„Wer hat an der Uhr gedreht?“ – Landtagspräsidentin Barbara Stamm eröffnet neue Ausstellung
Dienstag, 7. Juli 2015
Geschwindigkeit und Beschleunigung sind augenscheinlich anerkannte Normen des 21. Jahrhunderts. Immer und überall geht es darum, effizienter und schneller zu werden. Die Gesellschaft ist auf Hochgeschwindigkeit getrimmt, und es ist schwer, nicht mitzumachen. „Stress und Hektik prägen den Alltag. Wir werden bestimmt von Uhren und Terminkalendern“, stellte Landtagspräsidentin Barbara Stamm in ihrem Grußwort fest. Sie verwies unter anderem auf die Rushhour des Lebens – eine Phase, in der tausend Dinge gleichzeitig passieren müßten: Familiengründung, Karriere, Planung der Zukunft etc. Die Landtagspräsidentin plädierte dafür, trotz vielfältiger terminlicher Zwänge immer wieder ganz bewusst Entschleunigung zu suchen.
„Time is Honey“ statt „Time is Money“
Dass die Zeit bereits seit dem Urknall drängt – das zeigte Prof. Dr. Harald Lesch, Ludwig-Maximilians-Universität München, in einem sehr kurzweiligen und unterhaltsamen Vortrag auf. Demnach dehnt sich das Universum, seit es vor 13,82 Milliarden Jahren seinen Anfang genommen hat, immer weiter aus. Die dem Prozess zugrunde liegende Quantenphysik habe technologisch mittlerweile auch in unsere Alltagsgegenstände – etwa dem Smartphone – Einzug gehalten. Und weil die Menschen dank dieser modernen Technologien über immer mehr Handlungsoptionen verfügten, würden sie immer mehr Aktivitäten in immer kleinere Einheiten zwängen: „Obwohl unsere Lebenserwartung steigt und wir immer älter werden, beschleunigen wir immer mehr“, erklärte der Professor. Diesem realen Widerspruch stellte Lesch eine wunderbare Utopie gegenüber, in der der Grundsatz „Time is Money“ durch „Time is Honey“ ersetzt wird. In einer solchen Welt, so Lesch, hätten Kinder keinen Zeitdruck bei Schulabschlüssen, Termine würden aussterben, Menschen hätten Zeit, zuzuhören, und auf den Autobahnen würde nur 100 Stundenkilometer schnell gefahren. In einer solchen traumhaften Welt, so Lesch, würde Zeit nicht mehr gemessen. Stattdessen würde aus Zeit Lebensqualität.

Rainer Büschel vom KOMM Bildungsbereich, einer Vereinigung in Nürnberg, die Schwerpunkte in der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung setzt und die Ausstellung konzipiert hat, gab einen Überblick zu den Themen von „Wer hat an der Uhr gedreht?“. Auch er konstatierte, dass der Satz „Ich habe keine Zeit“ zum Ausweis des modernen Menschen geworden sei. Zunehmend werde der Takt durch die Technik mitbestimmt oder letztlich sogar bestimmt.
Immer weniger Zeit – auch für die Demokratie
Dass sogar für die demokratischen Prozesse in der parlamentarischen Demokratie immer weniger Zeit bleibe, kritisierte Ulli Kuhnle, ebenfalls vom KOMM Bildungsbereich. Kuhnle führte aus, dass im Deutschen Bundestag für ein Gesetz – von der Einbringung des Entwurfs bis zur Verabschiedung – durchschnittlich 225 Tage Zeit benötigt werden. Mit Blick auf diese relativ lange Zeitspanne bestehe die Gefahr, so Kuhnle, dass politische Entscheidungen immer häufiger unter Umgehung der Parlamente getroffen würden. Der Referent schloss mit der vom Zeitforscher Hartmut Rosa provokativ gestellten Frage, ob Politik nur dann beschleunigungsfähig sei, wenn sie etwa auf Demokratie verzichtet.
Anhand von Texten, Objekten und Rauminstallationen werden in der Ausstellung eine Vielzahl technischer, sozialer und organisatorischer Facetten zum Phänomen „Zeit“ gezeigt. Philosophen und Theologen kommen dabei genauso zu Wort wie mathematische Gelehrte und Zeitforscher der Gegenwart.
„Probier´s mal mit Gemütlichkeit“
Die Vernissage wurde musikalisch eindrucksvoll umrahmt mit Musikstücken ebenfalls zum Thema „Zeit“. Die Sopranistin Diana Fischer, Mitglied im Chor des Bayerischen Rundfunks, und Martin Steinlein, Pianist im Nünberger Ensemble „FUNtastic Classic“, interpretierten unter anderem „As time goes by“, „Wer hat an der Uhr gedreht“ und „Probier´s mal mit Gemütlichkeit“.
Die Ausstellung „Wer hat an der Uhr gedreht“ ist bis 24. Juli 2015 im Ausstellungsfoyer des Maximilianeums zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 9 bis 16 Uhr, Freitag von 9 bis 13 Uhr. An Wochenenden sowie an Feiertagen kann die Ausstellung nicht besichtigt werden. Verkehrsverbindung Linien U4 / U5 Station Max-Weber-Platz oder Tram Linie 19, Haltestelle Maximilianeum.
Der Eintritt ist frei.