"Landtag im Gespräch" über Raumfahrt made in Bavaria

Satelliten und Raumfahrt als unverzichtbare Elemente für die digitale Welt

6. November 2024

MÜNCHEN.    "Star Wars" sei keine Science-Fiction mehr, warnte Landtagspräsidentin Ilse Aigner in der Veranstaltung "Landtag im Gespräch". Der Krieg in den Sternen laufe bereits auf Hochtouren mit Satelliten, Macht, Geld und Informationskontrolle. Ein Wettlauf der Raumfahrt-Technologie fordere Bayern heraus.

Das Interesse am Thema war so groß, dass zunächst die Sitzplätze im Senatssaal des Maximilianeums nicht ausreichten und zusätzliche Stühle aufgestellt wurden. Diese Faszination für den Weltraum teilte das Publikum mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Das Weltall mit seinen unendlichen Weiten sei für sie in ihrer Kindheit und Jugend so beeindruckend gewesen, dass sie Astronautin werden wollte, gestand die Landtagspräsidentin. In ihrer Begrüßung zur Veranstaltung "Landtag im Gespräch" über Raketen, Satelliten und Cyberdefense machte Aigner ihre ganz persönliche Begeisterung für den Weltraum deutlich. Sie erinnerte nicht nur an die Mondlandung, sondern auch an legendäre Sätze wie "Beam me up, Scotty" aus der Fernsehserie "Raumschiff Enterprise", das "völlig losgelöst" im Song "Major Tom" von Peter Schilling oder den Blick auf unseren Planeten "wie a Schusserl, so kloa" der bayerischen Band Dreiviertelblut. 

Schattenseite der Informations-Revolution

Trotz aller Weltraum-Romantik, so die Landtagspräsidentin, sei das All heiß umkämpft, "vor allem, wer, wie viel, wovon im All platziert – und was damit gesendet wird". Zehntausende Satelliten umkreisen aktuell die Erde, auch, um schnelles Internet zu garantieren. Sie sind die Basis unserer Kommunikation und Information. Doch die Hoffnung dadurch einen Booster für die Demokratie gewonnen zu haben, habe sich nicht erfüllt, sagte Aigner. Vielmehr trete die Schattenseite der Informations-Revolution zutage: Desinformation in Gestalt von Fake News, Hacks und Leaks, Nachahmer-Webseiten, Deep Fakes, Sabotage, Cyberangriffen oder Staatspropaganda autoritärer Staaten. Vor dem Hintergrund der US-Präsidentschaftswahlen erklärte sie: “Auch bei Wahlen hierzulande und in anderen europäischen Ländern haben wir in unterschiedlichem Ausmaß erlebt, wie mit Falschmeldungen und Desinformations-Kampagnen versucht wurde, das Ergebnis zu beeinflussen.”

Wettlauf in der Raumfahrt-Technologie

Aigner warnte neben der Beeinflussung von Wahlen zugleich vor Cyberangriffen mit wirtschaftlichen und politischen Schäden sowie vor hybrider Kriegsführung. Ihr Appell: "Wir müssen vollkommen konzentriert sein, wachsam, wehrhaft und wettbewerbsfähig in diesem Wettlauf in der Raumfahrt-Technologie." Der Freistaat habe das verstanden und hohe Millionenbeträge investiert. Bayern zählt mittlerweile zu den weltweit wichtigsten Standorten, an denen solche Technologien entwickelt, gebaut und verwertet werden.

Raumfahrt auch aus Staatsinteresse

Zwei Astronauten und ein General standen im anschließenden Podiumsgespräch moderiert von Christian Deutschländer, dem stellvertretenden Chefredakteur beim Münchner Merkur, Rede und Antwort. Nach Ansicht des ESA-Astronauten Dr. Matthias Josef Maurer, betreiben wir aus zwei Gründen Raumfahrt. Zum einen, weil uns Fragen nach dem Unbekannten umtreiben, ob es Leben im All gibt oder wie das Leben auf die Erde kam. Zum anderen aber auch aus Staatsinteresse. “Der Weltraum ist wichtig für die Sicherheit und als Wirtschaftsfaktor.”

