr geehrter Herr Amtschef, lieber Herr Worm,

lange haben wir in Präsidium und im Landtagsamt über die Neuausrichtung der Auszeichnung diskutiert.

Mit allen protokollarischen Feinheiten.

Als ich durch diese Türe hier getreten bin, gerade eben, da habe ich gespürt:

Das ist nochmals eine Aufwertung.

Und mit so strahlenden, beeindruckenden Ordensträgerinnen und Ordensträgern.

Im perfekten Rahmen.

Das wird gut!
 

III. Werte der Verfassung

 

Meine Damen und Herren,

heute stehen Ihre Leistungen zu den Werten der Bayerischen Verfassung im Mittelpunkt.

Bayerische Verfassung?

Wieso Bayerische Verfassung? Könnte man fragen.

Stehen da nicht all die Dinge drin, die für uns eh selbstverständlich sind?

Zeitlos gut, daher im Alltag irrelevant?

 

Da wollen wir Ordensverleiher ein entschiedenes „Nein!“ reinrufen.

Wir sind der festen Überzeugung:

Eine Demokratie braucht Demokratinnen und Demokraten.

 

Und da gibt es bedauerliche Begleitumstände:

Man wird nicht als Demokrat geboren.

Man bleibt nicht ein Leben lang Demokrat.

Manche geben sich nur den Anschein, Demokraten zu sein, sind es aber in Wahrheit gar nicht.

Es gibt Verführungen, Verschwörungen, Fake-News, Stimmungsmache – und Kommunikationsräume, in die wir hier gar keinen Einblick haben.

Da geht es wild zu und laut und vor allem eines:

Aufrührerisch, umstürzlerisch.

Die Demokratie steht im Feuer.

Und deshalb sage ich:

Demokratie ist nie nur Gabe, sondern sie bleibt immer Aufgabe!

 

Schauen wir uns doch die Präambel der Bayerischen Verfassung einmal genauer an.

„Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des zweiten Weltkrieges geführt hat […]
gibt sich das Bayerische Volk, eingedenk seiner mehr als tausendjährigen Geschichte, nachstehende demokratische Verfassung.“

 

„Zeitlos gut?“ habe ich gerade gefragt.

Wir sehen in diesen Monaten sehr deutlich:

Wenn es darauf ankommt, gerade dann ist unsere Verfassung sehr aktuell:

Sie ist Mahnung als historisches Dokument, ja, aber sie ist weit mehr als das.

Sie ist Maßstab.

  • Maßstab für den Erhalt von Freiheit.
  • Maßstab für die Definition von Recht.
  • Maßstab für ein Leben als Mensch.

 

Wer hat denn bei dieser Präambel heute nicht auch die Bilder von Butcha vor Augen? Von Mariupol?

Das gezielte Töten, die gewollte Zerstörung?

Krieg und Terror, die Putins brutaler Angriffskrieg wieder nach Europa gebracht hat?

Extra hemmungslos, um Angst zu machen und unkalkulierbar zu erscheinen!

 

Die militärischen Schlachtfelder liegen in der Ukraine.

Aber Putins Kampfansage gilt den westlichen Demokratien.

Aus meiner Sicht ist das klar kalkuliert:

  • Er hat unseren Kampf gegen die Pandemie gesehen und wie schwer sich Demokratien tun, Freiheiten einzuschränken und Verzicht zu üben.
  • Er hat unsere wirtschaftliche Abhängigkeit von Energierohstoffen gesehen und sich am längeren Hebel.
  • Er hat die Bedeutung der Kornkammer Ukraine für die Welt gesehen und will Hunger als Waffe nutzen.
  • Er hat die Erosion der westlichen Bündnisse gesehen, von EU und NATO, und wollte den Keil treiben.
  • Er hat die Demokratiefeinde in den Demokratien gefördert, sich in ihnen Verbündete gesucht und auf sie gesetzt.

 

Meine Damen und Herren,

Putins Rechnung zielt auf Destabilisierung.

Er hat die Friedensordnung des Kontinents zerstört.

Aber seine Rechnung geht nicht auf.

Im Gegenteil: Er hat unseren Zusammenhalt gestärkt.

 

Denn was tut man, wenn man in Krisen handeln muss?

Man besinnt sich auf das Wesentliche.

Wir besinnen uns auf unsere Werte.

Wir wollen keine Mächte, die Grenzen verschieben.

Wir wollen keine Regime, die Kritiker mundtot machen.

Wir wollen keine Herrschenden, die dem einzelnen Leben keinen Respekt erweisen!

 

Putin denkt, die Demokratien sind schwach.

Aber er hat sich getäuscht.

Demokratien sind produktiver.

Demokratien sind kreativer.

Demokratien sind motivierter als Systeme, die auf Unterdrückung basieren und auf Befehl funktionieren.

Um es ganz klar zu sagen:

Demokratien sind stärker: aus Überzeugung!

