Opfer und Verfolgte des NS-Regimes aus bayerischen Parlamenten

Opfer und Verfolgte des NS-Regimes aus bayerischen Parlamenten

Abgeordnete
von der wahlberechtigten Bevölkerung eines Landes in Wahlen bestimmte Mitglieder eines Parlaments. Die Abgeordneten des Bayerischen Landtags sind gemäß der Bayerischen Verfassung (BV) von 1946 Vertreter des Volkes, nicht nur einer Partei. Sie sind nur ihrem Gewissen verantwortlich und an Aufträge nicht gebunden (Art. 13 BV). Der Bayerische Landtag besteht seit 1998 aus 180 Abgeordneten. Jeder Staatsbürger kann ab dem 18. Lebensjahr wählen und gewählt werden.
Aktion Gewitter
Tarnname der nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 von der Gestapo ab dem 22. August 1944 im gesamten Reichsgebiet durchgeführten umfangreichen Verhaftungsaktion. Ehemalige Funktionäre und Mandatsträger der Parteien der Weimarer Republik (vor allem von SPD, KPD, Zentrum und BVP) wurden ebenso festgenommen wie zahlreiche politische Gegner, die bereits ab 1933 Haftzeiten verbüßt hatten. Das NS-Regime wollte auf diese Weise mögliche Organisatoren eines Aufstands ausschalten. Auf die massenhafte Festnahme der ehemaligen Abgeordneten, die zwischen 45 und 70, in der Regel um die 60 Jahre alt und seit Jahren politisch nicht mehr aktiv waren, reagierte die Bevölkerung sehr beunruhigt und negativ, so dass rund 80 Prozent der Verhafteten wieder entlassen wurden. Insgesamt wurden mehr als 5.000 Personen verhaftet, von denen 860 in das KZ Dachau, etwa 800 in das KZ Neuengamme, fast 1.000 in das KZ Buchenwald und rund 2.200 in das KZ Sachsenhausen gebracht wurden.
Allgemeiner Deutscher Gewerksschaftsbund (ADGB)
innerhalb der seit dem 19. Jahrhundert in eine liberale, eine christliche und eine sozialistische ("Freie") Richtung gespaltenen deutschen Gewerkschaftsbewegung gewichtigster sozialistischer Gewerkschaftsbund der Weimarer Republik neben dem Allgemeinen freien Angestelltenbund (AfA) und dem Allgemeinen Deutschen Beamtenbund (ADB). Der ADGB wurde auf dem 10. Kongress der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands (30. Juni bis 5. Juli 1919 in Nürnberg) gegründet. Den Bundesvorsitz übernahm von 1919 bis 1920 Carl Legien (1861-1920), ihm folgte von 1921 bis 1933 Theodor Leipart (1867-1947). Zweck des Dachverbands von zunächst 52 und später 28 Gewerkschaftsbünden war die Vertretung der Interessen der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterinnen und Arbeiter. Er kämpfte für die Einführung des Acht-Stunden-Arbeitstages, der Arbeitslosenversicherung und von Kollektivverträgen. Der ADGB stützte das parlamentarische Weimarer System, rief 1920 während des "Kapp-Putsches" zum Generalstreik auf und war Anfang der 1930er Jahre Mitglied der "Eisernen Front". Die Mitgliederzahl sank von maximal 8,1 Millionen (1920) auf 3,8 Millionen (1932). Verbandsorgan war seit 1924 die Zeitschrift "Die Arbeit". Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde mit der Zerschlagung der Freien Gewerkschaften auch der ADGB am 2.5.1933 aufgelöst. In den von den Alliierten befreiten Gebieten kam es, teilweise noch vor Kriegsende 1945, zu ersten Gewerkschaftsneugründungen, teilweise unter dem ursprünglichen Namen ADGB. Nach Zustimmung der amerikanischen Militärregierung wurde 1947 der Bayerische Gewerkschaftsbund (BGB) gebildet. Dieser wie auch die übrigen gewerkschaftlichen Gruppierungen gingen 1949 im neu begründeten Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) auf.
Arisierung
Bezeichnung für verschiedene Diskriminierungsmaßnahmen des NS-Regimes zur Verdrängung von Juden aus der Wirtschaft sowie aus dem Banken- und Versicherungswesen während des "Dritten Reichs“. Die Arisierung diente der Beseitigung jüdischer Konkurrenz und der Bereicherung der deutschen "Volksgemeinschaft“ durch Zwangsenteignung jüdischen Besitzes und Kapitals. Auf die bereits im Frühjahr 1933 gestarteten Aufrufe zum Boykott jüdischer Geschäfte folgten formaljuristisch legitimierte Maßnahmen zur Einschränkung der Erwerbstätigkeitsfelder für Juden. Durch das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 wurden jüdische Beamte und Angestellte aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Im Laufe der Zeit wurde die gezielte Ausgrenzung und Ausplünderung der Juden immer weiter verschärft. Ab Januar 1938 durften Juden weder Einzelhandelsgeschäfte oder Handwerksbetriebe führen noch Waren und Dienstleistungen anbieten. Im Rahmen der "Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12.11.1938 wurden sämtliche Betriebe jüdischer Eigentümer zwangsgeschlossen. Juden wurde die Ausübung praktisch aller Berufe verboten, sie verloren außerdem ihre Ansprüche auf Renten, Pensionen und Versicherungen. Die Arisierung des Deutschen Reiches wurde in den Jahren 1941 und 1943 durch zwei Verordnungen des Reichsbürgergesetzes abgeschlossen, die das gesamte Vermögen deportierter und ermordeter Juden dem Deutschen Reich zusprachen.
Ausschüsse
Arbeitsgruppen zur Vorbereitung von Verhandlungen der Vollversammlung (Plenum) eines Parlaments und zur Entscheidung über Eingaben und Beschwerden. Anzahl und Sachgebiete sowie die Mitgliederzahl der Ausschüsse werden zu Beginn einer Legislaturperiode von den im Parlament vertretenen Fraktionen gemeinsam festgelegt und in der Geschäftsordnung des Parlaments verankert. In den Ausschüssen, in denen der größte Teil der parlamentarischen Arbeit stattfindet, sind die Fraktionen gemäß ihrer Stärke im Parlament vertreten. Die Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags unterscheidet zwischen Ständigen Ausschüssen, sonstigen Ausschüssen und Untersuchungsausschüssen. Im Unterschied etwa zum Deutschen Bundestag tagen die Ständigen Ausschüsse im Bayerischen Landtag in der Regel öffentlich.
Bauernkammer
berufsständische Interessenvertretung der Bauern, in Bayern mit Gesetz vom 20. März 1920 als Körperschaft des öffentlichen Rechts eingerichtet. Artikel 2 des Bauernkammergesetzes legte drei Körperschaftsebenen der landwirtschaftlichen Berufsvertretung fest, die weitgehend der Organisationshierarchie der staatlichen Verwaltung entsprachen: Bezirksbauernkammern mit 15 bis 20 Mitgliedern in den Bezirksämtern und den kreisunmittelbaren Städten, Kreisbauernkammern mit 30 Mitgliedern in den Kreisen und die Landesbauernkammer mit Sitz in München, die der Regierung und den Ministerien gegenüberstand. Die Kreisbauernkammern wählten die Vertreter der Landesbauernkammer, je sechs pro Kreis. Neben technischer Beratung und fachlicher Aus- und Weiterbildung der Landwirte hatten die bayerischen Bauernkammern ihren Tätigkeitsschwerpunkt vor allem in der Vertretung bäuerlicher Interessen in der Wirtschafts-, Agrar- und Steuerpolitik. Sie wurden im Zuge der Gleichschaltung formal am 27. April mit dem „Gesetz über die Auflösung der Bauernkammern“, faktisch im Dezember 1933 mit der Integration in die Landes- bzw. Kreisbauernschaft aufgelöst.
Bayerischer Bauern- und Mittelstandsbund (BBMB)
nach 1922 geänderte Benennung für den "Bayerischen Bauernbund". Nach 1933 wurde der BBMB aufgelöst. Nach 1922 nannte sich der Bayerische Bauernbund "Bayerischer Bauern- und Mittelstandsbund" (BBMB).
Bayerischer Beratender Landesausschuss
eine Art "Vorparlament", dessen 128 Mitglieder von den Parteien benannt und 1946 von Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD) berufen wurden. Der Bayerische Beratende Landesausschuss sollte der "Weiterentwicklung des Staatsaufbaues nach demokratischen Grundsätzen" dienen. Er hatte keine Gesetzgebungskompetenz und nur beratende Funktion. Er hielt zwischen dem 26. Februar und dem 13. Juni 1946 drei Sitzungen ab.
Bayerischer Christlicher Bauernverein
Dachorganisation der bayerischen Kreis-Bauernvereine, gegründet am 4./5. Oktober 1898 in Ingolstadt. Er verstand sich als agrarisch-mittelständische Interessenvertretung und trat nicht als Partei auf. Dennoch spielte der Bauernverein eine bedeutende Rolle im politischen Katholizismus Bayerns, da er weltanschaulich und personell eng mit dem "Zentrum" beziehungsweise ab 1918 mit der Bayerischen Volkspartei (BVP) verbunden war. Der Christliche Bauernverein stand in der Endphase der Weimarer Republik vor einem politischen Dilemma: Unter den äußeren Voraussetzungen der Agrar- und Weltwirtschaftskrise und dem Aufstieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) galt es, eine Radikalisierung und Abwanderung der eigenen Anhängerschaft nach rechts abzufangen. Dabei nahm man gleichzeitig jedoch eine Aufweichung der politischen Abgrenzung zu den Rechtsparteien in Kauf. Die eigentliche "Gleichschaltung" und die zwangsweise Überführung des Bauernvereins in den "Reichsnährstand" vollzog sich im April 1933: Am 4. April 1933 wurde in Berlin die "Reichsführergemeinschaft des deutschen Bauernstandes" gegründet; korrespondierend hierzu wurde der Christliche Bauernverein in Bayern am 21. April 1933 in eine "Landesführergemeinschaft" eingebunden. Zwei Monate später erreichten die Terrormaßnahmen des NS-Regimes in Form von Verhaftungen und Misshandlungen auch die Führung des Bauernvereins. Am 27. Juni 1933 fasste der Oberbayerische Bauernverein den Beschluss zur Selbstauflösung. Die letzte Nummer des "Bayerischen Bauernblattes" vom 11. Juli 1933 gab rückwirkend die Auflösung des Bayerischen Christlichen Bauernvereins am 1. Juli 1933 bekannt.
Bayerischer Senat
in der Bayerischen Verfassung (BV) von 1946 als beratendes Verfassungsorgan im Gesetzgebungsprozess vorgesehen. Er war die Vertretung der sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und gemeindlichen Körperschaften des Landes und bestand aus 60 Mitgliedern. Im Einzelnen saßen im Senat: 11 Vertreter der Land- und Forstwirtschaft, 5 Vertreter der Industrie und des Handels, 5 Vertreter des Handwerks, 11 Vertreter der Gewerkschaften, 5 Vertreter der Genossenschaften, 4 Vertreter der freien Berufe, 5 Vertreter der Religionsgemeinschaften, 5 Vertreter der Wohltätigkeitsorganisationen, 3 Vertreter der Hochschulen und Akademien und 6 Vertreter der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die Senatoren wurden von den dazu berechtigten Körperschaften bzw. Verbänden des öffentlichen und privaten Rechts gewählt; nur die Religionsgemeinschaften ernannten ihre Vertreter. Sie sollten als Fachleute ihren Sachverstand und ihre Erfahrung in die Gesetzgebung einbringen; deshalb sollten sie mindestens 40 Jahre alt sein. Die Senatoren blieben sechs Jahre im Amt; alle zwei Jahre schied ein Drittel aus, wobei eine neue Wahl stattfand. Eine Wiederberufung war zulässig. Gemäß Art. 40 BV war der Bayerische Senat dazu berufen, zu Gesetzesvorlagen der Staatsregierung auf deren Ersuchen gutachterlich Stellung zu nehmen. Dies sollte bei allen wichtigen Gesetzesvorlagen geschehen. Ging es um den Staatshaushalt, um verfassungsändernde Gesetze oder solche, die dem Volk zur Entscheidung vorgelegt werden sollten, war die Regierung verpflichtet, das Votum des Senats einzuholen. Nach Art. 41 BV waren dem Senat alle Gesetzesbeschlüsse des Landtags vor deren Ausfertigung durch den Ministerpräsidenten zur Kenntnisnahme vorzulegen; der Senat hatte dann das Recht, Einwendungen zu erheben, die der Landtag aber mit einfacher Mehrheit zurückweisen konnte. Ferner hatte der Senat das Gesetzesinitiativrecht (Art. 39 BV). Der Bayerische Senat wurde durch Volksentscheid vom 8. Februar 1998 mit Wirkung zum 31. Dezember 1999 aufgelöst. Danach wurde ein Anhörungsrecht der kommunalen Spitzenverbände in die Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags aufgenommen.
Bayernwacht
bewaffneter Saalschutzverband der Bayerischen Volkspartei (BVP), gegründet 1924 in München. Zunächst weitgehend auf die bayerische Landeshauptstadt beschränkt, versuchte die BVP erst ab 1930, die Bayernwacht als bayerisch-katholisches Gegengewicht gegen SA, SS und das SPD-nahe Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold zu etablieren und landesweit zu verankern. Bei der nationalsozialistischen "Machtergreifung" im März 1933 griff die zahlenmäßig und organisatorisch beachtliche Bayernwacht - Ende 1932 verzeichneten die Bayernwacht und die mit ihr verbundene Pfalzwacht zusammen rund 30.000 Mitglieder - unter der Leitung von Hans Ritter von Lex jedoch nicht ein. Nachdem bereits am 10. und 11. März 1933 ihre Führer vorübergehend in Haft genommen worden waren, löste sich die Bayernwacht am 13. April 1933 auf.
BBB (Bayerischer Bauernbund)
als parlamentarische Interessenvertretung 1895 entstandene Partei der Mittel- und Kleinbauern. Der BBB gab sich betont föderalistisch und demokratisch und zeigte antiklerikale Tendenzen. Nach 1922 nannte er sich "Bayerischer Bauern- und Mittelstandsbund". 1933 wurde er aufgelöst. Abgeordnete des BBB waren von 1893 bis 1933 in allen bayerischen Landtagen vertreten.
Besatzungszone
dem Wortsinn nach das von ausländischen Truppen besetztes Territorium eines Staates, in dem eine fremde Staatsmacht – eingeschränkt oder vollständig – die Gebietshoheit ausübt. – Mit dem Versailler Vertrag (1919) entstanden erstmals auf dem Territorium des Deutschen Reichs im Ruhrgebiet Besatzungszonen. Im Zuge ihres militärischen Sieges über das nationalsozialistische Deutschland teilten die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges 1944/45 das um seine Ostgebiete verkleinerte Deutsche Reich und Österreich in vier Besatzungszonen.
Bezirkstag
vom Volk direkt gewählte Vertretung der Bürger in einem der sieben Regierungsbezirke (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz, Oberfranken, Mittelfranken, Unterfranken und Schwaben), die nach den Gemeinden und Landkreisen die dritte kommunale Verwaltungsebene in Bayern bilden. Der Bezirkstag verwaltete den Bezirk, soweit nicht von ihm bestellte Ausschüsse über Bezirksangelegenheiten beschließen, der Bezirkstagspräsident selbstständig entscheidet oder die Regierung tätig wird. Er wird gleichzeitig mit dem Landtag auf fünf Jahre gewählt. Die Mitglieder werden als Bezirksräte bezeichnet. Aus ihrer Mitte wählen sie den Bezirkstagspräsidenten. Der Bezirkstagspräsident führt den Vorsitz im Bezirkstag und im Bezirksausschuss; er vollzieht die Beschlüsse des Bezirkstags und seiner Ausschüsse. Überdies vertritt er den Bezirk nach außen. Die Bezirke sind überörtliche Sozialhilfeträger und nehmen darüber hinaus Aufgaben im Bereich der Jugendhilfe, des Sonderschulwesens, der Denkmalpflege, der Heimatpflege und der staatlichen Verwaltung wahr.
BHE (Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten)
national-konservative Partei, die sich als Interessenvertretung der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg sah. Ab 1950 folgten mehrere Namensänderungen: 1950 "Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten - Deutsche Gemeinschaft (BHE-DG)", 1953-1958 "Gesamtdeutscher Block/Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)" und 1961-1966 "Gesamtdeutsche Partei (Deutsche Partei - Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GDP - DP/BHE)". Die Partei gehörte von 1950 bis 1962 allen bayerischen Landesregierungen an.
BMP (Bayerische Mittelpartei)
Rechtskonservativ-deutschnationale Regionalpartei, gegründet am 24.11.1918 in Nürnberg. Nach dem Anschluss an die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) am 13.3.1920 wurde der Name Mittelpartei beibehalten, lediglich mit dem Zusatz "Deutschnationale Volkspartei in Bayern". Als der wichtigste Koalitionspartner der Bayerischen Volkspartei (BVP) war die Mittelpartei einer der zentralen landespolitischen Akteure Bayerns während der Weimarer Republik. Zudem übte sie einen nachhaltigen Einfluss auf das Verhältnis Bayerns zum Reich aus. Mit Ausnahme einer kurzen Oppositionszeit stellte sie von Juni 1920 bis Juni 1932 den bayerischen Justizminister. Erst ab etwa 1925 büßte die Mittelpartei allmählich ihren eigenständig-bayerischen Charakter ein. Nach 1928 ging sie in die "nationale Opposition" des DNVP-Reichsparteivorsitzenden Alfred Hugenberg. Bereits das bayerische Landtagswahlergebnis von 1932 (3,3 Prozent) zeigte, dass die DNVP ihre ehemalige Wählerschaft verloren hatte. Auch in den folgenden Reichstagswahlen von 1932 und 1933 konnte sie sich nur marginal verbessern. Die faktische Auflösung der Deutschnationalen Volkspartei in Bayern fand somit bereits ein gutes Jahr vor ihrer Umbenennung in "Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" bzw. "Deutschnationale Front" und der endgültigen "Gleichschaltung" im Frühjahr und Sommer 1933 statt.
BP (Bayernpartei)
1946 gegründete, aber erst 1948 von der amerikanischen Militärregierung zugelassene Partei, die einen selbständigen bayerischen Staat forderte und das Grundgesetz für die Bundesrepublik ablehnte. Anklang fand die BP vor allem in den katholisch-ländlich-bäuerlichen Schichten Altbayerns. Die BP war von 1950 bis 1966 (2. bis 5. Wahlperiode) im Bayerischen Landtag vertreten; 1954 bis 1957 (unter Ministerpräsident Wilhelm Hoegner, SPD) und 1962 bis 1966 (unter Ministerpräsident Alfons Goppel, CSU) war sie an der Regierung beteiligt. Danach verlor die Partei immer mehr an Bedeutung.
BSP (Bayerische Staatspartei)
Am 3. Dezember 1967 in Regensburg als Abspaltung von der Bayernpartei (BP) gegründete Partei. In ihrem ersten Parteiprogramm forderte die BSP einen selbstständigen Freistaat Bayern, der verfassungspolitisch mit den übrigen Ländern der Bundesrepublik Deutschland lediglich in einem Staatenbund zusammengeschlossen sein sollte. Seit den 1970er Jahren betonte die BSP zunehmend ihre europaweite Perspektive und ihr föderalistisches Grundkonzept. Sie lehnte ein Europa der "Staats-Nationen“ ab und setzte sich dagegen für ein "Europa der Regionen“ ein. Zum letzten Mal trat die BSP 1986 zu den Bayerischen Landtagswahlen an.
BVP (Bayerische Volkspartei)
von ehemaligen Zentrumspolitikern in Reaktion auf die Revolution 1918 gegründete Partei, deren Programm ("Bayern den Bayern!") in modifizierter Form auch vom größten Reil des bisherigen bayerischen Zentrums angenommen wurde, dessen Nachfolge sie antrat. Als Reaktion auf die Stärkung des Arbeiterflügels und der linken Kräfte der katholischen Zentrumspartei auf Reichsebene nach der Revolution 1918 hatte sich der bayerische Landesverband des Zentrums von der Partei gelöst. Die BVP war von 1920 bis 1933 die stärkste Partei in Bayern. Ihre Wählerschaft setzte sich vor allem aus bürgerlichen und bäuerlichen Kreisen zusammen. Sie war ab dem 31. Mai 1919 an allen bayerischen Regierungen bis 1933 beteiligt und stellte seit 1924 mit Heinrich Held den Ministerpräsidenten. 1933 wurde die Partei von den Nationalsozialisten zur Selbstauflösung gezwungen. Ihre Nachfolge trat nach dem Zweiten Weltkrieg die CSU an.
