Landtagspräsidium besucht die Schweiz

Zürich, 15. September 2015

– Von Dr. Anton Preis –



Das Präsidium des Bayerischen Landtags reiste von 15. bis 17. September zu politischen Gesprächen in die Schweiz. Ein wichtiges Thema in den Gesprächen war die Asyl- und Flüchtlingspolitik, daher besuchte das Landtagspräsidium auch das Bundesasylzentrum Juch. Weitere Themen waren Flug- und Bahnverkehr sowie die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bayern und der Schweiz.

Landtagspräsidentin Barbara Stamm betonte im Vorfeld: „Gerade in diesen herausfordernden Zeiten, in denen so viele Menschen auf der Flucht sind und Schutz in Europa suchen, müssen wir mit all unseren Nachbarstaaten einen engen politischen Austausch pflegen.“

Neben der Landtagspräsidentin gehörten I. Vizepräsident Reinhold Bocklet, Vizepräsident Peter Meyer und die Präsidiumsmitglieder Hans Herold und Reserl Sem zur Delegation. Auf dem Programm standen zunächst Gespräche mit der Präsidentin des Kantonsrats Zürich, Theres Weber-Gachnang, und weiteren Mitgliedern des Rates. Die Kantonsratspräsidentin freute sich über den Besuch der Delegation aus Bayern und stellte im Zürcher Rathaus die politischen Schwerpunkte, die den Kanton zurzeit bewegen, vor. Besonders der Ausbau der Bahnstrecke München-Zürich liegt den Politikern dort am Herzen, zumal da der Güterverkehr noch mehr zunehmen werde. Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet legte dazu den aktuellen Sachstand von bayerischer Seite aus dar. Darüber hinaus erkundigten sich die Schweizer Abgeordneten über die Modalitäten im bayerischen Luftverkehr, da auch in Zürich ein Nachtflugverbot gilt. Landtagspräsidentin Barbara Stamm freute sich über die freundliche Aufnahme der bayerischen Delegation und betonte das grundsätzliche Anliegen des Landtags, dass nicht nur Regierungen, sondern auch Parlamente regelmäßig Kontakt zueinander pflegen sollten.

In Bern traf das Landtagspräsidium mit Mitgliedern der Delegation für Beziehungen zum Deutschen Bundestag unter der Leitung von Dr. Kathy Riklin zusammen. Ein Hauptthema war die Infrastrukturfähigkeit von Bayern und der Schweiz im Zeichen von direkter Bürgerbeteiligung. Tenor war, dass die Schweiz trotz breiter Beteiligungsmöglichkeiten, die die direkte Demokratie bietet, durchaus noch große Infrastrukturprojekte durchsetzen könne. Erfolgsrezepte seien die Entpolitisierung der planerischen und baulichen Abwicklung solcher Projekte.  Gerichtsverfahren würden weniger bei möglichen Umwelt- oder Lärmbelastungen, sondern eher bei Eigentumsfragen Thema. Auch die Energiewende in Deutschland wurde bei den Gesprächen intensiv diskutiert. Dabei wirken sich die niedrigen Strombörsen-Preise wie in Deutschland auch auf die Schweiz aus, die einen Anteil von 60 Prozent Wasserkraft an der elektrischen Energieerzeugung aufweisen kann.
Im Parlamentsgebäude hatten die bayerischen Abgeordneten die Gelegenheit, Sitzungen jeder der beiden Kammern beizuwohnen. Im Nationalrat wurde ein Forstgesetz diskutiert, im Ständerat, in dem die Kantone mit je zwei Mitgliedern gleichermaßen vertreten sind, ging es um eine aktuelle Rentenfrage.
Die direkte Demokratie und die bayerisch-schweizerischen Wirtschaftsbeziehungen waren Themen des Briefings durch den Gesandten der Bundesrepublik Deutschland in der Schweiz, Hans Günther Mattern und den Repräsentanten des Freistaats Bayern in der Schweiz, Ralf Bopp, der in der AHK in Zürich angesiedelt ist. Besonders interessiert waren die bayerischen Abgeordneten an dem durchaus funktionierenden Wettbewerbsföderalismus zwischen den Kantonen. Zwar gebe es auch hier einen Finanzausgleichsmechanismus, der aber keine Anreize zu nachhaltigem Haushalten zunichte mache, erklärte Mattern. Trotz des starken Schweizer Frankens sei die deutsche Exportwirtschaft aufgrund der Wechselkursfreigabe und der damit einhergehenden Verunsicherung in der Schweizer Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen worden, so der Tenor in den Gesprächen. Sorge bereitet beiden Seiten auch die Konsequenz des Referendums zur Zuwanderung von Fachkräften in die Schweiz, da auch hier dauerhaft hoher Fachkräftebedarf herrscht.

Das Thema Asyl war besonders am letzten Tag der Reise prägend. Das Präsidium besuchte dazu das Asylverfahrenszentrum Juch in Zürich, bei dem – derzeit noch im Testbetrieb – unter einem Dach komplette Asylverfahren abgewickelt werden. Ziel ist, die Verfahren zu beschleunigen und die Aufenthaltsdauer dadurch auf höchstens 140 Tage zu begrenzen, bis eine Entscheidung herbeigeführt ist. Das Ganze geschieht auf Basis einer eigens geschaffenen gesetzlichen Grundlage. Pius Betschart vom Staatssekretariat für Migration im Schweizer Justizministerium, der Vorsteher der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich (Justizminister) Mario Fehr und Claudio Martelli als Leiter des Testbetriebs standen der bayerischen Delegation Rede und Antwort. „Dublin gilt“, war Tenor der Schweizer Seite. Einen Vorteil sahen alle Beteiligten darin, dass der Bund die Registrierung und Verteilung der Asylbewerber in sechs Bundeszentren übernimmt. Auch der unentgeltliche Rechtsschutz habe sich als vorteilhaft erwiesen. Dabei sind nicht nur zugelassene Rechtsanwälte, sondern auch ausgebildete Juristen ohne Anwaltszulassung aktiv. Landtagspräsidentin Barbara Stamm kündigte an, dass die bayerische Seite die Entwicklung des Testbetriebs in Zürich genau beobachten und mit den Schweizern bezüglich Lerneffekten in Kontakt bleiben werde. Vizepräsident Reinhold Bocklet lud die Anwesenden ein, auch in Bayern bei Gelegenheit als Experten zu referieren und aktuelle Erfahrungen weiterzugeben.




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