Rede zur Verleihung des Freiheitspreises der Medien

Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat am 22.04.2022 an der Verleihung des Freiheitspreises der Medien im Rahmen des Ludwig-Erhard-Gipfels in Gmund am Tegernsee teilgenommen. Der Preis ist in diesem Jahr dem Freiheitskampf im Osten gewidmet und wurde an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja vergeben.

 

„Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen – ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.

Als sie mich holten, gab es niemanden mehr,

der protestieren konnte.“

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Christiane, lieber Wolfram,

lieber Manfred,

 

Martin Niemöller hatte zunächst
die nationalsozialistische Ideologie mitgetragen,
wendete sich dann aber umso entschiedener dagegen.
Er kam sieben Jahre lang in Haft, in Einzelhaft,
wurde weggesperrt in den Konzentrationslagern,
war der Willkür und Brutalität der Diktatur ausgesetzt.

Er war – Zitat – „persönlicher Gefangener“ Adolf Hitlers.

Dass er, der so mutig Widerstand leistete,
überlebt hat, war ein großes Glück.

Seine Botschaft kommt mir in diesen Tagen und Wochen unweigerlich in den Sinn.

Denn seine Botschaft lautet:

Wenn ein Regime nach innen die Freiheit unterdrückt,

wie in Russland und Belarus,

wenn Ideologie und Propaganda die Wahrheit verdrängen,

wenn Meinung und Opposition in die Gefängnisse führen,

wenn Wahlen zur Farce werden,

dann dreht sich eine Spirale der Gewalt.

Und sie erreicht – über kurz oder lang – auch uns.

 

Und Niemöllers Botschaft lautet auch:

Wenn ein Regime nach außen
einen brutalen Angriffskrieg führt,
zum Vernichtungskrieg übergeht,

wenn es Terror in die Welt bringt und

Tausende, Zehntausende Menschen tötet,

Soldaten und Zivilisten,

ob im Granatenhagel oder mit gezielten Hinrichtungen,
dann dürfen wir nicht warten, bis wir an der Reihe sind.

Wir sind nicht unbeteiligt:

Weil der Krieg geführt wird gegen Freiheit und Menschlichkeit!

 

Meine Damen und Herren,

viel ist gesprochen und geschrieben worden über diesen verbrecherischen Krieg Russlands, den Putin über die Ukraine gebracht hat.

Ich war ja selbst Mitglied der Bundesregierung und Wirtschaftsministerin hier in Bayern.

Ich bin Putin selbst in diesen Funktionen begegnet.

 

Und ich gebe offen zu:

Ich habe mich in Putin getäuscht.
Wir haben uns in Putin getäuscht.

Wir haben nicht für möglich gehalten, dass er ein freies, demokratisches und europäisches Land angreift.

Dass er bis zum Äußersten geht, um seine Macht zu demonstrieren.

Dass er die Ukraine in ihrer Identität auslöschen und
die Friedensordnung in Europa pulverisieren will.

 

Wir hier in Deutschland haben allen Grund zur Demut.

Auch wenn wir den Blick nach Osten wenden,
wo wir Menschen sehen,

  • die ihren Freiheitskampf angenommen haben,
  • die persönlich bereit sind, der Gewalt zu trotzen,
  • Menschen, die wahren Heldenmut zeigen.

Und erlauben Sie mir diese Randnotiz:

Nicht wer bei uns auf die Straße geht, um gegen „Lügenpresse“ oder „Corona-Diktatur“ zu demonstrieren,

beweist Heldenmut.
Heldenmut beweist,
wer sich gegen Putin oder Lukaschenko stellt –
wer sich gegen einen Unrechtsstaat stellt!

 

Wir Deutschen haben ja ein Problem mit dem Pathos.

Das ganz große Wort, die ganz große Emotion,

der Überschwang - all das liegt uns nicht.

Weil wir aus unserer Geschichte um die Anfälligkeit wissen: für Manipulation und Missbrauch.

Und so muss uns etwas schon in unserem Innersten treffen,
damit wir zum Pathos greifen.

 

Das tue ich an dieser Stelle:

Denn Heldenmut zeichnet die Preisträgerinnen und
den Preisträger des Freiheitspreises der Medien aus.

Sie gehen voran.

Sie stellen ihr Leben, ihre Familie, ihr Wohl zurück.

Sie sind unter größter Gefahr herausragende Vorbilder.

Die Welt schaut auf diese großen Persönlichkeiten –
und sie verneigt sich voller Anerkennung!

Martin Niemöller, meine Damen und Herren,
ist schweres Leid zugefügt worden.

Aber er hatte auch Unterstützung:

Ein britischer Lordbischof informierte die Öffentlichkeit über seine mögliche Hinrichtung.

Er stellte Transparenz her.
Übte damit Druck aus.

Ähnlich wie es heute Journalistinnen und Journalisten tun, die der Wahrheit verpflichtet sind und damit den Unterschied machen zur Propaganda.

 

Das verbrecherische Regime tat damals den letzten Schritt nicht.
Martin Niemöller überlebte.

Er überlebte, weil die Verbündeten,

die Vertreter der freien Welt,

Hitler-Deutschland in die Knie zwangen:

geeint.

 

Und er überlebte, weil ihn deutsche Soldaten in den letzten Kriegstagen von den Fesseln der SS-Schergen lösten.

Weil sie - ganz zum Schluss - zumindest in diesem Fall,
den Wahnsinn erkannt haben.

So, dass das Menschliche hier – im Kleinen – obsiegte.

Meine Damen und Herren,

Krieg in Europa, wütende Diktatoren,
alle werden hineingezogen -
es ist schwer, zuversichtlich zu sein.

 

Wie der Krieg in der Ukraine ausgeht, wissen wir alle nicht.

Ob sich die Diktatoren am Ende halten können,
wissen wir nicht.

Aber klar ist:

Gewinnen, gewinnen dürfen sie nicht!

 

Und dafür braucht es den unfassbaren Mut von Menschen,

deren Belohnung im kleinen Rahmen dieser Freiheitspreis der Medien ist –

und deren Belohnung im größten Rahmen die Freiheit sein möge!

 

Das ist unsere Hoffnung.

Das ist, was wir unterstützen.

Das ist unser gemeinsames Ziel als Verbündete, nämlich:

die Freiheit zu verteidigen!

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