CS(R)P (Christlich Soziale Reichspartei) / Bayerisches Zentrum
für Bayern als Stütze des Zentrums 1920 in Treuchtlingen gebildete Partei. Der CSP gehörten katholische Werktätige an, die für einen „christlichen Sozialismus“ eintraten und in Opposition zur reaktionären, partikularistischen Politik der Bayerischen Volkspartei (BVP) standen. 1924/25 nahm die CSP gegenüber dem Zentrum immer stärker eine kritische Haltung ein. Die Rechtsschwenkung des Zentrums, wie sie vornehmlich durch die Regierungsbeteiligung am so genannten Bürgerblockkabinett Hans Luther und durch die Unterstützung von dessen reaktionärer Steuer- und Zollpolitik sichtbar geworden war, bewog die CSP Mitte 1925, die Arbeitsgemeinschaft mit dem Zentrum aufzulösen. Die Trennung vom Zentrum hatte zur Folge, dass die Christlich-Soziale Partei ihre Tätigkeit nicht mehr auf Bayern beschränkte, weswegen sie 1926 auch in Christlich-Soziale Reichspartei (CSRP) umbenannt wurde. Zunehmend entwickelte sie sich zu einer linkskatholischen kleinbürgerlich-demokratischen Partei. Sie bekannte sich zum Klassenkampf des Proletariats, trat für die Einheitsfront aller Werktätigen ein und arbeitete verschiedentlich mit der KPD zusammen. Vom katholischen Klerus sowie von Führern des Zentrums, der BVP und der christlichen Gewerkschaften rigoros bekämpft, blieb ihr Masseneinfluss eng begrenzt. Die CSRP, seit 1931 Arbeiter- und Bauernpartei Deutschlands (ABPD), unterstützte von fortschrittlichen christlichen Positionen aus den Kampf der KPD gegen die militaristische Reaktion und gegen den drohenden Faschismus. Nach der Errichtung der faschistischen Diktatur waren die Mitglieder der ABPD zunehmend Verfolgungen ausgesetzt. Am 15. Juli 1933 wurde die ABPD verboten. Am antifaschistischen Widerstandskampf nahmen ehemalige Mitglieder der ABPD aktiv teil, so z. B. in der 1942 in Süddeutschland entstandenen Widerstandsorganisation Antinazistische Deutsche Volksfront.
CSU (Christlich-Soziale Union)
am 13. Oktober 1945 in Würzburg und am 8. Januar 1946 in München gegründete föderalistisch und konservativ orientierte Partei. Der Anspruch der CSU war es, die konfessionelle Trennung des bürgerlichen Lagers zu überwinden und sich als eine integrative Volkspartei zu präsentieren. Die CSU bekannte sich "zur ewigen Gültigkeit des christlichen Sittengesetzes" und verfocht in der Nachfolge der Bayerischen Volkspartei (BVP) vor allem die politische, wirtschaftliche und kulturelle Autonomie Bayerns innerhalb Deutschlands. Die ersten Jahre ihrer Parteigeschichte waren von starken Flügelkämpfen gekennzeichnet: Auf der einen Seite wollte der konservative Flügel um Fritz Schäffer und Alois Hundhammer an die Tradition der früheren BVP, die in erster Linie katholisch geprägt war, anschließen; auf der anderen Seite verfolgte die Gruppe unter Führung des ersten CSU-Parteivorsitzenden Josef Müller das Ziel, die Partei zu einer überkonfessionellen demokratischen Sammlungsbewegung und Volkspartei zu machen. Die CSU entwickelte sich schnell zur bedeutendsten politischen Kraft in Bayern, und stellt, abgesehen von den beiden Regierungen unter Wilhelm Hoegner (SPD) 1945-1946 und 1954-1957, seit 1946 den Ministerpräsidenten. Seit 1962 verfügt die CSU über die absolute Mehrheit der Sitze im Bayerischen Landtag.
DDP (Deutsche Demokratische Partei)
am 20. November 1918 gegründete Partei mit Bekenntnis zu individueller Freiheit, zu sozialer Verantwortung und zur parlamentarischen Demokratie der Weimarer Republik. Mit Hugo Preuß, Max Weber und Friedrich Naumann, der auf dem 1. Parteitag im Juli 1919 zum DDP-Vorsitzenden gewählt wurde, kamen die entscheidenden Gestalter der Weimarer Reichsverfassung aus ihren Reihen. Die Partei strebte einen föderalen Einheitsstaat an und forderte - wie nahezu alle anderen Parteien auch - die Revision des Versailler Vertragswerks. Sozialpolitisch suchte sie über die Zusammenarbeit mit der SPD einen Ausgleich zwischen den sozial- und wirtschaftspolitischen Vorstellungen von Arbeiterschaft und Bürgertum. Mit 18,5 Prozent der Stimmen 1919 in die Nationalversammlung gewählt, bildete die DDP mit SPD und Zentrum die "Weimarer Koalition". Mit nur kurzen Unterbrechungen 1927/28 war die DDP an allen Reichsregierungen bis 1932 beteiligt. Diese Regierungsbeteiligung wirkte sich in Verbindung mit der Bereitschaft zur Übernahme politischer Verantwortung auch bei unpopulären Entscheidungen für die DDP negativ aus. Zählte die Partei ein Jahr nach ihrer Gründung noch rund 800.000 Mitglieder, verlor sie im Laufe der Zeit immer mehr Mitglieder an die konkurrierende, stärker industriell orientierte Deutsche Volkspartei (DVP). Bis 1927 sank die Mitgliederzahl auf 117.000. Bei der Reichstagswahl vom 20.5.1928 erhielt die DDP nur noch knapp 5 Prozent der Wählerstimmen. Als der Verfallsprozess der DDP sich im Zuge der Weltwirtschaftskrise beschleunigte, schloss sich die rechte Mehrheit der Partei im Juli 1930 mit dem Jungdeutschen Orden, der Volksnationalen Reichsvereinigung und anderen Splittergruppen zur Deutschen Staatspartei (DStP) zusammen, während der linke Parteiflügel unter Führung von Ludwig Quidde die Radikaldemokratische Partei gründete.
DDR (Deutsche Demokratische Republik)
am 7. Oktober 1949 auf dem Gebiet der heute bundesdeutschen Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gegründeter Staat, dessen Hauptstadt der sowjetisch besetzte Teil Berlins wurde. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges (1945) war Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt und für das Gebiet der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) 1949 die DDR als sozialistischer Staat ausgerufen worden, der sich nach sowjetischem Vorbild als Diktatur des Proletariats verstand. Die politische Macht hatte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) inne, unter deren Führung die anderen noch zugelassenen Parteien und sonstigen Organisationen zu einer Allparteienblockregierung zusammengefasst waren. Partei und Staat wurden nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus geführt, bei dem die Volksvertretung gegenüber der führenden Rolle der SED nachrangige Bedeutung hatte. 1968 gab sich die DDR eine Verfassung, die der SED nun auch verfassungsrechtlich die bestimmende Rolle in Staat und Gesellschaft übertrug. Der Reformkurs des sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow verstärkte Ende der 1980er Jahre den Druck auf die politische Führung der DDR. Seit dem 25. September 1989 wurden kontinuierlich Massendemonstrationen gegen die Staatsführung durchgeführt, die zunehmend die politische Kontrolle verlor. Am 8. November 1989 trat das Politbüro der SED geschlossen zurück, und einen Tag später wurde die Berliner Mauer geöffnet. Der Versuch von Bürgerrechtlern, die DDR zu öffnen und dennoch eine Alternative zu Sozialismus und Kapitalismus zu entwickeln, scheiterte am mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung. Am 3. Oktober 1990 trat die DDR nach Art. 23 GG der Bundesrepublik Deutschland bei.
Denunziantentum
für die Funktionsfähigkeit der NS-Diktatur wesentliche, freiwillige Anzeige eines angeblich oder wirklich gegen den Nationalsozialismus gerichteten Verhaltens mit dem Ziel der Bestrafung des Denunzierten. Die latente Denunziationsbereitschaft in allen Schichten der deutschen Bevölkerung erwies sich als mobilisierbar für die Stabilisierung des Herrschaftssystems und die Durchsetzung der inneren Ordnungsprinzipien der Ideologie der „Volksgemeinschaft“. Der NS-Staat lieferte dafür durch Heimtücke-Gesetz, „Blutschutzgesetz“, Rundfunkverordnung und etwa die Kriegssonderstrafrechts-Verordnung, deren §5 die Bestrafung von Wehrkraftzersetzung festschrieb, das strafrechtliche Instrumentarium. Von ideologischen Prinzipien und Normen des Regimes abweichende Einstellungen und Verhaltensweisen wurden damit kriminalisiert, die nationalsozialistische Rassenpolitik erfuhr ihre strafrechtliche Durchsetzung. Im Zweiten Weltkrieg, vor allem nach 1942, nahm insbesondere die Verfolgung wegen „Defätismus“ und verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern zu. Das Regime war dabei auf die eifrige Zuträgerschaft aus der Bevölkerung angewiesen, die es den Kontrollorganen von Partei und Gestapo ermöglichte, oft nur reaktiv tätig zu werden. Denunziationen waren meist privat motiviert: als persönliche Racheakte; als Reflex gesellschaftlicher Ressentiments oder sozialer Konflikte. Sie waren aber auch ein Indiz für die Akzeptanz des nationalsozialistischen Systems. Zehntausende Denunzierte wurden verhaftet und vom Volksgerichtshof verurteilt beziehungsweise waren Gewalt und Willkür ausgesetzt bis hin zum Tod im KZ. Durch Denunziation wurde die Zerschlagung von Widerstandsgruppen vielfach erst ermöglicht und der Widerstand im Keim erstickt.
Deutscher Bundestag
1.) Ständiger Kongress der Gesandten der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes 1815-1866; 2.) Volksvertretung (Parlament) in der Bundesrepublik Deutschland seit 1949.
Distrikt
in Bayern seit 1808 Gebietseinheit zur Steuererhebung, nach 1848/49, spätestens seit 1852 untere Verwaltungseinheit mit Rechten einer öffentlichen Körperschaft. Die Distriktsverwaltungsbehörden, die neu geschaffenen Bezriksämter, hatten überdies die Strafaufsicht über die Landgemeinden, Märkte und mittelbaren Städte. Mit der Betonung der kommunalen Selbstverwaltung im Selbstverwaltungsgesetz von 1919 wurden die in einem Bezirksamt gelegenenen Distrikte zu einem Bezirk vereinigt und als alleiniges Verwaltungsorgan der Stadt- beziehungsweise Gemeinderat eingerichtet.
Distriktsrat
gewähltes Vertretungsorgan der Distriktsgemeinde. Er formierte als wichtigstes Verwaltungsgremium des Distrikts den Dirstriktausschuss.
DKP (Deutsche Kommunistische Partei)
1968, zwölf Jahre nach dem Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gegründete kommunistische Partei mit der Zielsetzung einer klassenlosen Gesellschaft. Die DKP war bisher weder in einem Landesparlament noch im Bundestag vertreten.
DNVP (Deutschnationale Volkspartei)
1918 gegründete bürgerliche Rechtspartei, in der die ehemals führenden Schichten des Kaiserreichs repräsentiert waren, unter anderem Adel, Beamtentum, Offiziere und gehobenes Bürgertum. DNVP nannte sich in Bayern zunächst "Bayerische Mittelpartei". Sie setzte sich unter anderem für die Wiederherstellung der Monarchie ein und kämpfte aggressiv gegen das parlamentarisch-demokratische Regierungssystem der Weimarer Republik. 1933 ermöglichte sie aufgrund einer Verkennung der Ziele der Nationalsozialisten die Bildung des Kabinetts unter Reichskanzler Adolf Hitler. Wenige Monate später wurde die Partei vom NS-Regime zur Selbstauflösung gezwungen.
Dolchstoßlegende
nach dem Ersten Weltkrieg verbreitete, letztlich auf General Erich Ludendorff zurückgehende These der angeblichen Ursachen des deutschen militärischen Zusammenbruchs 1918, nach der Teile der Heimatbevölkerung, besonders jedoch Gruppen der sozialistischen Linken bis hin zur gesamten Sozialdemokratie durch ihren revolutionären Umsturz das "im Felde unbesiegte" Frontheer "von hinten erdolcht" hätten. Die Dolchstoßlegende sollte von den militärischen und wirtschaftlichen Gründen für die Niederlage Deutschlands ablenken. Sie wurde zur Kampfparole der extremen Rechten gegen die Weimarer Republik und ihre Regierungen. Um das Aufkommen einer erneuten Dolchstoßlegende zu verhindern, bestanden die Alliierten 1945 (im Gegensatz zu 1918) auf der Unterschrift der Kapitulationsurkunde durch die deutschen militärischen Befehlshaber.
DPFR (Deutsche Partei für Freiheit und Recht)
von der Wirtschfatlichen Aufbau-Vereingiung (WAV) abgespaltene Partei, deren Gründung am 9. November 1949 durch den ehemaligen WAV-Abgeordneten Julius Höllerer im Bayerischen Landtag bekannt gegeben wurde. Am 17. Januar 1950 schloss sich die DFPR mit den verbleibenden vier Abgeordneten der am 27. Dezember 1949 aufgelösten "Freien Parlamentarischen Vereinigung“ (FPV) zur "Freien Fraktionsgemeinschaft“ (FFG) zusammen, da der Geschäftsordnungsausschuss des Bayerischen Landtags die Erhöhung der Mindestfraktionsstärke von fünf auf zehn Abgeordnete beschlossen hatte.
DSAP (Deutsche Sozialdemokratische Arbeiterpartei in der Tschechoslowakei)
1919 in Teplitz in der Tschechoslowakei von früheren Anhängern der österreichisch-deutschen Sozialdemokratie gegründete Partei. Leiter der DSAP waren Josef Seliger (1870-1920) und Ludwig Czech (1870-1942), der bis 1938 den Vorsitz der DSAP innehatte. Publikationen der Partei waren „Der Sozialdemokrat“ und „Der Volksfreund“. Die Beziehungen zu ihrer tschechoslowakischen sozialdemokratischen Schwesterpartei waren gespannt: Im Gegensatz zur oppositionellen DSAP beteiligte sich die tschechoslowakische sozialdemokratische Partei an der Regierung. Dennoch führten die Parteien 1928 einen Einigungskongress durch. Ludwig Czech wurde 1929 Sozialminister und blieb Minister bis zu seinem Rücktritt auf dem letzten DSAP-Kongress im März 1938. Seine Nachfolge trat Wenzel Jaksch (1896-1966) an. Im Zuge der deutschen Besetzung der Tschechoslowakei 1938 und 1939 versuchten einige der DSAP-Mitglieder aus dem Land zu fliehen, unter ihnen Wenzel Jaksch, der nach London emigrierte.
DStP (Deutsche Staatspartei)
Zusammenschluss der rechten Mehrheit der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die gegen Ende der Weimarer Republik immer mehr an Popularität einbüßte, mit dem Jungdeutschen Orden, der Volksnationalen Reichsvereinigung und anderen Splittergruppen. Das im August 1930 veröffentlichte politische Manifest der DStP hatte so gut wie keine Berührungspunkte mehr mit dem Programm der inzwischen gänzlich aufgelösten DDP, die sich eindeutig zu Liberalismus und parlamentarischer Demokratie bekannt hatte. Obwohl die DStP auf den allgemeinen Rechtstrend einschwenkte, waren die Wahlergebnisse enttäuschend. Auf Druck der NS-Machthaber löste sich die Partei am 28. Juni 1933 selbst auf.
DVP (Deutsche Volkspartei)
1918 vom späteren Reichskanzler und Außenminister Gustav Stresemann (1878-1929) gegründete Partei. Als zweite liberale Partei setzte sich die DVP im Gegensatz zur eindeutig republikanisch ausgerichteten Deutschen Demokratischen Partei (DDP) für eine monarchische Staatsform ein und vertrat die Interessen von Großwirtschaft und Schwerindustrie. 1919 gründeten einige Anhänger Streesemanns einen bayerischen DVP-Landesverband. Auf Reichsebene entwickelte sich die DVP in den Jahren der Weimarer Republik zu einer machtpolitischen Größe, in Bayern blieb sie jedoch relativ bedeutungslos. Während der nur knapp über drei Monate andauernden Kanzlerschaft Streesemanns vom 13. August bis zum 23. November 1923 wurde durch die Beendigung der Inflation die Grundlage für die Erfüllung der Reparationsforderungen des Versailler Vertrags geschaffen. 1923 spaltete sich der bayerische Landesverband von der Reichspartei ab, da ein Großteil des bayerischen Parteivorstands Streesemanns "Erfüllungspolitik“ ablehnte. 1924 ging die kleine bayerische DVP bei den Landtagswahlen mit der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) als "Vereinigte nationale Rechte“ eine Listenverbindung ein. Vereinzelt hatten sie auf lokaler Ebene großen Erfolg, so erreichten sie etwa in Schweinfurt 21,9 Prozent der Stimmen. Dieser Erfolg konnte allerdings nicht wiederholt werden. Als "Deutsche Volkspartei in Bayern - Nationalliberale Partei“ trat die bayerische DVP erst bei den Landtagswahlen 1928 eigenständig auf, erhielt jedoch lediglich 3,2 Prozent der Stimmen. Auch die Vereinigung mit der Wirtschaftspartei - Reichspartei des deutschen Mittelstandes (WP) führte bei den bayerischen Landtagswahlen 1932 zu keinem nennenswerten Erfolg.
Eiserne Front
am 16. Dezember 1931 in Reaktion auf die in der "Harzburger Front" begründete Zusammenarbeit von NSDAP, DNVP, Reichslandbund, Alldeutschem Verband (ADV) und Stahlhelm gegründetes Bündnis von SPD, Reichsbanner, Allgemeinem Deutschem Gewerkschaftsbund (ADGB), Arbeitersportverbänden und Allgemeinem freiem Angestelltenbund (AfA-Bund). Ziel des Zusammenschlusses war die Mobilisierung aller Kräfte zur Verteidigung der Weimarer Republik. Obwohl überparteilich angelegt, blieb die "Eiserne Front" letztlich ein SPD-dominiertes Bündnis. Erkennungszeichen waren drei parallele Pfeile auf rotem Grund. Schlecht organisiert, konnte das Bündnis nur wenige Erfolge vorweisen und wurde nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im März 1933 verboten. In Bayern zählte die "Eiserne Front" etwa 410.000 bis 420.000 Anhänger. Prominente Redner bei Versammlungen und Aufmärschen in Bayern waren Waldemar von Knoeringen, Wilhelm Hoegner, Erhard Auer, Thomas Wimmer, Hans Unterleitner, Max Peschel, Albert Roßhaupter und Johannes Timm. Vorsitzender der "Eisernen Front" in Bayern war 1932/33 der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete und frühere Landtagsabgeordnete Ernst Schneppenhorst.
Ermächtigungsgesetz 1933 ("Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich")
von Adolf Hitler vorgelegtes Gesetz, mit dem die Regierung dazu ermächtigt werden sollte ohne Zustimmung von Reichstag und Reichsrat sowie ohne Gegenzeichnung des Reichspräsidenten Gesetze zu erlassen. Zwei Tage nach der von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels in der Potsdamer Garnisonkirche inszenierten Reichstagseröffnung ("Tag von Potsdam") stimmte der Reichstag am 23. März 1933 über das Ermächtigungsgesetz ab, für dessen Billigung aufgrund der mit ihm einhergehenden Änderung der Weimarer Verfassung eine Zustimmung von zwei Dritteln aller Abgeordneten nötig war. Nach Hitlers taktisch bedingter Zusicherung einer kontrollierten Anwendung des Gesetzes sowie der Zusage, die Rechte der Verfassungsorgane, der Länder und der Kirche wahren zu wollen, signalisierten die Parteien der bürgerlichen Mitte ihre Zustimmung. Mit 444 Stimmen der Regierungskoalition aus Nationalsozialistischer Deutscher Arbeiterpartei (NSDAP) und Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) sowie von Zentrum, Bayerischer Volkspartei (BVP) und Deutscher Staatspartei (DStP) wurde das Gesetz in namentlicher Abstimmung angenommen. Lediglich die 94 Abgeordneten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) ließen sich nicht von den Drohgebärden der im Reichstag aufmarschierten Sturmabteilung (SA) einschüchtern und stimmten gegen die Selbstentmachtung des Parlaments. Die 81 Abgeordneten der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) konnten an der Abstimmung nicht teilnehmen, da ihre Mandate auf Basis der Reichstagsbrandverordnung bereits am 8. März 1933 annulliert worden waren. Das zunächst auf vier Jahre verabschiedete Ermächtigungsgesetz wurde 1937, 1939 sowie 1943 verlängert und blieb bis zum Ende der NS-Diktatur im Mai 1945 rechtliche Grundlage deutscher Gesetzgebung. In Bayern verabschiedete der "gleichgeschaltete" Landtag am 29. April 1933 mit dem "Gesetz zur Behebung der Not des bayerischen Volkes und Staates" ein eigenes Landesermächtigungsgesetz.
