Gesundheits- und Sozialausschuss: Expertenanhörung zum Gesetzentwurf für ein Bayerisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz

Dienstag, 24. April 2018

– Von David Lohmann –

Selten führte ein Gesetzentwurf zu so einem großen Echo in der Öffentlichkeit wie der für das Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG). Kritiker bemängelten, dieser würde psychisch Kranke unter Generalverdacht stellen und der Polizei Einsicht in Patientendaten ermöglichen. Die Staatsregierung betonte, der Gesetzentwurf sei maßgeschneidert auf einen kleinen Teil psychisch kranker Menschen, die sich oder andere konkret gefährden. In einer gemeinsamen Sitzung des Gesundheits- und Sozialausschusses wurde mit Experten diskutiert, ob Änderungen an dem Entwurf nötig sind. Fazit: Ja, sehr viele.

Das geplante BayPsychKHG ist in zwei Teile aufgegliedert. Im ersten geht es darum, die Hilfe für psychisch Kranke zu verbessern, um eine Unterbringung zu vermeiden. Wichtigster Baustein dabei ist die landesweite Einführung von Krisendiensten. Das wurde in der Anhörung von allen Seiten begrüßt. „Dadurch können wir wohnortnahe Angebote schaffen und zum Beispiel Krisentelefone einrichten“, sagte Bezirkstagspräsident Josef Mederer. „Großartig“ nannte es Prof. Dr. Peter Brieger, ärztlicher Direktor des kbo-Isar-Amper-Klinikums München-Ost, dass die Krisendienste in die Regelversorgung aufgenommen werden sollen. Lediglich die psychiatrische Versorgung von Krisendiensten in Justizvollzugsanstalten sei unrealistisch. Karl Heinz Möhrmann, Vorsitzender des Bayerischen Landesverbands der Angehörigen Psychisch Kranker, wünschte sich mehr konkrete Maßnahmen für von Gewalt betroffene Frauen sowie für die besondere Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Uneinig waren sich die Experten, ob die Polizei verpflichtend bei jeder Unterbringung eines psychisch Kranken den Krisendienst hinzurufen muss.

Änderungen am Gesetzentwurf sind bereits angekündigt

Besonders strittig war der zweite Teil des BayPsychKHG, der die Unterbringung von psychisch Kranken regelt. In einer Unterbringungsdatei sollen die Daten von allen auf Anordnung eines Gerichts in die Psychiatrie eingewiesenen Menschen gespeichert werden. Parallel zur Expertenanhörung kündigte die Staatsregierung allerdings an, diese ersatzlos zu streichen. Weiterhin bestehen bleiben soll jedoch die Meldepflicht an die Polizei, wenn psychisch Kranke entlassen werden. „Das darf nicht zum Ersatz für die Unterbringungsdatei werden“, sagte Präsidialmitglied Celia Wenk-Wolff vom Bayerischen Bezirketag. Die Meldepflicht gehe aufgrund der wenigen gefährlichen Einzelfälle sowieso an der Realität vorbei, meinte Prof. Dr. Oliver Pogarell vom Klinikum der Universität München. Auch Bayerns Datenschutzbeauftragter Prof. Dr. Thomas Petri mahnte, „die Meldepflichten unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit nochmal in den Blick zu nehmen“. Polizeidirektor Oliver Etges vom Münchner Polizeipräsidium forderte hingegen, die geplante Meldepflicht beizubehalten. Nur so könne die Polizei prüfen, ob nach der Entlassung – vor allem von sogenannten Fremdgefährdern – weitere Schutzmaßnahmen nötig seien.

Kritik an ungenauen Begrifflichkeiten

Ein weiterer Kritikpunkt war, ab wann Personen eingewiesen werden können. Davor Stubican vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Bayern störte sich insbesondere an dem schwammigen Begriff „Gefährdung des Allgemeinwohls“ im Gesetzentwurf. „Dadurch wird der Personenkreis massiv ausgeweitet“, sagte er. Das gebe es sonst in keinem anderen PsychKHG in Deutschland. Prof. Dr. Peter Falkai, Direktor der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München, mahnte, die Grenze genauer zu definieren. „Nur so kann im Nachhinein rekonstruiert werden, warum eine Unterbringung stattgefunden hat.“ Margarete Blank vom Bayerischen Landesverband Psychiatrie-Erfahrener ergänzte aus eigener Erfahrung: „Wer gegen seinen Willen eingeliefert wurde, hat 20 Jahre damit zu kämpfen.“ Richter Dr. Ragnar Schneider vom Amtsgericht München regte des Weiteren an, die Voraussetzungen zur Fixierung psychisch Kranker zu überarbeiten: „Die derzeitige Regelung in Bayern ist nicht verfassungsgemäß.“ Dr. Rolf Marschner von der Bayerischen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie verlangte darüber hinaus, jegliche Bezugnahme zur Sicherheitsverwahrung und zum Maßregelvollzug aus dem PsychKHG zu streichen.

„Es gibt noch großen Handlungsbedarf"

„Wir sehen aufgrund der Stellungnahmen, dass es gerade im Unterbringungsteil noch großen Handlungsbedarf gibt“, sagte der Vorsitzende des Sozialausschusses, Joachim Unterländer (CSU). Der Vizevorsitzende des Gesundheitsausschusses, Bernhard Seidenath (CSU), versprach, dass es von seiner Fraktion viele Änderungsanträge zum Gesetzesentwurf geben werde. Zum einen solle das Ziel der Heilung von Patienten denselben Stellenwert wie die Gefahrenabwehr bekommen. „Zweitens wird das Bayerische Maßregelvollzugsgesetz parallel zum PsychKHG bestehen bleiben“, versicherte er. Die Einführung von Untersuchungsbeiräten soll gestrichen und stattdessen die bestehenden Besuchskommissionen weiterentwickelt werden. Auch eine doppelte Aktenführung werde es nicht geben, wenn die Unterbringungsdatei abgeschafft wurde. Die Änderungen decken sich weitgehend mit denen der CSU-Staatsregierung. Gesundheitsausschussvorsitzende Kathrin Sonnenholzner (SPD) wertete das Einlenken wie ihre Oppositionskollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FREIE WÄHLER als „großen Erfolg“.

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