Gespräch mit dem Vorsitzenden des EU-Landwirtschaftsausschusses Norbert Lins

Agrarpolitische Sprecher der Landtagsfraktionen informieren sich über aktuelle Fragen

Mittwoch, 14. Oktober 2020

Nächste Woche stimmt das Europäische Parlament über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab. Ursprünglich wollte der Landwirtschaftsausschuss des Bayerischen Landtags daher nach Brüssel reisen, doch die steigenden Corona-Zahlen vereitelten den Plan. Um im Vorfeld der Abstimmung dennoch die drängendsten Fragen beantwortet zu bekommen, war der Vorsitzende des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung im Europäischen Parlament, Norbert Lins (CDU/EVP), den agrarpolitischen Sprechern der Landtagsfraktionen per Video zugeschaltet.

Bayerns Landwirtschaftsausschussvorsitzender Dr. Leopold Herz (FREIE WÄHLER) interessierte sich vor allem für den kommenden EU-Haushalt. Die Verhandlungen waren festgefahren, der neue Agrarhaushalt soll daher erst 2022 oder 2023 gelten. „Die bayerischen und europäischen Landwirte brauchen Planungssicherheit“, sagte Herz. Außerdem sei von Etatkürzungen in der Landwirtschaft von bis zu zehn Prozent die Rede. EU-Ausschusschef Lins beruhigte, in Brüssel werde bei den Haushaltsverhandlungen vor allem bei Themen wie Grenzschutz oder Gesundheit gestritten, weniger über die Agrarzahlungen. Diese würden mit voraussichtlich 390 Milliarden Euro genauso hoch wie im letzten Haushalt ausfallen. „Da durch den Brexit ein großer Nettozahler wegfällt, können wir mit diesem Budget zufrieden sein“, sagte Lins.

Während es im Norden Deutschlands viele Mega-Ställe gibt, ist die Höfe-Struktur in Bayern eher kleinteilig. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Martin Schöffel (CSU) wollte daher wissen, wie es mit der Umverteilung der Direktzahlungen zugunsten kleinerer Landwirtschaftsbetriebe aussieht. Aktuell erhalten 20 Prozent der Landwirte zusammen rund 80 Prozent der Direktzahlungen. Lins antwortete, dass sich seine Fraktion bei dem Thema nicht durchsetzen konnte. Die EVP hatte gefordert, sieben Prozent der Gelder von oben nach unten umzuverteilen – davon hätten alle Betriebe bis 130 Hektar profitiert, also besonders die in Bayern und Baden-Württemberg. Stattdessen soll es jetzt bei den Direktzahlungen eine Kappungsgrenze bei Beträgen ab 100.000 Euro geben.

Gisela Sengl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hielt Direktzahlungen grundsätzlich für das falsche Mittel – selbst der Europäische Rechnungshof habe diese bereits kritisiert. Stattdessen sollten die Gelder stärker an Umwelt-, Klimaschutz- und Tierschutzmaßnahmen der Landwirte geknüpft werden. Lins betonte, dass jetzt 30 Prozent der Direktzahlungen für sogenannte Eco-Schemes, also den Umweltschutz, eingesetzt werden sollen. „Das sehen wir als Kompromiss.“ Einen parteipolitischen Streit im EU-Parlament gibt es laut Lins aber bei der Biodiversität. Während die Parteien links der Mitte nur noch halb so viel chemischen Pflanzenschutz und 20 Prozent weniger Dünger, dafür 25 Prozent Ökolandbau wollen, hält Lins‘ EVP das für rechtlich problematisch und sorgt sich um negative Konsequenzen auf die Ernährungssicherheit.

Ruth Müller (SPD) interessierte sich für den sogenannten Grünlandumbruch. Da der Anteil der Wiesen und Weiden bis 2013 kontinuierlich zurückgegangen ist, muss Ackerland im Rahmen der EU-Greening-Auflagen alle fünf Jahre umgepflügt werden, um nicht zum schützenswerten Dauergrünland zu werden – zum Leidwesen der Landwirte. Lins machte Müller wenig Hoffnung auf eine Änderung, die EU-Kommission sei sehr strikt in ihren Vorgaben. Ganz anders sieht es hingegen bei der Milchproduktion aus, auf die sich Müllers zweite Frage bezog. Um die Preise zu stabilisieren, setzt sich die EU-Kommission für eine verpflichtende Reduzierung der Milchmengen ein. Das lehnen laut Lins aber die bürgerlichen Fraktionen im EU-Parlament als zu großen Eingriff in die unternehmerische Freiheit ab.

Christoph Skutella (FDP) wollte wissen, wie im GAP auf die gesellschaftliche Veränderung im Bereich Ökologie reagiert wird. „Wird neben den Direktzahlungen mittelfristig auch die zweite Säule gestärkt?“, fragte er. Diese umfasst Förderprogramme für die nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung. Lins verneinte: „Dafür gibt es keine Mehrheiten.“ Die Mitgliedsstaaten könnten aber Mittel von der ersten in die zweite Säule umschichten. Allerdings könnte das zu Problemen bei der Wettbewerbsfähigkeit für die Landwirte in den jeweiligen Ländern führen. „Die, die voranschreiten, hätten dann das Nachsehen.“

David Lohmann

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