FDP (Freie Demokratische Partei)
am 30. November 1945 unter dem Vorsitz von Thomas Dehler in Bayern gebildete Partei, die sich mit der kurz zuvor unter der Führung von Reinhold Maier und Theodor Heuss in Württemberg gegründeten Deutschen Volkspartei (DVP) am 11./12. Dezember 1945 unter dem Vorsitz von Theodor Heuss zur Freien Demokratischen Partei (FDP) zusammenschloss. Gemäß der liberalen, eher zentralistisch ausgerichteten Tradition nahm die FDP zunächst keine betont bayerische Position ein. Sie war 1946 bis 1966, 1970 bis 1982 und 1990 bis 1994 im Bayerischen Landtag vertreten. Von 1954 bis 1958 war die FDP an zwei Landesregierungen in Bayern beteiligt.
FFG (Freie Fraktionsgemeinschaft)
am 17. Januar 1950 durch Zusammenschluss der Deutschen Partei für Freiheit und Recht (DPFR), einer Abspaltung der Wirtschaftlichen Aufbauvereinigung (WAV) und der Freien Parlamentarischen Vereinigung (FPV) gegründete Interessengemeinschaft im bayerischen Landtag. Der Zusammenschluss erfolgte als Reaktion auf die Auflösung der FPV, die nach dem Tod eines Fraktionsmitglieds die erforderliche Mindestfraktionsstärke nicht mehr erreichte. Die FFG existierte bis zum Ende der ersten Legislaturperiode des Bayerischen Landtags 1950.
Föderalismus
Gestaltungsprinzip einer aus mehreren Staaten zusammengesetzten rechtlichen Gemeinschaft, welche die Form des Staatenbunds oder des Bundesstaats aufweisen kann, im Sinne eines betonten Selbstbestimmungs- und Mitbestimmungsrechts der Gliedstaaten.
FPV (Freie Parlamentarische Vereinigung)
am 16. März 1949 von Abgeordneten des Bayerischen Landtags gegründete und nach mehreren Fraktionsumbildungen bereits am 27. Dezember 1949 wieder aufgelöste Interessengemeinschaft im bayerischen Landtag. Hintergrund für die Gründung der Partei war der Skandal um den am 24. Juni 1947 entlassenen Sonderminister für Entnazifizierung Alfred Loritz von der Wirtschaftlichen Aufbau-Vereinigung (WAV), der wegen des Verdachts auf ein „Kriegswirtschaftsverbrechen“ (Schwarzhandel) verhaftet worden war, woraufhin am 21. Juli 1947 fünf Abgeordnete aus der WAV-Fraktion austraten. Nach erneuter Strafverfolgung Loritz’ „wegen verleumderischer Beleidigung der Beamten der Strafanstalt München Stadelheim“, von denen Loritz behauptet hatte während seiner dortigen Untersuchungshaft schlechter als von der Geheimen Staatspolizei behandelt worden zu sein, traten weitere drei Abgeordnete aus der WAV aus, die damit den Fraktionsstatus im Landtag verlor, und bildeten gemeinsam mit einigen ehemaligen CSU-Abgeordneten die FPV. Am 9. November 1949 verlor die FPV den Fraktionsstatus durch das Ausscheiden mehrerer ehemaliger WAV-Abgeordneter. Der Beitritt eines aus der CSU ausgeschiedenen und zur Bayernpartei (BP) übergewechselten Abgeordneten ermöglichte am 30. November 1949 die erneute Fraktionsbildung. Da durch den Tod eines anderen Fraktionsmitglieds die Mindestfraktionsstärke nicht mehr erreicht wurde, löste sich die FPV am 27. Dezember 1949 endgültig auf. Am 17. Januar 1950 schlossen sich die verbleibenden Fraktionsmitglieder mit der Deutschen Partei für Freiheit und Recht (DPFR) zur Freien Fraktionsgemeinschaft (FFG) zusammen.
Fraktion
Vereinigung von Abgeordneten derselben Partei in einem Parlament zwecks enger Zusammenarbeit, die in nicht öffentlichen Fraktionssitzungen beschlossen wird. Dies führt oft zu dem umstrittenen Fraktionszwang. Beschlüsse der Fraktion über Stimmabgabe aller Fraktionsmitglieder im Sinne eines Mehrheitsbeschlusses der Fraktion aber dürfen von einem Abgeordneten aufgrund seines freien Mandats dann nicht als bindend angesehen werden, wenn er dadurch in Widerspruch zu seinem Gewissen entschiede. Bedingung für die Bildung einer Fraktion sind das Erreichen von mindestens fünf Prozent der Gesamtstimmenzahl bei der vorausgegangenen Landtagswahl und mindestens fünf Sitze im Bayerischen Landtag. Ein Mitglied des Landtags kann nur einer Fraktion angehören. Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen im Bayerischen Landtag werden durch das Bayerische Fraktionsgesetz geregelt. Die Fraktionen regeln ihre Angelegenheiten einschließlich der Wirtschaftsführung durch Satzung. Aufgabe der Fraktionen ist die Gestaltung des politischen Lebens im Landtag, insbesondere die Vorbereitung von Stellungnahmen zu aktuellen politischen Themen, die Erarbeitung von Vorlagen wie Anträgen oder Gesetzen und die Vereinbarung einer gemeinsamen Haltung der Fraktion in den Ausschüssen und der Vollversammlung (Plenum).
Freistaat
als deutsche Bezeichnung für "Republik" nach der Französischen Revolution von 1789 entstandener Begriff, der in Deutschland zunächst - im so genannten Vormärz - vor und dann auch während der Revolution von 1848 von Liberalen und Demokraten als politischer Kampfbegriff gegen die Herrschaft der Könige und Fürsten gebraucht wurde. Nach der Novemberrevolution von 1918 wurde im Rahmen der bayerischen Verfassunggebung 1919 die Bezeichnung "Freistaat Bayern" bewusst als klares Bekenntnis zu einer freiheitlichen Staatsordnung gewählt, um die Abkehr von der Monarchie herauszustellen. Durch die Nationalsozialisten wurde der Begriff "Freistaat" wurde 1934 beseitigt, durch die Bayerische Verfassung 1946 aber wieder aufgegriffen.
Frontbewährung
militärisches Strafurteil im Zweiten Weltkrieg, das der Verurteilte in erster Linie bei der eigenen Truppe ableisten sollte. Wenn diese weder an der Front noch unter schwierigen und gefahrvollen Umständen eingesetzt war, sollte er zur Bewährungstruppe versetzt werden.
FV (Freie Vereinigung)
im Bayerischen Landtag 1924 aus mehreren kleinen Parteien gebildete Fraktion, in der die Deutsche Demokratische Partei (DDP) das größte Gewicht hatte.
FVP (Freisinnige Volkspartei)
aus der 1884 gegründeten und nach innerparteilichen Differenzen 1893 zerfallenen Deutschfreisinnigen Partei neben der Freisinnigen Vereinigung hervorgegangener größerer linksliberaler Flügel unter Eugen Richter, der einen strengen Wirtschaftsliberalismus vertrat. Mit der Deutschen Volkspartei schlossen sich beide Parteien 1910 zur Fortschrittlichen Volkspartei zusammen.
Gau
unter anderem bei den Turn- und Sportvereinen seit dem 19. Jahrhundert gebräuchlicher, von der NSDAP übernommerner Begriff für ein Parteiverwaltungsgebiet innerhalb des in meherere Gaue unterteilten Deutschen Reichsgebietes. Nach ihrer Neugründung 1925 begann sich die NSDAP über Bayern hinaus auszudehnen, weswegen die notwendig gewordene Neuorganisation der Verwaltungsgebiete in der Parteisatzung vom 22. Mai 1926 neu festgelegt wurde. Nach häufigen Umstrukturierungen entstanden letztlich 42 Gaue, als 43. Gau zählte die Auslandsorganisation der NSDAP. Ein Gau, an dessen Verwaltungsspitze ein Gauleiter stand, war unterteilt in Kreis, Ortsgruppe, Zelle und Block und stand zwischen Reichs- und Kreisebene. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 dienten die Gaue nicht mehr nur als parteiliche Organisationsform, sondern zunehmend als staatliche Struktur anstelle der Länder im Deutschen Reich. Die Gauleiter wurden nun auch von Hitler in staatliche Ämter eingesetzt. In dieser Personalunion sollten sie die "Einheit von Partei und Staat“ verkörpern.
Gemeindebevollmächtigter
ältere Bezeichnung für einen ehrenamtlichen Stadtrat.
Gemeinderat
in Städten Stadtrat, in Märkten Marktgemeinderat genannte, für eine Amtsdauer von sechs Jahren gewählte Vertretung der Gemeindebürger. Der Gemeinderat besteht aus dem ersten Bürgermeister und den Gemeinderatsmitgliedern. Die Zahl der Gemeinderatsmitglieder ist von der Einwohnerzahl der Gemeinde abhängig. Als Hauptverwaltungsorgan ohne Selbstauflösungsrecht ist der Gemeinderat der Exekutive zuzuordnen. Er ist kein Parlament im eigentlichen, legislativen Sinne, da er zwar dazu berufen ist, im Wege des Satzungs- und Verordnungserlasses Recht zu setzen, dieses Recht aber dann vom ersten Bürgermeister oder vom Gemeinderat selbst vollzogen wird.
Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums
am 7. April 1933 als Instrument der „Gleichschaltung“ sowie der Entfernung von Regimegegnern und Juden aus dem öffentlichen Dienst von der Reichsregierung erlassenes Gesetz, innerhalb dessen der so genannte „Arierparagraph“ (§3) die Beschäftigung von „Nichtariern“ verbot. Dabei galt als "nichtarisch“, wer einen jüdischen Eltern- oder Großelternteil hatte. Vorerst ausgenommen blieben Juden, die im Ersten Weltkrieg als Frontkämpfer gedient hatten oder die vor dem 1. August 1914 verbeamtet worden waren. Diese Ausnahmen wurden jedoch mit der Verabschiedung der "Nürnberger Gesetze" 1935 aufgehoben. Mit Hilfe des § 4 konnten politisch missliebige Beamte aus dem Staatsdienst entlassen werden. Häufig wurden ihre Ruhestandsbezüge gekürzt oder gestrichen.
Gesetzesinitiativen
nach Art. 71 der 1946 in Kraft getretenen Bayerischen Verfassung Gesetzesvorlagen, die entweder vom Ministerpräsidenten namens der Staatsregierung, aus der Mitte des Landtags oder vom Volk (über Volksbegehren) eingebracht und im weiteren Gesetzgebungsverfahren vom Landtag beraten und beschlossen oder abgelehnt werden.
Gestapo (Geheime Staatspolizei)
von Hermann Göring in seiner Funktion als preußischer Innenminister mit Runderlass zur Errichtung eines Geheimen Staatspolizeiamtes (Gestapa) vom 26. April 1933 geschaffene Organisation, die sich, zunächst unter der Leitung Rudolf Diels' und ab April 1934 unter Leitung Reinhard Heydrichs, in Preußen innerhalb weniger Monate zu einer eigenständigen, aus den traditionellen Polizei- und Verwaltungsbehörden herausgelösten "Gesinnungspolizei" entwickelte. Unter der preußischen Bezeicnung "Gestapo" zentralisierte nach seiner Ernennung zum "Chef der deutschen Polizei" Reichsführer SS Heinrich Himmler reichseinheitlich die verschiedenen Politischen Polizeieinheiten der Länder, die als Gestapo gemeinsam mit der Krimialpolizei im Hauptamt für Sicherheitspolizei (Sipo) unter Heydrichs Leitung zusammengefasst waren. Ab September 1939 bildeten Sipo und Sicherheitsdienst (SD) das Reichssicherheitshauptamt (RSHA). Unter die Zuständigkeit der Gestapo fiel die systematische Bekämpfung von tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Gegnern des NS-Regimes. Bis 1939 waren dies vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten, die in "Schutzhaft" genommen wurden. Befreit von richterlichen Nachprüfungen, konnten die Gestapobeamten Aussagen oder Geständnisse von Häftlingen auch durch Folter erpressen. Vor allem die Berliner Gestapo-Zentrale war während der NS-Diktatur ein Ort des Terrors und Durchgangsstation in die Konzentrationslager (KZ). Die Effektivität der Gestapo beruhte weniger auf der Zahl ihrer Beamten (1944 beschäftigte sie rund 32.000 Mann), sondern vor allem auf Meldungen von Spitzeln und Denunzianten.
Gewaltenteilung
Grundprinzip politisch-demokratischer Herrschaft und der Organisation staatlicher Gewalt mit dem Ziel, die Konzentration und den Missbrauch politischer Macht zu verhindern, die Ausübung politischer Herrschaft zu begrenzen und zu mäßigen und damit die bürgerlichen Freiheiten zu sichern. Funktional wird zwischen der gesetzgebenden Gewalt (Legislative), der ausführenden Gewalt (Exekutive) und der rechtsprechenden Gewalt (Judikative) unterschieden. Diese Funktionen werden unabhängigen Staatsorganen (Parlamenten, Regierung, Gerichten) zugewiesen. Politisch-theoretisch wurde die Lehre von der Gewaltenteilung von John Locke (1690) und Charles de Montesquieu (1748) im Sinne aufgeklärter Herrschaft entwickelt und als Ordnungs- und Strukturprinzip erstmals in der Verfassung der USA von 1787/88 umgesetzt. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist für die Bundesrepublik Deutschland im Grundgesetz (Art. 20 Abs. 2 GG), für den Freistaat Bayern in der Bayerischen Verfassung (Art. 5 BV) festgelegt.
Gewerkschaft
Zusammenschluss von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit dem Ziel der Interessenvertretung gegenüber den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Neben den Arbeitgeberverbänden sind die Gewerkschaften Tarifpartner. Unterschieden wird zwischen den Industriegewerkschaften, die alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einer Branche unabhängig von Beruf und sozialem Status aufnehmen (etwa 30 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland gehören ihnen an), und den Gewerkschaften, die jeweils nur Angestellte oder Beamte aufnehmen. Die Dachorganisation der Industriegewerkschaften ist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB).
Gleichgeschalteter Landtag
Auflösung der Landtage (mit Ausnahme des preußischen Landtages) und deren Neubesetzung nach den Ergebnissen der Reichstagswahl vom 5. März 1933 zur Beseitigung der Selbständigkeit der Länder, legislativ grundgelegt durch das "Vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" vom 31. März 1933. Das so genannte "Zweite Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 7. April 1933 ordnete die Einsetzung von Reichsstatthaltern an, die den Landesregierungen übergeordnet waren. In Bayern war dies seit dem 12. April 1933 General Franz Ritter von Epp. Die Reichsstatthalter hatten die Aufgabe, die Landesregierungen zu kontrollieren und für die Durchführung der Politik der Reichsregierung zu sorgen. Am 28. April 1933 wurde vom bayerischen Landtag das "Gesetz zur Behebung der Not des bayerischen Volkes und Staates“ verabschiedet. Dieses bayerische "Ermächtigungsgesetz“ bekräftigte noch einmal, was bereits im ersten Gleichschaltungsgesetz vorgesehen war: Der bayerischen Staatsregierung war es nun erlaubt, selbst Gesetze mit verfassungsänderndem Inhalt ohne die Zustimmung des Landtags zu beschließen. Durch das "Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ vom 30. Januar 1934 wurden die Länderparlamente schließlich vollständig aufgehoben. Die Hoheitsrechte der Länder fielen dem Reich zu und die Länderregierungen wurden der Reichsregierung unterstellt.
Gleichschaltung
kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Gang gesetzter Prozess zur Aufhebung des politischen und gesellschaftlichen Pluralismus im Deutschen Reich und zur nahezu vollständigen Überwachung und Kontrolle der deutschen Bevölkerung durch die nationalsozialistischen Machthaber. Sämtliche staatlichen, parteilichen und gesellschaftlichen Institutionen wurden dem totalitären Anspruch des NS-Regimes untergeordnet oder verboten. Dazu gehörten die Bereiche der Verwaltung, der Justiz und der Polizei sowie die Berufsverbände und Gewerkschaften, aber auch Rundfunk, Presse, Erziehung und Kultur. Durch die schrittweise vollzogene "Gleichschaltung" der Länder wurde die föderalistische Struktur des Deutschen Reichs zerschlagen und in einen auf Adolf Hitler und die NSDAP ausgerichteten Zentralstaat umgewandelt. Nachdem die SPD bereits im Juni 1933 verboten worden war, lösten sich die politischen Parteien angesichts des Terrors und der Übermacht der NSDAP bis Anfang Juli 1933 selbst auf. Das "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ vom 14.7.1933 erklärte die NSDAP zur einzigen zugelassenen Partei und das Deutsche Reich zum Einparteienstaat. Den Abschluss des Gleichschaltungsprozesses bildete die Vereinigung der Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten auf Adolf Hitler nach dem Tod des ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg am 2.8.1934. Noch am selben Tag wurde die Deutsche Wehrmacht, die zuvor ihren Eid auf die Verfassung des Deutschen Reichs geleistet hatte, auf Hitler vereidigt, der von nun an den Titel "Führer und Reichskanzler“ trug.
Grundgesetz (GG)
bis heute für die Bundesrepublik Deutschland gültige deutsche Verfassung vom 23. Mai 1949. Das GG hat Vorrang vor allen anderen deutschen Gesetzen, die mit ihm in Übereinstimmung stehen müssen. Es gliedert sich in 14 Abschnitte, denen eine Präambel (Vorwort) als Bestandteil der Verfassung vorausgeht. Aufgrund ihrer Bedeutung und ihres vorstaatlichen Charakters stehen in Abschnitt I des GG (Art. 1-19) die Grundrechte. Das GG kann nur mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat geändert werden (Art. 79 Abs. 2), wobei die Grundsätze der Achtung der Menschenwürde (Art. 1), der Organisation des deutschen Staates als föderalistischer, demokratischer, sozialer Rechtsstaat (Art. 20) und der grundsätzlichen Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung in Art. 79 Abs. 3 als unveränderlich festgeschrieben sind (Verfassungskern). Die Bezeichnung "Gesetz" wählte der Parlamentarische Rat, der das GG am 8. Mai 1949 beschloss, um den provisorischen Charakter der (west-)deutschen Republik im geteilten Deutschland hervorzuheben. Es wurde 1949 von allen Bundesländern gebilligt, mit Ausnahme Bayerns, das allerdings für die Anerkennung der Rechtsverbindlichkeit des GG im Falle seiner Anerkennung in zwei Dritteln der anderen deutschen Länder stimmte. Im Zuge der Wiedervereinigung und der europäischen Integration wurden verschiedene Änderungen vorgenommen, es kam aber nicht zu einer grundsätzlichen Reform oder gar Ausarbeitung einer neuen gesamtdeutschen Verfassung, sondern lediglich zu einer Verfassungsreform, die von der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat ausgearbeitet und am 27. Oktober 1994 verkündet wurde.
Halbjude
mit den Nürnberger Rassegesetzen vom November 1935 eingeführte Bezeichnung für die neben Ariern und Juden dritte Gruppe der Menschen mit einer teilweise jüdischen Abstammung. Man unterschied zwischen „Mischlingen ersten Grades“ oder „Halbjuden“ und „Mischlingen zweiten Grades“ oder „Vierteljuden“. Die Einstufung richtete sich nach der Anzahl jüdischer Großeltern (zwei jüdische Großeltern: Mischling ersten Grades, ein jüdischer Großelternteil: Mischling zweiten Grades). Außerdem durften diese Menschen am 15. September 1935 weder der jüdischen Religion angehört haben noch mit einem jüdischen Partner verheiratet gewesen sein. Mischlinge zweiten Grades wurden als „Reichsbürger“ angesehen, zur Wehrmacht eingezogen und durften „Arier“ heiraten. Mischlinge ersten Grades waren „vorläufige Reichsbürger“, auf dem Papier besaßen sie dieselben Rechte wie ein Arier – mit einer Reihe von Ausnahmeregelungen. Eine Eheschließung mit einem Arier bedurfte einer Sondergenehmigung des Innenministeriums, die fast nie erteilt wurde. Umgang mit Ariern des anderen Geschlechts wurde als Rassenschande geahndet. Obwohl den Mischlingen erst 1939 eine Immatrikulation an den Hochschulen untersagt und sie per Rundschreiben des Reichsinnenministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 2.7.1942 vom Besuch höherer Schulen ausgeschlossen wurden, wurden viele schon lange zuvor in ihrer Ausbildung behindert. 1939 wurden die Mischlinge ersten Grades zur Wehrmacht eingezogen, doch bis 1942 mit dem Vermerk „n.z.v.“ („nicht zu verwenden“) wieder entlassen. Auf der Wannseekonferenz wurden verschiedene Pläne zur Behandlung der Mischlinge – von der Massensterilisierung bis zur Ansiedlung im Osten – diskutiert, aber eine Realisierung der Entwürfe mit Rücksicht auf mögliche negative Reaktionen der arischen Verwandten bis Kriegsende verschoben. Ab 1941 wurden die Mischlinge ebenso wie die in Mischehe lebenden Personen, verstärkt zur Zwangsarbeit eingezogen und ab Herbst 1944 in verschiedene Arbeitslager deportiert, so dass an einigen Orten reine Mischlingslager entstanden. In den besetzten Gebieten verfuhr man uneinheitlich. Im Osten wurden die Mischlinge in die Gettoisierung einbezogen, aber sowohl in der Slowakei als auch in Kroatien von der Deportation in die Vernichtungslager prinzipiell ausgenommen. Die Mischlinge ersten Grades nahmen eine Stellung zwischen Juden und Ariern ein, die zu Beginn von Privilegien geprägt war und dann immer stärker den Abbau der Vorrechte einschloss.