 

 

IV. Appell zum Bekenntnis

 

Vor diesem Hintergrund will ich auch meine eigenen Worte ein Stück zurechtrücken.

Ich sagte: Sie seien die Ersten in diesem Rahmen.

Das ist wahr und unwahr zugleich.

Denn bereits im Dezember vergangenen Jahres habe ich den ersten Bayerischen Verfassungsorden verliehen:

An Abba Naor.

 

Herr Naor hat Hass und Terror der Nationalsozialisten durchleiden müssen.

Mit 13 Jahren ist er mit seiner Familie deportiert worden.

Seine Mutter und seine beiden Brüder starben in den KZs.

Er wurde von dort auf einen Todesmarsch geschickt.

Und hat – wie durch ein Wunder – überlebt:

Die US-Amerikaner haben ihn in Bayern befreit.

 

Seit 30 Jahren ist er einer der letzten Zeitzeugen.

Er spricht mit unseren Schülerinnen und Schülern.

Er berichtet von dem Leid.

Was ihn auszeichnet, ist seine unmenschliche Kraft zur Versöhnung.

Und sein fortdauernder Kampf gegen die Gegner der Demokratie.

Er ist ein leidenschaftlicher Streiter für demokratische Werte, und er war in seinem hohen Alter mal wieder in Bayern.

Meine Damen und Herren, er hat ihn erhalten:
den ersten Bayerischen Verfassungsorden!

 

Aber warum erzähle ich Ihnen das?

Weil Sie, meine Damen und Herren, als Trägerinnen und Träger des Bayerischen Verfassungsordens von nun an mit Abba Naor in einem Kreis stehen.

 

Auch Ihre Verdienste sind Ausdruck einer Haltung.

Sie organisieren, Sie umsorgen, Sie helfen.

Sie moderieren, Sie führen, Sie entscheiden.

Sie machen.

Sie sind begeistert und Sie begeistern andere.

 

Jede und jeder für sich, nach den jeweiligen Möglichkeiten, mit unterschiedlichsten Mitteln.

Aber ganz am Ende, von oben draufgeschaut,

bleibt ein Ergebnis:

Sie machen das Leben in unserer Heimat Bayern besser.

Sie schaffen Geborgenheit.

Sie bewirken mit Ihren Leistungen Gutes und geben ein Vorbild für Nachkommende ab.

Sie halten die Werte unserer Verfassung hoch.

Sie stehen für demokratische Werte.

Wir brauchen Menschen wie Sie.

Eine Demokratie braucht Demokratinnen und Demokraten!

 

 

Meine Damen und Herren,

Trägerin oder Träger des Bayerischen Verfassungsordens zu sein, ist eine Ehre.

Denn die Auszeichnung ist zunächst ein großes Dankeschön.

Zugleich ist sie ein Mittel der Motivation, nicht nachzulassen im Einsatz um unser Gemeinwesen.

 

Und dann – wenn ich noch einen draufsetzen darf – soll es auch ein Stück weit Verpflichtung sein.

Eine Verpflichtung, sich klar zu bekennen zu unseren demokratischen Werten, zu unserer Verfassung.

 

Ich verbinde damit die Bitte, in aufgeheizten Stimmungen auch mal Stimme der Vernunft zu sein.

Das Radikale zu hinterfragen.

Vor einem persönlichen Urteil das ganze Bild sehen zu wollen.

 

Mich besorgen die lauten Stimmen, die unsere Demokratie verächtlich machen.

Ich rede nicht über berechtigte Kritik.

Gerade Fehlverhalten muss klar benannt werden.

Das ist Kern vom Kern unserer Demokratie.

Aber die fundamentale Systemkritik, die abwinkende Handbewegung,

zu sagen: nein, ich geh nicht wählen –

Gegnerschaft wie Gleichgültigkeit gegenüber den Werten unserer Verfassung dürfen wir nicht hinnehmen.

Das macht es den Feinden leicht.

Wir sind herausgefordert – und damit meine ich mich und Sie:

als überzeugte Demokraten!

 

Wir wollen doch nicht spalten, wir wollen zusammenführen!

Wir wollen doch nicht pöbeln, wir wollen überzeugen!

Wir wollen doch nicht aufeinander losgehen, wir wollen das Beste für unser Land: in der Sache und im Umgang!

 

Dazu tragen Sie Ihren Teil bei.

Das bereichert uns als Gesellschaft und als Gemeinschaft.

Die Werte unserer Verfassung sind aktuell.

Und sie sind mehr als relevant.

Sie sind lebensnotwendig.

 

Lassen Sie uns also gemeinsam den Geist der Verfassung beschwören, weil es unsere Freiheit, unser Recht und unseren Zusammenhalt stärkt:

Lassen Sie es uns hier tun!

Aber lassen Sie es uns auch im Job, an den Stammtischen und auf der Straße tun!

 

Wir brauchen das klare Bekenntnis zur Demokratie und zu unseren freiheitlich-demokratischen Werten.

Vielen Dank.

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