Professor Dr. Ulrich Walter vom Lehrstuhl für Raumfahrttechnik an der TU München verwies darauf, dass das meiste Geld in Satelliten und Raketen gesteckt werde, um an Daten zu kommen und es im All sehr stark um Erdbeobachtung gehe. Walter, der 1993 an einer Mission in einem Space Shuttle beteiligt war, warb für ein Geodaten-Zentrum, das zum Wohl der Gesellschaft Daten sammeln und zusammenführen soll. Diese Daten, die aus verschiedenen Datenebenen gesammelt werden, könnten beispielsweise in der Präzisions-Landwirtschaft helfen, bis zu 17 Prozent Dünger einzusparen und den Ertrag um bis zu 15 Prozent zu steigern. Eine weitere Anwendung sei die Simulation von Hochwasserständen: “Wir können auf zehn bis 15 Zentimeter Höhe genau sagen, wo, was, wie hoch ist.”

Stille Angriffe

Vor hybriden Bedrohungen warnte General Rainer Simon, Kommandeur im Ausbildungszentrum Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr. Satelliten, Luft- und Schiffsverkehr werden Simon zufolge gestört, Antennen werden geblendet. Gefahr gehe vor allem von Russland und China aus und von allen, die über die Fähigkeit verfügten, elektromagnetische Wellen zu stören. "Es geht um die Erhöhung des Bewusstseins dafür, dass neben militärischen Aspekten eben auch gesamtgesellschaftliche, gesamtstaatlich notwendige Diskussion geführt werden müssen über die Abhängigkeit von der Dimension Weltraum." 

"Wilder Westen" im All?

Mit Blick auf möglicherweise zukunftsweisende Anwendungen aus der Weltraumforschung berichtete Dr. Maurer von der Züchtung von Organoiden im All. Weil Tumorzellen dort schneller mutieren, könnte das bei der Entwicklung von Medikamenten helfen. Einfacher sei auch die Herstellung hochreiner Glasfasern. 

Zur Kommerzialisierung der Raumfahrt herrschte keine einhellige Meinung unter den Podiumsgästen. Während Maurer vor Chaos und einem "Wilden Westen im All" sowie einer Zunahme von Weltraumschrott warnte und für ein klares Regelwerk plädierte, betonte Professor Walter auch Vorteile des privaten Engagements. Das Starlink-Satellitennetzwerk von Elon Musk, solle beispielsweise schnelles Internet in jedem Winkel der Erde zugänglich machen. Walter mahnte aber ebenfalls Regeln an. General Simon plädierte für Alternativ-Lösungen, um nicht von Musk abhängig zu sein, der sich möglicherweise nicht an Regeln halte.

Weltraum als Ressource

"Ohne Satellitentechnologie würde unser Alltagsleben zusammenbrechen", erklärte Maurer. Diese kritische Infrastruktur müsse geschützt werden. Deshalb sei es nötig, mittels der in Europa vorhandenen Expertise, künftig mit Raketen selbst Fracht ins All zu bringen, um den Zugang dorthin unabhängig zu sichern.

Für die militärische Nutzung des Alls seien Kommunikationssatelliten essentiell, erklärte General Simon. Sein Appell: Fähigkeiten zu entwickeln, um auch gegnerische Satelliten stören und ausschalten zu können. Der Weltraum sei eine Ressource, die wir schützen müssen, forderte Maurer. 
Eine wichtige Zukunfts-Technologie sei verschlüsselte Kommunikation, die per Quantenkryptographie über Satellit ausgetauscht werde. 

In der Reihe "Der Landtag im Gespräch ..." äußern sich Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens zu Themen der Zeit.

Weitere Bilder der Veranstaltung in den → Pressefotos.

/ Miriam Zerbel 

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