Heimtückegesetz
zur Verhinderung von Kritik an der NS-Führung und ihren Organisationen von der Regierung am 21. März 1933 erlassene „Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung“, derzufolge unbefugter Besitz von Uniformen und die Verbreitung „unwahrer“ Behauptungen, die angeblich das Ansehen des Reiches oder der Regierung schädigten, mit Gefängnis oder Zuchthaus bestraft wurden. 1933 wurden 3744 Verstöße gegen die Verordnung geahndet, die am 20. Dezember 1934 durch das Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen ersetzt wurde. Selbst „nichtöffentliche böswillige Äußerungen“ konnten nun mit Gefängnis bestraft werden, wodurch dem Denunziantentum eine Scheinlegalität verliehen wurde. Um für die Partei peinliche Prozesse zu vermeiden, durften „unwahre“ Behauptungen, die sich „gegen das Ansehen der NSDAP“ richteten, nur mit Zustimmung des Stellvertreters des Führers verfolgt werden. Verstöße gegen das Heimtücke-Gesetz wurden vor Sondergerichten verhandelt.
Hochverrat
Straftat, die mit Gewalt oder unter Gewaltandrohung den Bestand eines Staates oder seiner verfassungsmäßigen Ordnung beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen versucht. Die vom NS-Regime sehr schnell ausgeweiteten und verschärften Hochverratsbestimmungen (§§ 80 ff. Strafgesetzbuch) dienten der Verfolgung jedes auch nur ansatzweise organisierten Widerstands. Mit der "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933 wurde die Todesstrafe unter anderem auch auf Hochverrat ausgedehnt, nachdem für dieses Delikt bereits mit der "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz des Deutschen Volkes" vom 4. Februar 1933 die unbegrenzte Polizeihaft ermöglicht worden war. Der Volksgerichtshof, der 1934 die Zuständigkeit in Hoch- und Landesverratsfällen erhielt, verhängte Tausende von Todesurteilen gegen Gegner des NS-Regimes.
Immunität
Bezeichnung für den in einem demokratischen Rechtsstaat geschützten Status eines Abgeordneten, nach dem dieser wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung nur mit Genehmigung des Parlaments zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden darf, es sei denn, er wird bei der Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tags festgenommen. Auch bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oder zur Einleitung eines Verfahrens gegen ihn ist die Genehmigung des Parlaments erforderlich. Strafverfahren sind auf Verlangen des Parlaments auszusetzen. Zweck der Immunität ist der Schutz der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments. Sie ist auf die Dauer der Mitgliedschaft im Parlament begrenzt.
Judenstern (Gelber Stern)
ab 1941 rassistisch-diskriminierendes Kennzeichen für Juden im Deutschen Reich. Nachdem die Entscheidung über den organisierten Massenmord an den europäischen Juden gefallen war, gab Hitler am 20. August 1941 seine Zustimmung zur Einführung des "Judensterns" im Gebiet des Deutschen Reichs. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels wurde damit beauftragt, das Modell zu entwerfen. Der handtellergroße, sechszackige gelbe Stern war schwarz umrandet und trug in schwarzen, die hebräische Schrift parodierenden Buchstaben die Aufschrift "Jude". Schon zuvor hatten Nationalsozialisten wiederholt auf die äußere Kennzeichnung der Juden gedrängt, eine historische Form der Diskriminierung, die sich weit in die Geschichte der Judenfeindschaft zurückverfolgen lässt. "Juden-Experten" im Reichsministerium des Innern und im Reichssicherheitshauptamt einigten sich schnell auf die Formulierung der Polizeiverordnung, die am 19. September 1941 in Kraft trat. Fortan mussten alle Juden ab einem Alter von sechs Jahren in Deutschland "sichtbar auf der linken Brustseite der Kleidung" und "fest angenäht" den gelben Stern tragen. Die öffentliche Stigmatisierung schloss den Prozess der sozialen Ausgrenzung der Juden praktisch ab. Sie signalisierte zugleich den Beginn der planmäßigen Deportation der "Sternträger" in die Vernichtungslager im Osten. In den besetzten Gebieten Polens war der Judenstern schon früher eingeführt worden. Ab 13. März 1942 mussten auch Wohnungstüren entsprechend gekennzeichnet sein.
Judenvermögensabgabe
so genannte „Sühneleistung“ unter anderem für den Mord an dem Angestellten der deutschen Botschaft in Paris, Ernst vom Rath, der am 7. November 1938 von dem 17jährigen Juden Herschel Grynszpan angeschossen worden und am 9. November 1938 seinen Verletzungen erlegen war. In der Reichspogromnacht nutzten die Nationalsozialisten das Attentat als Vorwand, um Anschläge gegen Juden und jüdische Einrichtungen durchzuführen. Dies wiederum rechtfertigte der Propagandaminister Joseph Goebbels mit der angeblich „berechtigten und verständlichen Empörung des deutschen Volkes über den feigen jüdischen Meuchelmord“. Drei Tage später trat die „Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit“ (RGBl I 1579) in Kraft, nach der alle deutschen Juden, die mehr als 5000 Reichsmark besaßen, zunächst 20 Prozent, ab Oktober 1939 sogar 25 Prozent ihres Vermögens an den Fiskus abführen mussten. Der hierzu in der „Durchführungsverordnung über eine Sühneleistung der Juden vom 21. November 1938“ (RGBl I 1638) eingeforderte Betrag von einer Milliarde Reichsmark wurde letztendlich mit 1,12 Milliarden Reichsmark sogar übertroffen. Auch die von Juden vorsorglich einbehaltene Reichsfluchtsteuer muss spätestens seit 1938 als besondere Form der Vermögensabgabe angesehen werden.
Kabinett
die Gesamtheit der Minister einer Regierung.
Kammer der Abgeordneten
Zweite Kammer des Bayerischen Landtags in der Zeit des Königreichs, deren Mitglieder im Unterschied zu denen der Ersten Kammer (Kammer der Reichsräte) aus Wahlen hervorgingen. Seit 1906 wurden die Abgeordneten durch die relative Mehrheitswahl direkt gewählt. Erstmals wurde die Bildung der Wahlbezirke per Gesetz vorgeschrieben. Allerdings wurde auch das Wahlalter von 21 auf 25 Jahre angehoben und die Mindestfrist für die Steuerleistung - die Voraussetzung für die Wahlberechtigung war - von sechs auf zwölf Monate verlängert. Das Wahlrecht blieb bis 1918 durchgehend auf Männer beschränkt.
Kammer der Reichsräte
Erste Kammer des Bayerischen Landtags in der Zeit des Königreichs, deren Mitgliedschaft neben den Prinzen des Königlichen Hauses solchen Personen vorbehalten war, die durch Geburt, ein hohes Hof- oder Kirchenamt oder durch besondere Verdienste um König und Staat hierfür qualifiziert waren. Die Mitglieder (Reichsräte) hatten ihre Sitze entweder erblich inne oder erhielten diese durch königliche Berufung, wobei durch einen entsprechenden Verteilungsschlüssel stets sichergestellt war, dass die erblichen Reichsräte in der Kammer über eine sichere Mehrheit verfügten.
Koalition
Zusammenschluss zweier oder mehrerer in einem Parlament vertretener Parteien zum Zweck der gemeinsamen Regierungsbildung.
König
bei den Germanen durch besonderes Heil ausgezeichneter, durch Wahl oder durch Bewährung im Kampf erhobener Adeliger; Herrschaft des Königs im Mittelalter auf Grund von Wahl-, Erb- bzw. Geblütsrecht, durch Grundherrschaften und königliches Gefolge. Im 19. Jahrhundert besagte das Monarchische Prinzip, dass im Herrscher alle Rechte der Staatsgewalt vereinigt sein sollten.
Königreich
Herrschaftsbereich eines Königs. Die Staatsform wird in der Regel als Monarchie bezeichnet, wobei es verschiedene Ausformungen zu unterscheiden gilt, etwa die absolutistische, die konstitutionelle oder die parlamentarische Monarchie.
Konservativismus
Bezeichnung zugleich für eine geistige Strömung (Weltanschauung) und für eine politische Bewegung, die zu Parteiengründungen geführt hat. Der Konservativismus will an den historisch gewachsenen Wertvorstellungen, politischen Ordnungen und Rechtsformen festhalten, da er theoretisch abgeleiteten Weltverbesserungsvorschlägen misstraut. Charakteristisch für den Konservativismus ist seine positive Einstellung zur Religion, zur Autorität des Staats und zum Eigentumsrecht als der Grundlage der Freiheit.
Konstitutionelle Monarchie
Verfassungsform mit Teilung der gesetzgebenden Gewalt zwischen König und Landtag auf der Grundlage einer geschriebenen Verfassung; in Bayern Regierungsform von 1818 bis 1918. Die konstitutionelle Monarchie beruht auf dem Monarchischen Prinzip; ihr Gegenbegriff ist die "parlamentarische Monarchie", in der das Parlament direkt oder indirekt auch die Minister bestimmt.
Konzentrationslager (KZ)
Massenlager, im Nationalsozialismus zunächst zur Unterbringung von Regimegegnern, die auf formaljuristischer Grundlage der "Reichstagsbrandverordnung" vom 28. Februar 1933 ohne richterliches Urteil in "Schutzhaft“ genommen werden konnten, später vor allem auch zur Internierung von Juden. Um die große Zahl von Häftlingen aufzunehmen, wurde im März 1933 das erste Konzentrationslager (KZ) bei Dachau errichtet; es folgten die SA- und SS-Lager um Berlin. Nach der Ermordung der SA-Führung 1934 wurden die "wilden“ Lager der SA geschlossen und kurze Zeit später unter Führung der SS neu eingerichtet und systematisch ausgebaut. Nun wurden neben politischen Gegnern und Juden auch christliche Theologen, Angehörige religiöser Sekten, Roma, Sinti, Homosexuelle, "Asoziale“, "Arbeitsscheue“ und "Gewohnheitsverbrecher“ eingewiesen. 1939 gab es bereits etwa 21.000 Häftlinge in den Lagern Dachau, Sachsenhausen, Neuengamme, Buchenwald, Groß-Rosen, Flossenbürg, Ravensbrück und Mauthausen. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs entstanden in den eroberten Gebieten weitere Konzentrationslager. Das Netz von Haupt- und Nebenlagern wurde kontinuierlich ausgebaut, so dass zusammen mit Außenstellen, Arbeitserziehungs-, Jugend-, und Polizeihaftlagern sowie den vielen Kleinstlagern zeitweise über 23.000 Lager im Deutschen Reich und in seinem Einflussgebiet existierten. Die Gefangenen waren der willkürlichen Gewalt der Wachmannschaften ausgeliefert, viele von ihnen starben an den Folgen von Misshandlungen, Erschöpfung und Unterernährung. Tausende von Häftlingen kamen durch an ihnen vorgenommene medizinische Experimente ums Leben. Seit dem Jahr 1941 wurden Juden und Angehörige weiterer Opfergruppen systematisch in Vernichtungslager wie Auschwitz im besetzten Polen deportiert und dort ermordet. Bis 1945 starben in den Konzentrations- und Vernichtungslagern mindestens sechs Millionen Menschen.
KPD (Kommunistische Partei Deutschlands)
am 30. Dezember aus Spartakusbund und anderen linken Gruppierungen gegründete politische Partei. Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) entwickelte sich bis zum Ende der Weimarer Republik zu einer Massenpartei mit rund 320.000 Mitgliedern. In Bayern hatte die Partei dagegen mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen, so dass sie im Freistaat niemals mehr als etwa 15.000 Angehörige (1932) in ihren Reihen zählte. Die verzögerte Industrialisierung, die fehlende Tradition einer Arbeiterbewegung, die brutale Niederschlagung der Räterepublik 1919 und die damit verbundenen langjährigen Haftstrafen wichtiger Funktionäre schwächten die Partei erheblich. Die Kommunisten wurden nahezu völlig aus der bürgerlichen Gesellschaft ausgegrenzt und verfolgt. Zu einer wichtigen politischen Kraft auch in Bayern wurde die KPD in Folge zunehmender sozialer Verelendung seit Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929. So erreichte die KPD in Bayern bei den letzten freien Wahlen zum Reichstag im November 1932 mit 10,3 Prozent Stimmenanteil ihr Spitzenergebnis. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 prägten Verfolgung und Widerstand die Entwicklung der Partei bis 1945. Spätestens mit der Verordnung vom 28. Februar 1933 nach dem Reichstagsbrand kam es zu Verhaftungen und zum De-facto-Verbot der KPD - trotz der bevorstehenden Reichstagswahl, zu der die KPD noch antreten konnte. Die bei dieser Wahl errungenen Mandate wurden jedoch sofort annulliert. Nachdem die Nationalsozialisten am 9. März 1933 auch in Bayern die Regierungsgewalt übernommen hatten, erfolgten auch hier flächendeckend tausende Verhaftungen ortsbekannter Kommunisten. Viele von ihnen wurden in das neu geschaffene Konzentrationslager Dachau eingeliefert, misshandelt und zum Teil ermordet. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs in allen Besatzungszonen zugelassen, nahm die KPD kurzfristig an einigen Landesregierungen teil (so in Bayern 1945/46), verlor aber in Westdeutschland zunehmend an Bedeutung. In Ostdeutschland wurde sie bereits im April 1946 mit der SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zwangsvereinigt. Mit dem Verbot vom 17. August 1956 wurde die Partei in der Bundesrepublik Deutschland wegen Verfassungswidrigkeit aufgelöst. 1968 entstand als Nachfolgepartei die Deutsche Kommunistische Partei (DKP).
Kreisauer Kreis
Gruppe des Widerstands, die sich primär mit der Entwicklung von Nachkriegskonzeptionen befasste. Der Kreisauer Kreis formierte sich ab 1940 aus dem Freundeskreis der Ehepaare Helmuth James und Freya von Moltke sowie Peter und Marion Yorck von Wartenburg. Der Name Kreisauer Kreis stammt von der Gestapo und geht auf Moltkes Gut Kreisau zurück, das neben Berlin und München einer der Treffpunkte der Gruppe war, die etwa 40 Personen mit unterschiedlichem sozialem und politischem Hintergrund umfasste und sich in wechselnder Zusammensetzung traf. Dem engeren Kreis zuzuordnen sind Horst von Einsiedel, Carl Dietrich von Trotha, Adolf Reichwein, Hans Peters, Hans Lukaschek, Carlo Mierendorff, Theodor Steltzer, Adam von Trott zu Solz, Hans-Bernd von Haeften, Harald Poelchau, Augustin Rösch, Alfred Delp, Theo Haubach, Eugen Gerstenmaier, Paulus van Husen, Lothar König sowie Julius Leber. Auf den größeren Tagungen zu Pfingsten 1943 wurden wichtige programmatische Schriften wie die „Grundsätze für die Neuordnung“ und der Text „Bestrafung von Rechtsschändern“ ausgearbeitet. Die Programmatik des Kreisauer Kreises war von christlich-ethischen, sozialreformerischen Gesichtspunkten bestimmt und enthielt Formen der indirekten Demokratie; Deutschland sollte in eine europäische Ordnung eingeschlossen sein. Die ökonomischen Planungen des Kreisauer Kreises sahen eine ständisch geprägte Mischform aus Plan- und Marktwirtschaft, wirkungsvolle Mitbestimmungs- und Arbeitsschutzregeln sowie eine lohnunabhängige soziale Sicherung bei starker Betonung der Familie vor. Der Kreisauer Kreis versuchte ohne großen Erfolg Auslandsbeziehungen in Schweden und Großbritannien zu knüpfen. Im Januar 1944 wurde Helmuth James von Moltke im Rahmen der Ermittlungen gegen die Abwehr verhaftet, Adolf Reichwein und Julius Leber wurden im Juli 1944 festgenommen, als sie versuchten, sich mit Vertretern der KPD zu treffen. Aus ethischen Gründen blieb die Beteiligung an einem Attentat auf Hitler im Kreisauer Kreis umstritten, vor allem Moltke war lange Zeit entschiedener Gegner eines Tyrannenmordes. Dennoch beteiligten sich mehrere Kreisauer an der Verschwörung des 20. Juli 1944. Viele Mitglieder des Kreisauer Kreises wurden in der Folge des gescheiterten Hitler-Attentats verhaftet, zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Kreistag
bis 1933 den heutigen Bezirkstagen entsprechendes Organ; seit 1945 wichtigstes Organ eines Landkreises, bestehend aus dem Landrat und den Kreisräten, die von den Bürgern jeweils direkt auf sechs Jahre gewählt werden. Der heutige Kreistag kontrolliert die Arbeit der Kreisverwaltung, insbesondere die Ausführung seiner Beschlüsse. Zur Erledigung der weiteren Aufgaben bestellt der Kreistag einen Kreisausschuss.
Kronprinz
in Erbmonarchien Bezeichnung für den Thronfolger.
Landesverrat
gegen die äußere Sicherheit und Machtstellung des Staates (im Verhältnis zu anderen Staaten) gerichtete Straftaten, insbesondere Mitteilung von Staatsgeheimnissen an eine fremde Macht, an Unbefugte oder an die Öffentlichkeit, um den Staat zu benachteiligen oder eine andere Macht zu begünstigen mit Herbeiführung der Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit. Wegen Landesverrats wurde seit der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 mit dem Tode bestraft, wer das Ausland über die Aufrüstung und die Expansion des NS-Regimes zu informieren suchte. Nicht nur Spione, die aus materiellen oder politischen Motiven ausländischen Geheimdiensten dienten, wurden Opfer des für dieses Delikt zuständigen Volksgerichtshofs. Auch deutsche Patrioten, die Deutschland mit Hilfe des Auslands von der NS-Diktatur befreien wollten, wurden als „Landesverräter“ zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Landrat
seit 1952 Bezeichnung für den gesetzlichen Vertreter eines Landkreises. Der Landrat ist kommunaler Wahlbeamter auf Zeit. Er wird unmittelbar vom Volk gewählt und muss über keine besondere berufliche Qualifikation verfügen. Der Landrat führt den Vorsitz in den Sitzungen der Kreisparlamente, ist oberstes Vollzugsorgan für Beschlüsse der Kreisparlamente und besitzt eine eigene Zuständigkeit in bestimmten Kreisangelegenheiten. Er bedient sich beim Verwaltungsvollzug des Personals und der Einrichtungen des Landratsamtes. Kraft Gesetzes ist der Landrat der Leiter des staatlichen Landratsamtes und damit der unmittelbaren Weisung der vorgesetzten staatlichen Dienststellen, also in der Regel der Regierungen, unterworfen.
Landtag
seit dem Spätmittelalter nach dem Vorbild der Versammlung am Hof (Hoftag) eingerichtete Regionalversammlung der Landstände, die seit dem 19. Jahrhundert in den deutschen Staaten durch die Zwei-Kammer-Vertretung des in Stände gegliederten Volkes abgelöst wurde. Im Königreich Bayern trug diese "Ständeversammlung", die aus der Kammer der Reichsräte und der von er wahlberechtigten Bevölkerung gewählten Kammer der Abgeordneten bestand, zwischen 1819 und 1848 die Bezeichnung "Landtag" nur, sobald sie - vom König einberufen - zusammentrat. Mit der Wahlrechtsänderung von 1848 wurde die ständische Einteilung der Abgeordnetenkammer aufgehoben. Sie wurde zur repräsentativen Volksvertretung, weswegen auch der Ausdruck "Ständeversammlung" wegfiel. Das Zweikammerparlament blieb unter der Bezeichnung "Landtag" bis 1918 bestehen. Seit 1918 wird als "Landtag" die vom Volk in Ausübung der Volkssouveränität durch allgemeine, gleiche und geheime Wahl gewählte Volksvertretung bezeichnet.
Landtagspräsident
in der ersten Sitzung des Landtags nach der Wahl von den Landtagsabgeordneten gewählter Geschäftsführer und Vertreter des Landtages (Art. 21 Abs. 2 BV) in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten. Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Landtagsgebäude aus. Er führt die Hausverwaltung und verfügt über die Einnahmen und Ausgaben des Hauses (Art. 21 BV). Der Landtagspräsident leitet die Sitzungen der Vollversammlung, des Präsidiums und des Ältestenrats.
Landtagspräsidium
aus dem Präsidenten, dessen zwei Stellvertretern und den Schriftführern bestehendes Beratungs-, Kontroll- und Beschlussorgan in Verwaltungsangelegenheiten des Landtags, das von den Abgeordneten aus ihrer Mitte gewählt wird (Art. 20 Abs. 1 BV). Das Landtagspräsidium bereitet insbesondere den Haushaltsplan des Landtags vor, beschließt über Baumaßnahmen und über die Raumverteilung im Landtagsgebäude und führt die laufenden Geschäfte des Landtags zwischen zwei Tagungen fort (Art. 20 Abs. 2 BV). Zur Ernennung und Beförderung der leitenden Mitarbeiter des Landtagsamts und der Geschäftsstelle des Landesbeauftragten für den Datenschutz ist die Zustimmung des Präsidiums erforderlich.
Liberale Vereinigung
Fraktionsgemeinschaft der verschiedenen liberalen Richtungen im bayerischen Landtag, deren Problem es war, einen programmatischen und organisatorischen Zusammenschluss zu vollziehen, der nach der mehrfachen Aufspaltung des Linksliberalismus seit 1880 und den schweren Niederlagen bei den Reichstagswahlen 1898/99 besonders drängend wurde. Die linksliberalen Einigungsbemühungen führten nach mehreren Vorstufen am 1. März 1910 in Nürnberg zur Vereinigung der Freisinnigen und Demokraten in der Fortschrittlichen Volkspartei unter Ernst Müller-Meiningen. Diese Linksbewegung bewirkte die Konstituierung des rechten Flügels der Nationalliberalen als Bayerische Reichspartei unter Wilhelm Freiherr von Pechmann im Oktober 1911. Die Linksbewegung ermöglichte ein von den Liberalen lange erstrebtes Wahlbündnis aller liberalen Gruppen mit der SPD sowie dem Bayerischen und dem Deutschen Bauernbund, der den Liberalen bei den Reichstags- und Landtagswahlen von 1912 einen Zugewinn auf 30 Mandate brachte.
Liberalismus
Bezeichnung zugleich für eine geistige Strömung (Weltanschauung) und für eine politische Bewegung, die zu Parteiengründungen geführt hat. Der Liberalismus fordert im Sinne der Aufklärung die freie Entfaltung des Individuums nach den Grundsätzen der Vernunft. Philosophische Grundlage sind das Naturrecht und die Menschenrechte. Gegenüber den Religionen und Konfessionen wird Toleranz bis hin zur Indifferenz geübt; das Schulwesen soll jedoch nach liberaler Überzeugung in der Hand des Staates und nicht der Kirche liegen. Die Freiheit der Gedanken schließt den öffentlichen Wettbewerb der Ideen ein. Die politische und rechtliche Freiheit sieht der Liberalismus in einer Verfassung verwirklicht; diese kann - je nach Spielart des Liberalismus (von linksliberal bis rechtsliberal) - zum Typ der konstitutionellen Monarchie oder der parlamentarischen Demokratie gehören. Liberale Kräfte standen auch hinter den Nationalstaatsgründungen im 19. Jahrhundert. Wichtig ist dem Liberalismus ferner ein freiheitliches, gut geregeltes Rechtssystem ohne Willkür und Privilegien. Politisch richtet sich der Liberalismus gegen Staatseingriffe, wirtschaftlich erstrebt er die Freiheit für die Wirtschaftssubjekte (Unternehmer wie Arbeiter), sieht im Wettbewerb einen Motor für den Fortschritt, wendet sich gegen Privilegien, Monopole und Kartelle, auch etwa der Arbeitnehmer, und setzt sich für den freien Handel ein.
Machtergreifung
von den Nationalsozialisten propagandistisch überhöhte Bezeichnung für die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933. Der Begriff bezieht sich jedoch auch auf die der Regierungsübernahme folgende Phase der Umwandlung der Weimarer Republik in eine totalitäre Diktatur, wobei das Vorhaben konservativer Kreise, die nationalsozilaistische Regierung durch acht nicht-nationalsozialistische Minister zu "zähmen“, scheiterte. Den Abschluss der "Machtergreifung“ bildete die Vereinigung der Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten auf den "Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler.
Magistratsrat
in Bayern vor 1919 Mitglied des Magistrats, dem kollektiven Führungsgremium einer Stadt. Der Magistrat wurde von der Stadtverordnetenversammlung gewählt, hatte Beschlussrecht und bestand aus hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitgliedern. Sie wurden für sechs oder zwölf Jahre (hauptamtliche) beziehungsweise für die Dauer der Wahlperiode der Gemeindevertretung (ehrenamtliche Mitglieder) gewählt.
Mandat
vom lateinischen Begriff für „Auftrag, Weisung“ abgeleitete Bezeichnung im engeren Sinn für das durch Wahl begründete Amt des Abgeordneten (parlamentarisches Mandat), das eine Vollmacht zur Ausübung von Kompetenzen begründet. Man unterscheidet das freie und das imperative Mandat; beim freien Mandat ist der Abgeordnete Repräsentant des gesamten Volkes und im Gegensatz zum imperativen Mandat an keine Weisungen und Aufträge gebunden, sondern nur seinem Gewissen gegenüber verpflichtet (nach Art 38 Abs. 1 Grundgesetz).
Minister
Mitglied einer Regierung, das zugleich politischer Leiter einer staatlichen, für einen bestimmten Verwaltungsbereich (Ressort) zuständigen Behörde (Ministerium) ist. Die Minister werden in Bayern gemäß der Bayerischen Verfassung von 1946 vom Regierungschef (Ministerpräsident) bestimmt. Die Minister stellen das Bindeglied zwischen aktueller Tagespolitik und politischen Mehrheitsverhältnissen im Parlament einerseits und der planenden und durchführenden öffentlichen Verwaltung andererseits dar. Die Zuständigkeit der Minister ist in Bayern nach dem Ressortprinzip organisiert. Die Bezeichnung „Minister ohne Portefeuille“ steht für ein Kabinettsmitglied, das über kein eigenes Ressort verfügt (Minister ohne Geschäftsbereich), weil es z. B. mit ressortübergreifenden Maßnahmen betraut oder für spezielle Vorhaben der Regierung gebraucht wird (Minister für besondere Aufgaben).
Ministerpräsident
in Bayern ursprünglich Bezeichnung für den leitenden Minister einer Staatsregierung, so erstmals verwendet von Kurt Eisner nach der Revolution mit Sturz der Monarchie am 7./8. November 1918. Im Sinne der so genannten „Bamberger“ Verfassung vom 14. August 1919 galt der Ministerpräsident als Erster unter Gleichen im kollegial verfassten Gesamtministerium, das formal das oberste Staatsorgan bildete. Allerdings wurde der Ministerpräsident hier bereits vom Landtag durch Wahl legitimiert und besetzte im Einvernehmen mit dem Landtag die Ministerien, von denen er selbst traditionell das Außenministerium, auch gemeinsam mit anderen Ministerien, übernahm. Nach 1945 war der von der amerikanischen Militärregierung eingesetzte Ministerpräsident zwar von dieser abhängig, allerdings auch deren maßgeblicher Ansprechpartner, wodurch er eine starke Stellung im Ministerrat innehatte. Die seit 1919 de facto erreichte Aufwertung des Ministerpräsidentenamtes setzte sich so und in der Bayerischen Verfassung vom 2. Dezember 1946 fort. In dieser sind dem Ministerpräsidenten Befugnisse eines Staatsoberhauptes zugeschrieben: Neben der Festlegung der Richtlinien der Politik führt der Ministerpräsident den Vorsitz im Ministerrat und damit in der Staatsregierung, er übt das Gnadenrecht aus, schließt mit der Ausfertigung und Verkündung das Gesetzgebungsverfahren ab und vertritt Bayern nach außen. Der Ministerpräsident wird vom Bayerischen Landtag für die Dauer einer Legislaturperiode gewählt.
Neu Beginnen
gegen das NS-Regime gerichtete Exilgruppen, die sich auch „revolutionäre Sozialisten“ nannten. „Neu Beginnen“ forderte den Verzicht auf „Massenagitation“ und plante nach dem Vorbild der leninschen Organisationslehre den Aufbau einer professionellen Kaderpartei im deutschen Untergrund. Zum Zeitpunkt einer noch nicht absehbaren Krise des Nationalsozialismus – wahrscheinlich nach einem verlorenen Krieg – sollte diese Kaderpartei die Führung übernehmen und die dann zu erwartende Revolution in die richtige Richtung vorantreiben.
NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei)
Nachfolgepartei der 1919 in München gegründeten „Deutschen Arbeiterpartei“ (DAP), die im Februar 1920 entsprechend umbenannt wurde und ein Sammelbecken für antidemokratische Nationalisten und verbitterte Weltkriegsteilnehmer bot. Vorsitzender war seit dem 29. Juli 1921 Adolf Hitler. Nach dem gescheiterten "Marsch auf die Feldherrnhalle" am 9. November 1923 wurde die Partei verboten, jedoch 1925 von Hitler neu gegründet. Während der Weltwirtschaftskrise stieg die NSDAP zur Massenpartei auf. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurde sie in Folge der Zwangsauflösung aller übrigen Parteien zur alleinigen Staatspartei und verstand sich als "Bewegung", die den Volkswillen repräsentiere. 1945 löste die amerikanische Militärregierung die NSDAP auf, ranghohe Mitglieder wurden, soweit sie nicht Selbstmord begangen oder sich ins Ausland abgesetzt hatten, in den Kriegsverbrecherprozessen vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg verurteilt.
Nürnberger Rassegesetze (Nürnberger Gesetze)
Sammelbezeichnung für die am 15. September 1935 auf dem "Reichsparteitag der Freiheit" in Nürnberg verabschiedeten, in NSDAP-Kreisen bereits lange diskutierten Rassegesetze. Juden waren von nun an Bürger zweiter Klasse. Das Gesetz "zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" ("Blutschutzgesetz") stellte unter anderem Eheschließungen und außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Juden und "Deutschblütigen", zusammengefasst unter dem Begriff "Rassenschande", unter Strafe; das "Reichsbürgergesetz" erhob die Reichsbürgerschaft über die Staatsbürgerschaft, "Arier" genossen nun besondere politische Rechte, die Juden als einfachen "Staatsbürgern" nicht gewährt wurden; zusätzlich regelte das Gesetz die Frage, wer als Jude zu gelten habe. Jude war demnach insbesondere, wer von drei "volljüdischen" Großelternteilen abstammte, zudem wer als "jüdischer Mischling" zwei jüdische Großeltern hatte und entweder bei Erlass des Gesetzes der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörte beziehungsweise ihr später beitrat oder zu diesem Zeitpunkt mit einem Juden verheiratet war oder sich danach mit einem solchen verheiratete.
Opposition
in der Politik die der Regierung gegenüberstehenden Gruppen, sowohl im Parlament ("parlamentarische Opposition") als auch außerhalb ("außerparlamentarische Opposition"). Die Opposition spielt in parlamentarischen Regierungssystemen eine wichtige Rolle als Kontrollorgan und Kritiker der Regierungsmehrheit. Sie ist zu diesem Zweck mit besonderen parlamentarischen Minderheitsrechten ausgestattet und kann beispielsweise die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen beantragen. Ihr obliegt es, die Interessen der zur Minderheit gehörenden Bevölkerungsteile zu artikulieren und politische Alternativen zu entwickeln. Sie kann zur Zusammenarbeit mit der Regierung bereit sein ("kooperative Opposition"), gleiche Ziele wie diese verfolgen ("kompetitive Opposition"), aber auch hemmend wirken ("obstruktive Opposition"). Eine Opposition ist für eine freiheitliche, auf der Idee der Parteienkonkurrenz gründende Demokratie ebenso unerlässlich, wie sie in Diktaturen als unerwünscht gilt und verfolgt wird.
Organisation Todt (OT)
1938 für den Bau militärischer Anlagen eingerichtete Organisation. Sie war nach dem Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen und Generalbevollmächtigten für die Regelung der Bauwirtschaft, Fritz Todt (1891-1942), benannt. Hintergrund für die Bildung der OT war der Bau des "Westwalls“, einer umfangreichen militärischen Befestigungsanlage an der Westgrenze des Deutschen Reichs. Schnell gelangte die OT zu weitgehender Unabhängigkeit von bürokratischen Strukturen und entwickelte sich zu einer kriegswichtigen Organisation mit weit reichenden Befugnissen außerhalb von Wehrmacht und Schutzstaffel (SS). Die OT war militärisch strukturiert, und die uniformierten Angehörigen unterstanden einer quasi militärischen Dienstpflicht. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die OT vor allem für Bauvorhaben in den besetzen Gebieten eingesetzt. Im Verlauf des Kriegs wurden alle militärischen Bauaufgaben, schließlich auch die Bauformationen der Wehrmacht, der OT unterstellt. Auf den Baustellen wurden Hunderttausende von ausländischen Zivilarbeitern, Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen sowie Häftlingen der Konzentrationslager eingesetzt. Als Todt 1942 starb, übernahm Albert Speer seine Nachfolge als Reichsminister für Bewaffnung und Munition und 1943 die Leitung der OT.
Parlamentarischer Rat
von den elf Landtagen der westlichen Besatzungszonen Deutschlands 1948 aus den eigenen Reihen gewählte Versammlung von 65 Abgeordneten, die sich am 1. September 1948 in Bonn zur Beratung und Formulierung des Grundgesetzes unter dem Vorsitz Konrad Adenauers konstituierte. Nach mehreren Korrekturen durch die Besatzungsmächte konnte der Entwurf des Parlamentarischen Rats am 8. Mai 1949 verabschiedet werden. Das "Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland" gilt bis heute.
Parlamentarischer Rat des Länderrats
dem Länderrat der amerikanischen Besatzungszone zugeordnetes Gremium. Auf Anweisung der amerikanischen Militärregierung hatten die Ministerpräsidenten von Bayern, Groß-Hessen, Württemberg-Baden und der Präsident des Senats von Bremen die Bildung eines Länderrats für das amerikanische Besatzungsgebiet beschlossen. Dieser Länderrat tagte in der Regel in Stuttgart und diente der Koordinierung der Verwaltungstätigkeit in den Ländern der amerikanischen Besatzungszone. In den Parlamentarischen Rat, der sich am 10. März 1947 konstituierte, entsandten die Landtage von Bayern, Hessen und Württemberg-Baden jeweils sieben, die Bremer Bürgerschaft drei Delegierte. Der Parlamentarische Rat nahm an den Verhandlungen des Länderratsplenums teil. Beide Gremien besaßen lediglich beratende Funktion.
Pfalz
historische Landschaft zwischen Rheintal, Elsass und Saarland. Anfang des 19. Jahrhunderts kamen die linksrheinischen Gebiete der Pfalz an Frankreich, die rechtsrheinischen an Baden und Hessen-Darmstadt. Die linksrheinische Rheinpfalz kam als Bayerischer Rheinkreis (ab 1838 Rheinpfalz) 1816 zum Königreich Bayern. Zwischen 1918 und 1930 war das Gebiet von Frankreich besetzt, die Saarpfalz ging bereits 1918/1920 nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags an das Saargebiet. Während des NS-Regimes löste Gauleiter Josef Bürckel (1895-1944) die Pfalz Schritt für Schritt aus der verwaltungsrechtlichen Zugehörigkeit zu Bayern heraus. 1945 wurde das Gebiet Teil der französischen Besatzungszone, deren Militärregierung im August 1946 das Land Rheinland-Pfalz schuf. Ein Volksbegehren über die künftige Zugehörigkeit der Pfalz zu Bayern scheiterte im April 1956, als nur 7,6 Prozent der abgegebenen Stimmen auf Bayern entfielen.
Pfalzwacht
im Dezember 1930 in Kaiserslautern gegründete katholische Selbstschutzorganisation unter der Führung von Adolf André. Analog zur Bayernwacht im rechtsrheinischen Bayern sollte die Pfalzwacht die Veranstaltungen von katholischen Parteien und Organisationen gegen Angriffe politischer Gegner schützen, konnte der Gewaltbereitschaft der NSDAP-Gliederungen Sturmabteilung (SA) und Schutzstaffel (SS) aber nur wenig entgegensetzen. Am 13. April 1933 wurde die etwa sieben- bis achttausend Mitglieder zählende Pfalzwacht aufgelöst.
Pogrom
vom russischen Wort für „Gewitter, Verwüstung“ abgeleitete Bezeichnung ursprünglich für Ausschreitungen gegen nationale, religiöse und andere Minderheiten in Russland. Sie wurde nach der Welle antijüdischer Pogrome von 1881 bis 1883 in den internationalen Sprachgebrauch in einem eingeengten, nur auf die jüdische Minderheit bezogenen Sinn übernommen. Nach 1945 machte der Begriff eine Bedeutungserweiterung durch und steht heute für kollektive Gewaltaktionen einer Mehrheitsbevölkerung gegen Minderheiten jeder Art. Für den reichsweiten Pogrom gegen die Juden im Deutschen Reich, der in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 stattfand, bildete und erhielt sich die Bezeichnung "Reichskristallnacht", deren Herkunft nicht definitiv geklärt ist.
Provisorischer Nationalrat
provisorisches Landesparlament, das sich im Zuge der Novemberrevolution am 8. November 1918 erstmals in München konstituierte. Dem "ersten Parlament der Republik Bayern" (Kurt Eisner) gehörten zuletzt 256 Mitglieder an, die vor allem Vertreter des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrats, der alten Landtagsfraktionen von SPD und Bauernbund sowie, mit drei Abgeordneten, der liberalen Fraktion waren. Nach seiner 10. Sitzung am 4. Januar 1919 vertagte sich der Provisorische Nationalrat, der nach den Vorstellungen Kurt Eisners den Landtag auch langfristig als Element des Rätesystems ersetzen sollte. Nach der Wahl zum neuen Landtag am 12. Januar 1919 wurde er jedoch nicht wieder einberufen.
Rätesystem (Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat)
eine politische Herrschaftsform, die auf Verwirklichung der direkten Demokratie (Herrschaftsausübung ‚von unten nach oben’) mit Hilfe von gewählten Räten zielt. Vollversammlungen der Urwähler auf der Ebene von Wohn- und Betriebseinheiten wählen örtliche Räte, die in einem System in direkter Delegierung über Bezirks- und Regionalräte einen Zentralrat auf staatlicher Ebene wählen. Die Räte, die auf jeder Ebene die uneingeschränkte gesetzgebende, ausführende und richterliche Gewalt haben, tagen im Hinblick auf eine ständige Kontrolle durch die Wählerschaft öffentlich und bedienen sich zwecks Durchführung ihrer Beschlüsse auf jeder Entscheidungsebene jederzeit abrufbarer Vollzugsräte (Exekutivräte, Volkskommissariate). Die direkt-demokratische politische Organisation der Gesellschaft durch ein Rätesystem erhebt den Anspruch, jegliche Herrschaft von Menschen über Menschen auf ein Minimum zu reduzieren. Jede verbleibende Herrschaftsbefugnis politischer Instanzen soll zu diesem Zweck von den Mitgliedern der Gesellschaft durch direkte Wahl aller politischen Vertreter, durch deren Bindung an die Entscheidungen der Basis (imperatives Mandat), durch jederzeitige Rechenschaftspflicht und Abberufbarkeit der Vertreter und durch die Aufhebung der Gewaltenteilung unmittelbar kontrolliert werden. Die Existenz von Parteien und Interessenverbänden als zwischengeschaltete Mittler im politischen Willensbildungsprozess ist unvereinbar mit der Räteidee. Den Räten im staatlichen Bereich entsprechen solche in Betrieben, Schulen oder der Armee. Nach dem militärischen Zusammenbruch Deutschlands im November 1918 kam es in Bayern auf Initiative der revolutionären USPD zum politischen Umsturz und in dessen Folge zur Ausbildung einer Räterepublik, an der sich auch die MSPD beteiligte. Ausgehend von München setzte Kurt Eisner (1867-1919), Vorsitzender des provisorischen Arbeiter- und Soldatenrates und selbst ernannter Ministerpräsident des „Freien Volksstaates Bayern“, auch in anderen Städten und Gemeinden des Landes die Bildung von Arbeiter-, Soldaten und Bauernräten durch. In ganz Bayern gab es bald 6000 bis 7000 Räteorganisationen. Bei den Landtagswahlen vom 12. Januar 1919 erreichte die bayerische USPD allerdings nur das ernüchternde Ergebnis von 2,5 Prozent der Stimmen und erhielt damit keine Legitimation für eine Regierungsbildung. Dies und die Ermordung Kurt Eisners (1867-1919) am 21. Februar 1919 radikalisierten die Rätebewegung und sicherten ihr eine zentrale Rolle im Fortgang der Ereignisse. Im Kongress der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte, der vom 28. Februar bis 8. März 1919 als "Provisorischer Nationalrat" tagte, fand sich allerdings weder für die Ausrufung einer Räterepublik noch für den erneuten Zusammentritt des gesprengten Landtags eine Mehrheit. Die radikale Linke erreichte zwar noch die Ausrufung der Bayerischen Räterepublik, ihre Aktionen wurden letztlich jedoch von den Truppen der Reichsregierung niedergeschlagen, die der neue Ministerpräsident Johannes Hoffmann (MSPD) herbeigerufen hatte. Der Misserfolg dieser einzigen Räterepublik auf deutschem Boden war ausschlaggebend dafür, dass trotz aller theoretisch idealen Rätemodelle in Deutschland nie mehr ein ernst zu nehmender Versuch unternommen wurde, eine Räterepublik zu errichten.
Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold
Massenorganisation, die am 22. Februar 1924 in Magdeburg von SPD, Zentrum, DDP und kleineren Parteien zum Schutz der Republik gegen die gewalttätigen Aktivitäten der rechtsextremen Verbände, aber auch gegen die radikale Politik der KPD gegründet wurde. Den Vorsitz hatten die SPD-Politiker Otto Hörsing (bis zum 2. Juli 1932) und Karl Höltermann (bis 1933) inne. Gegen Ende der Weimarer Republik zählte das Reichsbanner ein bis zwei Millionen Mitglieder, die vor allem aus SPD und Gewerkschaften, ferner aus den übrigen Parteien der "Weimarer Koalition" kamen. Die Wahl der offiziellen Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold unterstrich das republikanische Bekenntnis der Organisation. Nach der "Machtergreifung" wurde das Reichsbanner im März 1933 reichsweit verboten. In Bayern löste der von der neuen Reichsregierung eingesetzte Kommissar für das Innenministerium, Adolf Wagner, das Reichsbanner am 10. März 1933 auf. Am Tag danach befahlen Wagner und der Beauftragte des Reichs, General Franz Ritter von Epp, alle bayerischen Reichsbanner-Führer in "Schutzhaft" zu nehmen.
Reichsfluchtsteuer
seit 1931 zur Verhinderung von Kapitalflucht auf Vermögen von über 250.000 RM angewandte Steuer (veröffentlicht unter dem vollständigen Titel „Reichsfluchtsteuer und sonstige Maßnahmen gegen die Kapital- und Steuerflucht“ als Bestandteil der „Vierten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931“ – RGBl I, 1931, 731). Im NS-Staat wurde die Reichsfluchtsteuer zur Ausraubung auswandernder Juden auf Vermögen von über 50.000 RM und auf Jahreseinkommen von über 20.000 RM ausgedehnt. Der Steuersatz betrug 25 % des Gesamtvermögens. Aufgrund von Devisenbestimmungen und Wechselkursen erhielten Auswandernde jedoch nur einen Bruchteil der verbleibenden Summe.
Reichskristallnacht
Bezeichnung unklarer Herkunft für den reichsweiten Pogrom gegen die Juden im Deutschen Reich, der in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 stattfand. Er wurde am Abend des alljährlichen Treffens der NSDAP-Führerschaft nach Zustimmung Hitlers von Minister Goebbels durch eine Hetzrede ausgelöst. Anschließend gaben die SA-Führer von München aus telefonisch entsprechende Befehle an ihre Stäbe und Mannschaften durch. Die offizielle Propaganda suchte (vergeblich), den Pogrom als spontane Antwort der Bevölkerung auf den Tod des deutschen Diplomaten Ernst vom Rath auszugeben. Der Legationssekretär an der deutschen Botschaft in Paris war von einem gegen die Verfolgung der Juden und seiner aus Deutschland vertriebenen Verwandten protestierenden 17-jährigen Juden namens Herschel Grynszpan niedergeschossen worden. Das nationalsozialistische Regime nahm diesen Mord als Vorwand, im gesamten Reich blutige Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung zu organisieren. Die Gewalt erreichte in dieser „Reichspogromnacht“ ihren Höhepunkt: Jüdische Geschäfte, Privatwohnungen, Friedhöfe und vor allem Synagogen wurden verwüstet und etwa 400 Menschen ermordet oder in den Tod getrieben. In den folgenden Tagen wurden zehntausende Juden verhaftet und in Konzentrationslager eingeliefert, wo es zu weiteren Misshandlungen und Morden kam. Der Reichspogromnacht folgte unmittelbar eine Serie antisemitischer Gesetze, welche die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ausgrenzung der deutschen Juden weiter vorantrieb. Die Novemberpogrome 1938 markieren die fortschreitende Radikalisierung der nationalsozialistischen Judenverfolgung, welche nur wenige Jahre später in der zentral organisierten Ermordung der europäischen Juden gipfelte.
Reichspräsident
seit 1919 bis 1934 Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs. Der Reichspräsident wurde direkt vom Volk auf sieben Jahre gewählt und bildete als zweites demokratisch legitimiertes Staatsorgan ein unmittelbares Gegengewicht zum Reichstag. Der Reichspräsident besaß umfassende Machtbefugnisse, unter anderem das Recht zur Auflösung des Reichstages, zur Ernennung und Entlassung des Reichskanzlers und zur Verhängung des Ausnahmezustandes sowie den Oberbefehl über die Reichswehr. Zwischen 1919 und 1933 fanden drei Reichspräsidentenwahlen statt: 1919, 1925 und 1932. Erster Reichspräsident war Friedrich Ebert (1919 bis 25). Ihm folgte geschäftsführend von Februar bis Mai 1925 Walter Simons. 1925 trug die BVP maßgeblich dazu bei, dass sich der Kandidat der Rechtsparteien, Paul von Hindenburg (1847-1934), gegen den Zentrumspolitiker Wilhelm Marx (1863-1946) durchsetzte. 1934 vereinigte Adolf Hitler nach dem Tod Hindenburgs das Amt des Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers („Führer und Reichskanzler“).
Reichssicherheitshauptamt (RSHA)
am 27. September 1939 unter Verbindung von Sicherheitsdienst (SD) und Sicherheitspolizei (Sipo) gegründetes Hauptamt der Schutzstaffel (SS), das in sieben Ämter gegliedert war. In der Gründung des RSHA gipfelte die von Reichsführer SS Heinrich Himmler seit 1933 vorangetriebene Verselbstständigung des nationalsozialistischen Gewaltapparats. Die Kompetenzen der staatlichen Organe wurden dabei immer stärker mit Gliederungen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) verwoben. An der Spitze des RSHA stand zunächst Reinhard Heydrich. Nachdem dieser im Juni 1942 Opfer eines Attentats geworden war, übernahm Ernst Kaltenbrunner die Leitung jener Behörde, die im Zweiten Weltkrieg die vom Deutschen Reich besetzten Gebiete mit Terror und Vernichtung überzog. So verübten die vom RSHA aufgestellten "Einsatzgruppen" nach dem Überfall auf Polen und später auf die Sowjetunion planmäßige Massaker an der Elite der betroffenen Länder, etwa an katholischen Priestern und kommunistischen Funktionären, ferner an Sinti und Roma und vor allem an Juden. Über eine halbe Million Menschen fiel dieser "völkischen Flurbereinigung" zum Opfer. Im Referat IV B 4 des RSHA betrieb Adolf Eichmann die Organisation der - von den Nationalsozialisten so genannten - "Endlösung der Judenfrage". Auch im Inneren verfügte das RSHA über umfassende Vollmachten und nutzte das Instrumentarium der gerichtlich nicht kontrollierbaren "Schutzhaft" zur Bekämpfung politischer wie "rassischer" Gegner. Die "Meldungen aus dem Reich" lieferten detaillierte Berichte über die Stimmung der intensiv bespitzelten Bevölkerung. Rivalitäten zwischen den einzelnen Ämtern, namentlich zwischen SD und Sipo, trugen zu einer Radikalisierung gerade der antijüdischen Politik bei.
Reichstag
sowohl im Deutschen Kaiserreich als auch in der Zeit der Weimarer Republik parlamentarische Vertretung des Volkes. 1) Im Deutschen Kaiserreich (1871–1918) verkörperte der Reichstag neben dem Kaiser die Einheit des Reiches. Gemeinsam mit dem Bundesrat übte er die Reichsgesetzgebung aus und besaß die Mitentscheidung über das jährliche Haushaltsgesetz. Entscheidungen traf der Reichstag mit absoluter Mehrheit (Art. 28). Der Reichskanzler hatte sich dem Reichstag zu verantworten. Der Reichstag ging aus allgemeinen, direkten und geheimen Wahlen hervor (Art. 20 RV 1871). Die Abgeordneten waren Vertreter des gesamten Volkes und nicht an Aufträge und Instruktionen gebunden (Art. 29 RV 1871); sie genossen parlamentarische Immunität und Indemnität (Art. 30 und 31 RV 1871). Die Wahlperiode betrug drei, seit 1888 fünf Jahre. Die Auflösung des Reichstags vor Beendigung der Legislaturperiode war durch Beschluss des Bundesrats mit der Zustimmung des Kaisers möglich (Art. 24 RV 1871). 2) In der Zeit der Weimarer Republik (1919–33) war der Reichstag als Repräsentant des souveränen Volkes oberster Träger der Reichsgewalt. Die Abgeordneten des Reichstages wurden in allgemeiner, gleicher, geheimer, unmittelbarer Wahl von den über zwanzig Jahre alten Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Sie waren Vertreter des gesamten Volkes und nicht an Weisungen gebunden; sie genossen parlamentarische Immunität und Indemnität (Art. 21, 36 und 37 WRV). Der Reichstag beschloss mit einfacher Stimmenmehrheit (Art. 32 WRV) die Reichsgesetze (Art. 68 WRV) und war unter anderem zuständig für den Haushaltsplan. Er konnte durch den Reichspräsidenten aufgelöst werden (Art. 25 WRV). Reichskanzler und Reichsminister mussten zurücktreten, wenn ihnen der Reichstag durch Beschluss das Vertrauen entzog (Art. 54 WRV). Mit der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz (März 1933) gab der Reichstag den Weg zur Errichtung einer Diktatur frei. Er wurde zum von der NSDAP beherrschten Einparteienparlament, das Adolf Hitler als Akklamations- und Demonstrationsorgan diente (letzte Sitzung: 26. 4. 1942).
Reichstagsbrandverordnung ("Verordnung zum Schutz von Volk und Staat")
Bezeichnung für die einen Tag nach dem Reichstagsbrand auf Grundlage des Artikels 48 der Weimarer Reichsverfassung erlassene Verordnung des Reichspräsidenten "zum Schutz von Volk und Staat" (28. Februar 1933). Mit der Begründung der "Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte" wurden wesentliche Grundrechte außer Kraft gesetzt: das Recht auf persönliche Freiheit; die Meinungs-, Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit; das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis; die Unverletzlichkeit der Wohnung. Die "Reichstagsbrandverordnung" sah eine Verschärfung von Strafbestimmungen vor (unter anderem Todesstrafe für Hochverrat und Brandstiftung). Sie legitimierte die als Verhängung von Schutzhaft deklarierte Verhaftungswelle gegen Oppositionelle und bildete eine der juristischen Grundlagen für deren Aburteilung. Darüber hinaus erlaubte sie der Reichsregierung auch Eingriffe in Landesangelegenheiten und trieb so die weitere "Gleichschaltung" der Länder voran. Letztlich diente die "Reichstagsbrandverordnung" der Schaffung des permanenten Ausnahmezustands und stellte noch vor dem "Ermächtigungsgesetz" vom 23. März 1933 einen entscheidenden Schritt zur Errichtung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft dar.
Röhm-Putsch
blutige Ausschaltung der SA-Führung durch Hitler und die NSDAP vom 30. Juni bis zum 2. Juli 1934 mit nachträglichem Hinweis auf angeblich geplante revolutionäre Bestrebungen des SA-Führers Ernst Röhm und unter dem Vorwand von dessen (längst bekannter und bis dahin geduldeter) nicht tragbarer Homosexualität. Seit Herbst 1930 mit der Reorganisation der SA betraut, war Ernst Röhm als Chef des Stabes einzig gegenüber Hitler als dem Obersten SA-Führer verantwortlich. Vor Anwendung brutal-skrupelloser Aktionen schreckte Röhm nicht zurück, und so gelang es den Schlägertrupps der SA unter seiner Führung in wenigen Jahren, die politischen Gegner einzuschüchtern und die Herrschaft über die Straße zu erringen. Die Mitgliederzahl der SA stieg von anfangs 70 000 auf 4,5 Millionen im Sommer 1934. Trotz dieser Entwicklung konnte Hitler sich des unumschränkten Rückhalts Röhms nicht sicher sein: Wo Hitler seit dem Scheitern seines Umsturzversuchs im November 1923 nunmehr im Sinne einer gewissen Legalitätstaktik und unter Beibehaltung notwendiger alter Strukturen die Macht erlangen und erhalten wollte, drängte Röhm auch nach 1933 auf eine Fortsetzung der innenpolitischen Umgestaltung in Form einer radikalen Revolution mit dem Ziel, einen „Wehrstaat“ zu schaffen. Als entscheidende Voraussetzung hierfür betrachtete er die Bildung eines Milizheeres, dessen Kern die SA bilden sollte. Hitler hingegen sah als Kern einer Armee für die angestrebte Eroberung von Lebensraum im Osten Europas die Reichswehr, die sich durch Röhms Pläne in ihrer Existenz gefährdet sah. Bedrängt von Röhms Gegenspielern innerhalb der NSDAP (Göring, Himmler und Goebbels), die sich des lästigen Widersachers zu entledigen suchten, entschloss sich Hitler im Frühjahr 1934, den Konflikt mit der SA-Führung gewaltsam zu lösen. Hitler fürchtete im Übrigen auch, dass sich ansonsten die Reichswehr mit konservativen Regimekritikern in der Umgebung des Reichspräsidenten von Hindenburg zum Versuch einer monarchischen Restauration verbinden würde; am 17. Juni 1934 hatte eine von Edgar Jung verfasste und von Vizekanzler von Papen in Marburg gehaltene regimekritische Rede diese Möglichkeit als greifbar nahe vermuten lassen. Unter dem Vorwand, mit dem Ausland konspiriert und Umsturzpläne gehegt zu haben, wurden vom 30. Juni bis 2. Juli 1934 mindestens 85 SA-Führer und Regimegegner von der SS ermordet, darunter die Generale Kurt von Schleicher und Ferdinand von Bredow sowie die Hitler-Kritiker Gregor Strasser, Gustav Ritter von Kahr, Erich Klausener und Edgar Jung. Beteiligt an Röhms Erschießung im Münchner Gefängnis Stadelheim am 1. Juli 1934 waren der Kommandant des Konzentrationslagers Dachau und SS-Brigadeführer Theodor Eicke sowie der Führer der Lagerwache, SS-Obersturmbannführer Michael Lippert. Zur Rechtfertigung der Erschießungen und Verhaftungen ohne ordentliches Rechtsverfahren behauptete Hitler wider besseres Wissen, mit der Aktion gegen die SA sei er einem Putsch gerade noch zuvorgekommen, und berief sich bereits in der Kabinettssitzung vom 3. Juli 1934 auf das Prinzip der „Staatsnotwehr“, das rasches Handeln erforderlich gemacht habe. In diesem Sinne verabschiedete das Kabinett ein Gesetz, das die Maßnahmen im Nachhinein als „Staatsnotwehr“ und „rechtens“ einstufte. Während Hitler mit der Ermordung Röhms seinen letzten innerparteilichen Widersacher ausschaltete und definitiv den „Führer-Staat“ begründete, sicherte sich die Reichswehr damit vorerst ihr Monopol als Waffenträgerin.
Roter Frontkämpferbund
von Kriegsveteranen im Mai 1924 gegründeter paramilitärischer Wehrverband der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) unter der Leitung ihres Vorsitzenden Ernst Thälmann. In Bayern konnte der "Rote Frontkämpferbund" infolge von Verboten erst im April 1928 Fuß fassen. Erkennungszeichen dieser kommunistischen Organisation waren die rote Armbinde, der Sowjet-Stern und die geballte Faust, die Kampfbereitschaft signalisieren sollte. 1928 verzeichnete der Bund reichsweit rund 100.000 Mitglieder, in Bayern dürfte die Zahl unter 1.000 gelegen haben. Nach gewaltsamen Auseinandersetzungen im Mai 1929 wurde der Wehrverband reichsweit verboten und ging 1930 im "Kampfbund gegen den Faschismus" auf.
SA (Sturmabteilung)
1921 mit dem Ziel der Agitation und paramilitärischer Vorbereitungen für den „Freiheitskampf“ der nationalsozialistischen Bewegung gegen die Weimarer Republik gegründeter Wehrverband der NSDAP, der wegen seiner Beteiligung am fehlgeschlagenen Münchner Hitler-Putsch im November 1923 ebenso wie die NSDAP reichsweit verboten wurde (bis 1925). Nach der Neugründung der NSDAP 1925 wurde die SA zu einer Untergliederung der Partei. Vor dem Hintergrund des politischen Durchbruchs der NSDAP in der Reichstagswahl 1930 und der anhaltenden Weltwirtschaftskrise wuchs die SA unter der Führung Ernst Röhms bis Anfang 1933 zu einer Massenorganisation mit über 400.000 Mitgliedern an. Vor allem mit Anhängern der SPD und KPD lieferte sie sich in der Spätphase der Weimarer Republik fast täglich Straßen- und Saalschlachten. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933, besonders in den Wochen vor und nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 war die SA Träger eines massiven Straßenterrors gegen Juden und politische Gegner. In Preußen als "Hilfspolizei" eingesetzt, wurden die Verhafteten oft in "Sturmlokalen" der SA misshandelt. Erste "wilde" Konzentrationslager unter Leitung der SA entstanden in Dachau und Oranienburg. Die auf rund vier Millionen Mitglieder angewachsene SA hatte nach der nationalsozialistischen "Gleichschaltung" ihre blutige Aufgabe weitgehend erfüllt. Röhms Bemühungen um die Umwandlung der Parteiarmee in eine Volksmiliz mit staatlichem Waffenmonopol in Konkurrenz zur Reichswehr nahm Hitler zum Anlass, die Führung der SA im Juni 1934 ermorden zu lassen (so genannter "Röhm-Putsch"). In der Folgezeit sank die SA in die politische Bedeutungslosigkeit ab.
SAPD (Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands)
1931 gegründete, linksgerichtete Partei. Sie wurde von linken oppositionellen Kräften innerhalb der SPD gegründet, die gemeinsam mit der KPD im Reichstag gegen den Bau des Panzerkreuzers B gestimmt hatten und daraufhin aus der SPD ausgeschlossen wurden. Der SAP schlossen sich auch die Mitglieder der im selben Jahr gebildeten Arbeitsgemeinschaft für linkssozialistische Politik an.
Schaden an Eigentum und/oder Vermögen
unter anderem im Bundesentschädigungsgesetz für Wiedergutmachung von 1956 festgelegte Kategorie zur Benennung der für den Ausgleich relevanten Schäden an Personen, die in der Zeit des Nationalsozialismus durch Verfolgung aus politischen, weltanschaulichen, religiösen oder rassischen Gründen entstanden waren. Verfolgte hatten Anspruch auf Entschädigung, wenn eine ihnen im Zeitpunkt der Schädigung gehörende Sache im Reichsgebiet nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 zerstört, verunstaltet oder der Plünderung preisgegeben worden war. Anspruch auf Entschädigung für Schaden an Vermögen bestand, wenn Verfolgte an ihrem im Reichsgebiet nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 befindlichen Vermögen geschädigt worden waren. Eine Schädigung am Vermögen lag auch vor, wenn Verfolgte in der Nutzung ihres Eigentums oder Vermögens beeinträchtigt wurden. Entschädigungen wurden ferner auch dann gewährt, wenn den Verfolgten durch Geschäftsboykotte ein Schaden von über 500 Reichsmark entstanden war. Ebenfalls als Schaden an Eigentum und/oder Vermögen eingestuft wurden Zwangsabgaben wie die Judenvermögensabgabe und die Reichsfluchtsteuer.
Schaden an Freiheit
unter anderem in den Bundesentschädigungsgesetzen für Wiedergutmachung aus den Jahren 1953 und 1956 festgelegte Kategorie zur Benennung der für den Ausgleich relevanten Schäden an Personen, die in der Zeit des Nationalsozialismus durch Verfolgung aus politischen, weltanschaulichen, religiösen oder rassischen Gründen entstanden waren. Verfolgte hatten Anspruch auf Entschädigung, wenn ihnen in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 die Freiheit für die Dauer von mindestens 30 Tagen oder einen ganzen Monat entzogen worden war. Unter Freiheitsentzug wurde insbesondere verstanden: polizeiliche oder militärische Haft, Inhaftnahme durch die NSDAP, Untersuchungshaft, Strafhaft, Haft in einem Konzentrationslager und Zwangsaufenthalt in einem Getto sowie Leben oder Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen, Zugehörigkeit zu einer Straf- oder Bewährungseinheit der Wehrmacht. Als Schaden an Freiheit galten auch Internierungen im Ausland, die unter Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze oder auf Druck des NS-Regimes erfolgten, sowie das Leben unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Illegalität im Reichsgebiet nach dem Stand vom 31. Dezember 1937.
Schaden an Körper und/oder Gesundheit
unter anderem im Bundesentschädigungsgesetz für Wiedergutmachung von 1956 festgelegte Kategorie zur Benennung der für den Ausgleich relevanten Schäden an Personen, die in der Zeit des Nationalsozialismus durch Verfolgung aus politischen, weltanschaulichen, religiösen oder rassischen Gründen entstanden waren. Verfolgte hatten Anspruch auf Entschädigung, wenn sie an ihrem Körper oder an ihrer Gesundheit nicht unerheblich geschädigt worden waren. Ausschlaggebend war, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Schaden an Körper oder Gesundheit und der Verfolgung wahrscheinlich war. Als unerheblich galt eine Schädigung, die weder die geistige noch die körperliche Leistungsfähigkeit der Verfolgten nachhaltig beeinträchtigt hatte.
Schaden an Leben
unter anderem im Bundesentschädigungsgesetz für Wiedergutmachung von 1956 festgelegte Kategorie zur Benennung der für den Ausgleich relevanten Schäden an Personen, die in der Zeit des Nationalsozialismus durch Verfolgung aus politischen, weltanschaulichen, religiösen oder rassischen Gründen entstanden waren. Anspruch auf Entschädigung für Schaden am Leben bestand für die Hinterbliebenen, wenn Verfolgte vorsätzlich oder leichtfertig getötet oder in den Tod getrieben worden waren. Darüber hinaus wurden auch Entschädigungen geleistet, wenn eine Person an den Spätfolgen der Verfolgungsmaßnahmen verstorben war.
Schaden durch Emigration, Flucht oder Vertreibung
unter anderem 1952 im Gesetz über die Anerkennung als Verfolgte und 1956 im Bundesentschädigungsgesetz für Wiedergutmachung festgelegte Kategorie zur Benennung der für den Ausgleich relevanten Schäden an Personen, die in der Zeit des Nationalsozialismus durch Verfolgung aus politischen, weltanschaulichen, religiösen oder rassischen Gründen entstanden waren. Anspruch auf Entschädigung hatte, wer wegen Gefährdung seines Lebens, seiner Freiheit oder seiner Existenz zur Auswanderung gezwungen worden war, sich mindestens 30 Tage einer drohenden Verfolgung durch Flucht hatte entziehen müssen, zwangsdeportiert oder ausgewiesen worden war. Rückwanderern wurde ab 1956 eine Soforthilfe gewährt.
Schaden im beruflichen und/oder wirtschaftlichen Fortkommen
unter anderem im Bundesentschädigungsgesetz für Wiedergutmachung von 1956 festgelegte Kategorie zur Benennung der für den Ausgleich relevanten Schäden an Personen, die in der Zeit des Nationalsozialismus durch Verfolgung aus politischen, weltanschaulichen, religiösen oder rassischen Gründen entstanden waren. Anspruch auf Entschädigung bestand, wenn eine Person im Zuge einer Verfolgung in ihrem beruflichen oder wirtschaftlichen Fortkommen nicht nur geringfügig benachteiligt worden war. Als Schädigung im beruflichen Fortkommen galt insbesondere, wenn Verfolgte aus ihrem Beruf entlassen oder gedrängt, in ihrer beruflichen Tätigkeit eingeschränkt, an einer beruflichen Ausbildung oder an der Ausübung eines erlernten Berufes gehindert worden waren. Als Schaden im wirtschaftlichen Fortkommen galt der Entzug beziehungsweise die Kürzung von Versicherungsleistungen außerhalb der Sozialversicherung sowie von Renten und Pensionen. Ebenso entschädigt wurde die durch verfolgungsbedingte Ausfalljahre entstandene Minderung des Rentenanspruchs innerhalb der Sozialversicherung.
Schutzhaft
auf die Repressionsbestrebungen des preußischen Staats gegenüber den Anhängern der Revolution von 1848 zurückgehendes Rechtsinstitut. In dem am 24. September 1848 erlassenen "Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit" ist in § 3 von Personen die Rede, "welche zu ihrem eigenen Schutze oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, polizeilich in Verwahrung genommen werden". Während des Ersten Weltkriegs erließ Kaiser Wilhelm II. 1916 das "Gesetz betreffend die Verhaftung und Aufenthaltsbeschränkung“. Dieses Gesetz gestattete in § 1 "zur Abwendung einer Gefahr für die Sicherheit des Reiches" die Haftanordnung auch durch die vollziehende Gewalt (Polizei). Die "Inschutzhaftnahme" unterlag - zumindest auf dem Papier - strengen Vorgaben (§§ 2 ff.), was zu einer Milderung der Inhaftierungspraxis führen sollte. Im Juli 1918 betrug die Zahl der Schutzhäftlinge im gesamten Reich 880. Der Begriff "Schutzhaft" bürgerte sich erst während des Ersten Weltkriegs in Folge zahlreicher Reichstagsdebatten in der Bevölkerung ein. Spätestens seit dieser Zeit wurde der Begriff endgültig zu einer beschönigenden Formulierung: Nicht der Bürger wurde vor anderen Mitgliedern der Gesellschaft zu seiner Sicherheit im polizeilichen Gewahrsam geschützt; der Staat wollte mit Hilfe dieses Polizeiinstruments die "Fesseln" der richterlich angeordneten Haft für Einzelne sprengen, da er mit dieser Form der Polizeihaft unliebsame und politisch verdächtige Personen sehr viel schneller festsetzen und internieren konnte. In der Zeit des Nationalsozialismus war die "Schutzhaft" eines der schlagkräftigsten Instrumente des Regimes zur Bekämpfung seiner Gegner. Mit Hilfe der "Schutzhaft", deren formaljuristische und pseudolegale Grundlage die "Reichstagsbrandverordnung" vom 28. Februar 1933 bildete, wurde ein von jeder rechtsstaatlichen Bindung und Kontrolle gelöster Raum staatlicher Willkür geschaffen. Nun konnte jede Person festgenommen werden, von der man annahm, sie könne eine Gefahr für die Staatssicherheit darstellen. Es musste also keine Straftat vorliegen; es handelte sich um eine willkürliche Präventivmaßnahme. Die Schutzhaft führte meist zur Einlieferung in ein Konzentrationslager (KZ). Die für die Verhängung von Schutzhaft zuständige Politische Polizei - später: Geheime Staatspolizei (Gestapo) - setzte dieses Mittel im Laufe der Zeit immer rücksichtsloser ein, um die Bevölkerung zu unterdrücken und zu terrorisieren.
SD (Sicherheitsdienst)
1931 auf Initiative des Reichsführers SS Heinrich Himmler eingerichteter Nachrichtendienst innerhalb der Schutzstaffel (SS). Unter der Bezeichnung Sicherheitsdienst (SD) des Reichsführers SS stand er ab Juli 1932 unter der Leitung von Reinhard Heydrich. Zu den Aufgaben des SD gehörte die Beobachtung gegnerischer Parteien und politischer Organisationen ebenso wie die Überwachung oppositioneller Strömungen in der NS-Bewegung. Im Sommer 1934 legte Himmler die Arbeitsgebiete von SD und Geheimer Staatspolizei (Gestapo) fest: Der SD war für die Ermittlung von Gegnern des NS-Regimes zuständig, die Gestapo für die Gegnerbekämpfung. Mit Hilfe rund 30.000 so genannter Vertrauensleute überwachte der SD die deutsche Bevölkerung. Der SD entwickelte sich zu einem höchst effizienten Nachrichtenapparat, dem 1944 rund 6.400 hauptamtliche Mitarbeiter angehörten. Im September 1939 wurde der SD mit der Sicherheitspolizei (Sipo) zum Reichssicherheitshauptamt (RSHA) unter Leitung Heydrichs zusammengefasst. Nach Heydrichs Tod leitete Ernst Kaltenbrunner ab Januar 1943 SD und RSHA, das zu diesem Zeitpunkt die Schaltstelle für die Überwachung, Terrorisierung und Ermordung von Millionen Menschen im In- und Ausland darstellte. Nach dem Überfall auf Polen 1939 und ab Sommer 1941 im Krieg gegen die Sowjetunion ermordeten die vom RSHA zusammengestellten Einsatzgruppen aus SD, Sipo und Waffen-SS hunderttausende Menschen, zumeist Juden.
SDVp (Süd-Deutsche Volkspartei)
1868 aus der seit 1863 in Südwestdeutschland bestehenden Demokratischen Volkspartei hervorgegangene Partei. Ihre Gründer knüpften an die bürgerlich-demokratischen Traditionen der Revolution 1848 an. Die SDVp war zunächst demokratisch, anti-preußisch und föderalistisch orientiert und blieb nahezu vollständig auf Württemberg, Baden und Bayern beschränkt. Besaß sie ursprünglich einen ausgesprochen kleinbürgerlichen Charakter, so gewannen später Kreise der Banken, des Handels und der Industrie größeren Einfluss. Die SDVp war die letzte bürgerlich-demokratische Partei im vorimperialistischen Deutschland. Mit der zunehmenden Preisgabe ihrer früheren demokratischen Anschauungen und Ziele nähert sie sich seit den 1890er Jahren den freisinnigen Parteien, mit denen sie sich 1910 zur Fortschrittlichen Volkspartei (FoVp) zusammenschloss.
SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands)
1946 in der Sowjetischen Besatzungszone unter dem Druck der sowjetischen Besatzungsmacht durch Zwangsvereinigung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) gegründete Partei. Die Führungsorgane der SED waren zunächst gleichmäßig mit Sozialdemokraten und Kommunisten besetzt; so übernahmen beispielsweise der Kommunist Wilhelm Piek und der Sozialdemokrat Otto Grotewohl gemeinsam den Parteivorsitz. Die eigentliche Macht lag jedoch in den Händen des Kommunisten Walter Ulbricht, der an der Gründung der SED maßgeblich beteiligt war. Ulbricht war zunächst stellvertretender Vorsitzender und übernahm 1950 das Amt des Generalsekretärs des Zentralkomitees (ZK) der SED und damit de facto die Führung der Partei. Er selbst hatte die Lenin-Schule der Kommunistischen Internationale in Moskau besucht und achtete darauf, dass die Führungskader der Partei ebenfalls von den Parteischulen in Moskau kamen. 1955 wurde die SED nach dem Vorbild der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) umgewandelt und stalinisiert. Das formell oberste Organ bildete der SED-Parteitag, zwischen den Parteitagen das von ihm gewählte Zentralkomitee, dessen ständige Organe Politbüro und Sekretariat unter dem Generalsekretär die eigentliche Machtzentrale darstellten. Ulbricht hatte das Amt bis 1971 inne, sein Nachfolger wurde Erich Honecker. Die SED beherrschte Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der DDR in allen Bereichen. Den seit Mitte der 1980er Jahre in der UdSSR eingeleiteten Reformen verweigerte sich die SED beharrlich. Nach dem Mauerfall wurde sie Ende 1989 in SED-PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) umbenannt, seit Februar 1990 firmierte die Partei nur noch unter dem Namen PDS. Im Juli 2005 erfolgte die Umbenennung in "Die Linkspartei", die im Juni 2007 mit der Partei Arbeit und soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative (WASG) zur neuen Partei Die Linke fusionierte.
Sekretär
in Verbänden und Organisationen leitender Funktionär, beispielsweise einer Partei, Gewerkschaft oder einer anderen Organisation.
Sippenhaft
Repressionsmaßnahme des NS-Regimes, die sich gegen Familienangehörige politischer Gegner richtete und diese mit Vermögen, Freiheit oder Leben haftbar machte. Die "Sippenhaft" diente der Bestrafung bzw. Abschreckung. Sie wurde zu Beginn der NS-Diktatur vereinzelt und nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 erstmals umfassend eingesetzt. Ferner wurde sie auch gegen die Mitglieder des Nationalkomitees "Freies Deutschland" angewendet. Für den Vollzug der "Sippenhaft" wurde eigens die Gruppe XI in der "Sonderkommission 20. Juli" des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) geschaffen, die ab Anfang August 1944 tätig wurde. Am 21. November 1944 wurde im RSHA ein neues Referat IV a 6 c "Sippenhaft" als ständige Institution errichtet. Das Oberkommando der Wehrmacht befahl später die Ausweitung der "Sippenhaft" auf die Familien von Deserteuren (19. November 1944) und Wehrmachtsangehörigen, "die in der Kriegsgefangenschaft Landesverrat begehen" (5. Februar 1945). Dazu zählten auch diejenigen, die in das neutrale Ausland geflohen waren.
Sopade
Bezeichnung für den Parteivorstand und Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands während des Exils. Der Vorstand amtierte in Prag (1933-1937), Paris (1938-1940) und in London (1941-1945). Er sollte Aufklärungsarbeit leisten und den Widerstand gegen den Nationalsozialismus vor allem durch Publikationen unterstützen. Berichte zur innerdeutschen Situation wurden zwischen 1933 und 1940 von einem Netzwerk geheimer Informanten in ganz Deutschland zusammengetragen, aus dem Land geschmuggelt und bis zur deutschen Besetzung von Paris unter Leitung Erich Rinners herausgegeben. Als eine der wenigen regelmäßig erscheinenden zeitgenössischen Darstellungen aus Deutschland, welche sich der Gleichschaltung entzogen, stellen die SoPaDe-Deutschlandberichte eine wichtige historische Quelle dar.
Sozialismus
im 19. Jahrhundert entstandene Bewegung, die sich gegen die kapitalistische Wirtschaftsstruktur und das Herrschaftsgefüge in Staat und Gesellschaft richtet. Ziel ist die Beseitigung der Ungleichheit in der Gesellschaft. Sozialistische Anschauungen haben sich historisch in zahlreichen Spielarten niedergeschlagen, zu denen auch der Marxismus gehört. Zur Erringung der Gleichheit als Voraussetzung für die Freiheit sollen die Produktionsmittel in Gemeineigentum überführt und der kapitalistische Markt durch staatliche Planwirtschaft ersetzt werden. Der besondere Beitrag des Marxismus liegt in der Vorstellung, dass sich das Proletariat (die Arbeiterklasse) nur durch "Klassenkampf" gegen das Bürgertum von der Ausbeutung durch dieses befreien kann. Reformen seien zwecklos; nur der gewaltsame Sturz der kapitalistischen Gesellschaft, die soziale Revolution und die Machtübernahme des Proletariats ("Diktatur des Proletariats") würden die Gleichheit herbeiführen. Die Sozialdemokratie distanzierte sich im Lauf ihrer Geschichte zunehmend von der Vorstellung, dass es nur zwei Klassen mit entgegengesetzten Interessen gebe (die der Mittellosen und die der Eigentümer), und lehnt daher die Idee des Klassenkampfes ab. Besonders in der bayerischen Sozialdemokratie entwickelte sich um 1890 die Vorstellung, dass die gesellschaftlichen Gegensätze durch Reformen schrittweise ausgeglichen werden könnten (Reformismus).
Spartakusbund
Anfang 1915 im Umkreis von Karl Liebknecht (1871-1919) und Rosa Luxemburg (1871-1919) entstandene Gruppe radikaler Pazifisten und Sozialisten innerhalb der SPD, benannt nach dem Anführer eines Sklavenaufstands im Römischen Reich. Entsprechend der überragenden Rolle Berlins ist die Geschichte des Spartakusbunds wesentlich an dieses politische Zentrum gebunden; von dort gingen auch nahezu alle Impulse für die regionalen Gruppen aus, die zunächst in den traditionellen Schwerpunkten der Arbeiterbewegung in West-, Nord- und Mitteldeutschland entstanden. Erste Spartakusgruppen in Bayern formierten sich im November 1918. Als führende Köpfe der Münchner Gruppe gelten der Naturwissenschaftler Dr. Max Levien und der Schriftsetzer Hans Kain. Der Spartakusbund, der sich 1917 der USPD angeschlossen hatte, ging zum Jahreswechsel 1918/19 mit anderen linksradikalen Gruppen in der neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) auf.
SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands)
1890 in der Nachfolge der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) neu gegründete Partei. Die SAP war seit dem Gothaer Kongress 1875 eine Vereinigung des von Ferdinand Lasalle 1863 in Leipzig gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, der um 1868/69 in Bayern Fuß fassen konnte (Ortsvereine in München, Ansbach und Würzburg), und der 1869 in Eisenach formierten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, deren erster bayerischer Ortsverein bereits in ihrem Gründungsjahr in Nürnberg entstand. 1892 erfolgte die Parteigründung in Bayern, 1893 war die SPD erstmals im Bayerischen Landtag vertreten. 1917 spaltete sich die SPD in die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD) und die Mehrheitssozialdemokratische Partei (MSPD), 1922 erfolgte die Wiedervereinigung. In der Weimarer Republik (1919-1933) war die SPD auf Reichsebene lange Zeit gemeinsam mit dem Zentrum und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) an der Regierung beteiligt ("Weimarer Koalition"). In Bayern stellte sie mit Johannes Hoffmann (1919-1920) einmal den Ministerpräsidenten. Danach war sie bis 1933 an keiner bayerischen Landesregierung mehr beteiligt. 1933 stimmte die SPD sowohl im Deutschen Reichstag als auch im Bayerischen Landtag als einzige Partei gegen die "Ermächtigungsgesetze". Wenig später wurde die SPD von den Nationalsozialisten verboten, leistete aber aus dem Untergrund Widerstand gegen das NS-Regime. Viele ihrer Funktionäre wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, verhaftet und ermordet. 1945 begann der Wiederaufbau der Partei. Die SPD war 1945-1947 und 1950-1957 Regierungspartei in Bayern, 1945-1946 und 1954-1957 stellte sie mit Wilhelm Hoegner den Ministerpräsidenten.
Spruchkammer
zur Durchführung des Gesetzes zur „Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ vom 5. März 1946 eingesetzte Laiengerichte mit öffentlichen Klägern. In der US-Zone wurden insgesamt über 545 Spruchkammern bestellt. Oberste deutsche Instanz waren die Befreiungsministerien der Länder Bayern, Württemberg-Baden, Hessen und Bremen, beaufsichtigt wurde die Entnazifizierung von der amerikanischen Militärregierung. Grundlage für die Durchführung des Gesetzes war zunächst die Registrierung der gesamten erwachsenen Bevölkerung, die nunmehr in einem Meldebogen Angaben zur Person zu machen hatte. Wer durch die zu diesem Zweck geschaffenen justizförmigen Spruchkammern auf der Grundlage des Meldebogens als „vom Gesetz nicht betroffen“ bezeichnet wurde, galt als entnazifiziert; das waren etwa 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Die übrigen (bis 1951: 1.884.567) wurden vom „öffentlichen Kläger“ (Staatsanwalt) vorläufig in eine der fünf Belastungskategorien des Gesetzes eingereiht und hatten sich dem Spruchkammerverfahren zu unterziehen. Durch den „Spruch“ (Urteil) wurden die endgültige Einstufung des Betroffenen und dessen „Sühnemaßnahmen“ (Strafen) festgelegt. Berufung bei der Berufungskammer war möglich. In den Berufungskammern kam es zu zahlreichen Herabstufungen zuvor wesentlich härter ausgefallener Spruchkammerurteile. Probleme beim Aufbau, der personellen Zusammensetzung und der höchst uneinheitlichen Praxis der Spruchkammern, einer „von den Parteien getragenen Laienbürokratie in schöffengerichtlicher Verfassung“, beschäftigten die folgenden Kabinette und waren immer wieder Anlass zu Klagen der Militärregierung. Ein Dauerproblem bestand im Mangel an juristisch geschultem Spruchkammerpersonal. 1949 verfügte der Spruchkammerapparat über 202 Spruchkammern und 9 Berufungskammern, der Höchststand des Personals bei den Spruchkammern betrug 5436.
SS (Schutzstaffel)
1925 gegründete, dem Obersten SA-Führer unterstellte und für den persönlichen Schutz Adolf Hitlers verantwortliche Gliederung der Sturmabteilung (SA). Heinrich Himmler, der am 6. Januar 1929 zum Reichsführer SS berufen worden war, formierte die SS als eine Eliteformation „arischer Herrenmenschen“. Strenge, vermeintlich "rassenbiologische" und weltanschauliche Auswahlkriterien bestimmten die Zugehörigkeit. Ab 1931 baute Reinhard Heydrich den Sicherheitsdienst (SD) als SS-Unterabteilung zur Überwachung gegnerischer Organisationen und innerparteilicher Opposition auf. Damit fiel der SS innerhalb der NSDAP die Rolle einer "Parteipolizei" zu. Nach Ausschaltung der SA wurde die SS 1934 zu einer selbstständigen, Hitler direkt unterstellten Gliederung der NSDAP. Gleichzeitig übernahm die SS die Alleinzuständigkeit für sämtliche Konzentrationslager im Deutschen Reich. Den machtpolitischen Aufstieg der SS sowie die schrittweise Übernahme der Polizeigewalt aus dem Kompetenzbereich der Länder vollendete Hitler am 17. Juni 1936 durch die Ernennung Himmlers zum "Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei". Durch die enge Verschmelzung mit der Polizei in Personalunionen auch auf den unteren Ebenen wurde die SS zum wichtigsten Machtinstrument Hitlers. Das am 27. September neu gebildete Reichssicherheitshauptamt (RSHA), in dem alle bisherigen Kommandostellen des SD, der Sicherheitspolizei (Sipo), der Kriminalpolizei und der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) zusammengefasst wurden, war Himmler direkt unterstellt. Im Zweiten Weltkrieg entwickelte es sich unter der Leitung Heydrichs zur zentralen Schaltstelle für die Unterdrückung, Terrorisierung und schließlich Ermordung von Millionen Menschen in ganz Europa. Planung und Durchführung der "Endlösung der Judenfrage" fielen ebenfalls in die Zuständigkeit der SS. 1945/46 wurde die SS im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher verboten und zur verbrecherischen Organisation erklärt.
Staatsrat
von 1817 bis 1918 im Königreich Bayern Beratungsgremium des Königs, dem neben den Prinzen und Ministern auch hohe Ministerialbeamte angehörten. Nach der Revolution von 1918 entfiel für die Minister die Bezeichnung Staatsrat, die fortan den führenden Beamten der Ministerien vorbehalten blieb. Bereits die Regierung unter Kurt Eisner führte die nichtbeamteten politischen Staatsräte ein, die seit der Bamberger Verfassung von 1919 Staatssekretäre hießen. Diese waren politische Stellvertreter der Minister mit Sitz und Stimme im Ministerrat. Nach 1933 kam die Amtsbezeichnung Staatsrat zunehmend außer Gebrauch. 1945/46 führten die leitenden, den Minister vertretenden Beamten der Staatsministerien wieder den Titel Staatsrat, bis die Bayerische Verfassung von 1946 erneut Staatssekretäre vorsah.
Staatsregierung
oberste leitende und vollziehende Behörde eines Staates, in Bayern gemäß der Verfassung bestehend aus dem Ministerpräsidenten, der zugleich den Vorsitz führt, den Staatsministern und den Staatssekretären. Der Ministerpräsident beruft und entlässt mit Zustimmung des Landtags die Staatsminister und die Staatssekretäre (Art. 45 BV). Er weist jedem Minister mit Zustimmung des Landtags einen Geschäftsbereich zu, den dieser selbstständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag führt, allerdings im Rahmen der vom Ministerpräsidenten festgelegten Richtlinien der Politik (Art. 49 ff. BV). Die Staatssekretäre sind an die Weisungen des Ministers in ihrem Ressort gebunden.
Staatssekretär
seit 1919 in Deutschland Bezeichnung für den leitenden politischen Beamten eines Ministeriums, der dem jeweiligen Minister zugeordnet ist, in Bayern in der so genannten „Bamberger“ Verfassung für die nichtbeamteten politischen Staatsräte. Diese waren politische Stellvertreter der Minister mit Sitz und Stimme im Ministerrat. Gemäß der Bayerischen Verfassung (BV) von 1946 sind die Staatssekretäre politische Beamte, d. h. sie unterliegen dem Beamtenrecht, können aber jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Als bayerische Besonderheit sind die Staatssekretäre Mitglieder der Staatsregierung, obwohl ihnen der Staatsminister, dem sie zugeordnet sind, Weisungen erteilen kann. Sie sind die ständigen Vertreter ihres Staatsministers, den sie im Falle einer Verhinderung selbstständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag (Art. 51 BV) vertreten. Die Staatssekretäre werden vom Ministerpräsidenten ernannt und entlassen, sofern der Landtag zustimmt (Art. 45 BV).
Stadtrat
in Städten Bezeichnung für den Gemeinderat. Der Stadtrat ist die für eine Amtsdauer von sechs Jahren gewählte Vertretung der Bürger. Er besteht aus dem ersten Bürgermeister und den Stadtratsmitgliedern. Die Zahl der Stadtratsmitglieder ist von der Einwohnerzahl abhängig, lediglich für die Stadt Nürnberg und die Landeshauptstadt München ist sie gesetzlich fixiert. Als Hauptverwaltungsorgan ohne Selbstauflösungsrecht ist der Stadtrat der Exekutive zuzuordnen. Er ist kein Parlament im eigentlichen, legislativen Sinne, da er zwar dazu berufen ist, im Wege des Satzungs- und Verordnungserlasses Recht zu setzen, dieses Recht aber dann vom ersten Bürgermeister oder vom Stadtrat selbst vollzogen wird.
Stadtrechtsrat
frühere Bezeichnung für ein hauptberufliches beamtetes Stadtratsmitglied für den Bereich Justiz.
Stadtverordneter
in manchen Gemeinden ältere Bezeichnung für ein Stadtratsmitglied. Für die Körperschaften, in deren Händen die Verwaltungsgeschäfte der einzelnen Orte lagen, gab es im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert keine einheitliche Bezeichnung. So wurden für den Gemeinderat auch die Begriffe Stadtrat, Magistratsrat oder Stadtverordnetenversammlung gebraucht.
Standgericht
Gerichte, die im Ausnahme-, Belagerungs- oder Kriegszustand über Verbrechen in einem abgekürzten gerichtlichen Verfahren entscheiden und die dabei verhängte Todesstrafe alsbald vollstrecken können. Im Zweiten Weltkrieg wurden Standgerichte zunächst zur Bekämpfung des Widerstands im okkupierten Polen eingerichtet. Die Besetzung dieser Standgerichte erfolgte mit Polizei- und SS-Angehörigen. Für den Bereich der Wehrmacht wurde mit Verordnung vom 1. Novmeber 1939 die Bildung von Standgerichten zulässig, wenn eine Aburteilung zwingend geboten schien und das zuständige Militärgericht nicht erreichbar war. Im Juni 1943 wurde beim Reichskriegsgericht ein zentrales Sonderstandgericht für politische Strafsachen gebildet. Am 15. Februar 1945 erging die Verordnung zur Errichtung von Standgerichten, die mit einem Strafrichter, einem NSDAP-Funktionär und einem Offizier zu besetzen waren und faktisch nur zwischen Freispruch und Todesurteil zu entscheiden hatten. Dem Terror der Standgerichte (ab 9. März 1945 auch "fliegende“ Standgerichte) fielen in den letzten Kriegswochen zahlreiche Menschen (nach Schätzungen mehrere tausend) zum Opfer.
Stimmkreis
Unterteilung des bayerischen Staatsgebiets zur Durchführung der Wahlen zum Bayerischen Landtag. Nach den Grundsätzen der Bayerischen Verfassung von 1946 bilden jeder Landkreis und jede kreisfreie Gemeinde einen Stimmkreis. Im Sinne der Wahlgleichheit, nach der jeder Stimmkreis rund 102.000 Einwohner umfasst, werden einzelne Landkreise von Stimmkreisgrenzen durchschnitten. In jedem der 92 Stimmkreise wird ein Abgeordneter durch relative Mehrheitswahl direkt gewählt.
Systemzeit
im Nationalsozialismus seit 1933 üblicher Propagandaausdruck für die Weimarer Republik. Das Wort sollte in seiner Bedeutung auf das Negative und künstlich Konstruierte der Weimarer Republik hinweisen. Der Ausdruck war bereits in den 20er Jahren von konservativen Kreisen zur Diffamierung des republikanischen Staates („Novembersystem“) benutzt worden. Der nationalsozialistische Staat wurde gegenüber der als Intellektuellenstaat diskriminierten Weimarer Republik als organisch gewachsene, völkische Gemeinschaft, die auf gemeinsamem Wollen, Fühlen und Denken aufgebaut sei, dargestellt. Das Denken und das „abstrakte Wissen“ waren suspekt. In der Folgezeit wurde der Begriff „System“ auf alle möglichen missliebigen Institutionen angewandt (Systemparteien, Systempresse, Systemregierungen, Systempolitiker und andere).
USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands)
nach dem Parteiausschluss von 20 Mitgliedern der SPD, die eine weitere Billigung der Kriegskredite nicht mehr unterstützen wollten, von diesen und anderen Gleichgesinnten auf einer Oppositionskonferenz in Gotha 1917 gegründete Partei unter dem Vorsitz von Hugo Haase. Die Forderungen der USPD waren unter anderem die Aufhebung der Zensur, die Beschränkung der täglichen Arbeitszeit auf acht Stunden sowie das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht. 1920 schloss sich der linke Parteiflügel der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) an, die restliche USPD vereinigte sich 1922 wieder mit der SPD. Die USPD stellte mit Kurt Eisner den ersten Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern (08.11.1918-21.02.1919).
Verfassung
Grundordnung, Konstitution, Grundgesetz eines Staates. Die Verfassung enthält die Rechtssätze über die Einrichtung der obersten Staatsorgane und über die Handhabung der Staatsgewalt (organisatorischer Teil). Ferner legt sie das Verhältnis des Staates zu den Staatsangehörigen fest, denen sie Grundrechte (wie zum Beispiel das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Unverletzlichkeit der Person etc.) zusichern kann. Eine demokratische Verfassung wird von einer Verfassunggebenden Versammlung als Gesetz mit Vorrang vor allen anderen Gesetzen beschlossen. Im Gegensatz hierzu wurden die bayerischen Verfassungen von 1808 und 1818 ohne Mitwirkung einer Volksvertretung von der Staatsverwaltung erarbeitet und allein vom König erlassen (so genannte "oktroyierte Verfassung").
Verfassunggebende Landesversammlung
am 30. Juni 1946 in der ersten landesweiten freien und demokratischen Wahl nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Bayern gewähltes Gremium aus 180 Mitgliedern mit der alleinigen Aufgabe, die „Verfassung des Freistaates Bayern“ zu erarbeiten. Diese wurde am 26. Oktober 1946 von der Verfassunggebenden Landesversammlung verabschiedet und am 1. Dezember 1946 durch Volksentscheid mit großer Mehrheit angenommen.
Vizepräsidenten des Bayerischen Landtags
Stellvertreter des Präsidenten des Bayerischen Landtags.
völkisch
etwa 1875 aufgekommene Verdeutschung des Wortes „national“. Dem Begriff lagen im Rahmen der im 19. Jahrhundert entstandenen "völkischen Bewegung" drei Hauptkomponenten zu Grunde: 1.) die sozialdarwinistische Vorstellung vom "Kampf ums Dasein", in dem sich der Starke und Wertvolle durchsetzt, und damit verbunden 2.) die Notwendigkeit eines Kampfes um Lebensraum für das "germanische" deutsche Volk vor allem im Osten Europas und 3.) ein "rassisch" begründeter Antisemitismus, der die Juden als minderwertige Rasse und als Wurzel allen Übels im Verlauf der Weltgeschichte ansah. Hauptträger des "völkischen" Gedankens waren zunächst der 1890/91 gegründete "Alldeutsche Verband", der 1912 entstandene "Reichshammerbund" und der daraus hervorgegangene Geheimbund "Germanenorden". Diese und andere Verbände schlossen sich nach dem Ersten Weltkrieg zum "Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund" zusammen. Die "völkische" und antisemitische Gesinnung waren in der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), im Stahlhelm, im Deutschnationalen Handlungsgehilfenverein und in Teilen der deutschen Jugendbewegung weit verbreitet. Hitler und die Nationalsozialisten griffen die Ideen der "Völkischen" auf und setzten sie nach 1933 mit menschenverachtender Konsequenz in die Tat um. Um sich einer unliebsamen Konkurrenz zu entledigen, wurden die "völkischen" Vereine und Parteien vom NS-Regime "gleichgeschaltet".
Volksgerichtshof
nach dem für die Nationalsozialisten unbefriedigenden Ausgang des Reichstagsbrand-Prozesses vor dem Reichsgericht durch Gesetz vom 24. April 1934 geschaffenes Sondergericht zur Aburteilung vor allem von Hoch- und Landesverrat. Mit Gesetz vom 18. April 1934 wurde der Volksgerichtshof als ordentliches Gericht im Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes etabliert und war in der Folgezeit auch zuständig für Straftatbestände wie „schwere Wehrmittelbeschädigung", "Feindbegünstigung", "Spionage" und "Wehrkraftzersetzung". Der Volksgerichtshof urteilte in erster und letzter Instanz, Rechtsmittel gegen seine Urteile waren nicht zulässig. Von den fünf Richtern mussten nur der Vorsitzende und ein Beisitzer Berufsrichter sein, drei weitere Beisitzer waren Laien (aus Polizei, Wehrmacht und Gliederungen der NSDAP). Sämtliche Richter wurden auf Vorschlag des Reichsjustizministers von Adolf Hitler ernannt. Allein in den Jahren 1943 und 1944 verhängte der Erste Senat, der auch die Prozesse gegen die Mitglieder der Weißen Rose und die Verschwörer des 20. Juli 1944 führte, 1.600 Todesurteile. Bereits Ende 1941 hatte der Anteil an verhängten Todesurteilen beträchtlich zugenommen (bis 1940 rund fünf Prozent, ab 1942 fast 50 Prozent aller vom Volksgerichtshof gefällten Urteile). Dieser Vernichtungswille, dokumentiert durch insgesamt 5.191 Todesurteile (bei 14.319 Anklagen) in den Jahren von 1937 bis 1944, richtete sich nicht nur gegen den deutschen Widerstand, gegen "Defätisten" und "Wehrkraftzersetzer", sondern ebenso gegen Oppositionelle der besetzten Länder, aus denen nahezu die Hälfte aller Verurteilten kam. Dass Urteile des Volksgerichtshofs von deutschen Gerichten nach 1945 als nicht rechtsstaatswidrig und daher als gültig angesehen wurden, wurde als Indiz für die Unfähigkeit der deutschen Justiz zur Selbstkritik gewertet; erst 1985 erklärte der Deutsche Bundestag diese Urteile für nichtig. Die Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsurteile auf Antrag wurde durch Gesetz vom 25. Mai 1990 geregelt, mit Wirkung vom 1. Juli 1998 wurden nationalsozialistische Unrechtsurteile (besonders auch die des Volksgerichtshofs) generell durch Gesetz vom 25. August 1998 aufgehoben.
Wahlkreis
Unterteilung des bayerischen Staatsgebiets zur Durchführung der Wahlen zum Bayerischen Landtag. Nach den aktuellen Bestimmungen der Bayerischen Verfassung von 1946 bildet jeder Regierungsbezirk einen Wahlkreis. Diese Wahlkreise sind in Stimmkreise mit jeweils rund 102.000 Einwohnern unterteilt. In den Wahlkreisen werden 88 der 180 Abgeordneten über Wahlkreislisten gewählt (Listenmandat), die übrigen 92 Abgeordneten werden durch relative Mehrheitswahl direkt über die Stimmkreise gewählt (Direktmandat).
WAV (Wirtschaftliche Aufbau Vereinigung)
von der amerikanischen Besatzungsmacht im Dezember 1945 zugelassene politische Partei. Die in viele Flügel gespaltene WAV trat für einen beschleunigten Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg ein.
Wehrkraftzersetzung
im nationalsozialistischen Deutschland ein im Rahmen des Kriegssonderstrafrechts durch die Verordnung vom 17. August 1938 eingeführter Straftatbestand, der mit der Todesstrafe bedroht war. Der Tatbestand der „Wehrkraftzersetzung“ bezog sich auf öffentliche Aufforderungen zur Verweigerung des Dienstes in der Wehrmacht und alle Versuche, die "wehrhafte Selbstbehauptung" zu lähmen oder zu zersetzen. Mit fortschreitender Dauer des Zweiten Weltkriegs stufte man fast alle kritischen Äußerungen als "Wehrkraftzersetzung" ein. Neben der "Fahnenflucht" (unerlaubtes Entfernen oder Fernbleiben von der Truppe) wurde sie zur Grundlage für die meisten Todesurteile.
Zensur
zumeist durch Behörden erfolgende Prüfung der Zulassung von Veröffentlichungen in Form von Theater-, Presse-, Buch-, Film-, Bild-, oder Radiozensur. Die Zensur kann präventiv (Vorzensur) und repressiv (Nachzensur, unter anderem durch Beschlagnahme) erfolgen. In Diktaturen wird die staatliche Zensur als besonders geeignetes Mittel eingesetzt, um unliebsame Meinungsäußerungen und Veröffentlichungen von Kritikern und Regimegegnern zu unterdrücken.
Zentrum (Bayerische Zentrumspartei)
aus der Bayerischen Patriotenpartei 1887 hervorgegangene katholisch-konservative Partei. Die Bayerische Zentrumspartei vertrat vor allem die Interessen der ländlichen sowie der kleingewerblichen und mittelständischen Bevölkerungsgruppen. Die Namensänderung ("Zentrum") erfolgte in Angleichung an die gleichnamige katholische Partei auf Reichsebene, mit der sie eine Fraktionsgemeinschaft bildete, und bezog sich auf ihren Platz in der Mitte des Abgeordnetensaals. In Bayern hatte sie in der Kammer der Abgeordneten bis 1918 die Mehrheit der Sitze. Sie kämpfte gegen "preußischen" Zentralismus und Nationalismus im Reich. Außerdem wandte sich die Partei besonders in der Schulpolitik gegen den Liberalismus, weswegen sie bis zum Ersten Weltkrieg in Gegensatz zu den liberal geprägten Regierungen in Bayern stand. Eine besondere Verbindung zur katholischen Kirche zeigte sich im beachtlichen Anteil (um 1900: 19 von 83 Abgeordnete) an Geistlichen in der Fraktion. Die Bayerische Zentrumspartei hatte einen linksgerichteten "bäuerlich-demokratischen-partikularistischen" Flügel, dessen Führer Georg Heim und Heinrich Held waren, sowie einen rechtsgerichteten konservativ-adligen Flügel unter Georg Graf von Hertling, der reichsfreundlicher war und die Unterstützung der hohen Geistlichkeit fand. 1918 wurde die Partei unter der Bezeichnung "Bayerische Volkspartei" (BVP) neu gegründet.
Zuchthaus
Strafanstalt zur Vollstreckung der Zuchthausstrafe. Bei der Zuchthausstrafe bestand – im Unterschied zur Gefängnisstrafe und zur Einschließung – Arbeitspflicht, sie zog die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter und meistens die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte nach sich. Sie galt als entehrend, ein Zuchthäusler erhielt nur schwer neue Stellung und Wohnung. Die Zuchthausstrafe ist in der BRD durch das erste Strafrechtsreformgesetz vom 25. Juni 1969 abgeschafft worden, weil sie wegen der genannten Wirkungen der Haftverschärfung (auch Einzelhaft konnte verhängt werden) einen modernen Resozialisierungsstrafvollzug nicht gestattet und die Wiedereingliederung des entlassenen Strafgefangenen in die Gesellschaft zusätzlich erschwert. Heute gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nur noch eine einheitliche Freiheitsstrafe.
Ökonomierat
ehemals Titel für verdiente Landwirte und Beamte landwirtschaftlicher Körperschaften.
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