Bericht der Staatsregierung zur Einstellung der wiederaufgenommenen Ermittlungen wegen des Oktoberfestattentats

Staatsminister Joachim Herrmann im Rechtsausschuss

24.09.2020

Fast genau 40 Jahre nach dem Attentat auf das Münchner Oktoberfest hat Staatsminister Joachim Herrmann vor dem Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags über die Einstellung der im Jahr 2014 wiederaufgenommenen Ermittlungen berichtet. Herrmann betonte in seinen Ausführungen, dass aus seiner Sicht die Straf- und Ermittlungsbehörden alles in ihrer Macht stehende versucht hätten, um Widersprüche auszuräumen, neue Aspekte zu erheben und mit innovativen Methoden der Spurensicherung mehr Klarheit in das Tatgeschehen des Terroranschlags vom 26. September 1980 zu bringen. Die Abgeordneten diskutierten in der anschließenden Aussprache unter anderem über noch immer ungeklärte Detailfragen zu dem Verbrechen, die Entschädigung der Opfer und den Umgang mit rechtsextremistischen Straftaten in den vergangenen Jahren.

„Das Oktoberfestattentat ist ein Thema, das uns hier im Ausschuss schon sehr sehr oft beschäftigt hat“, stellte die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Petra Guttenberger, zu Beginn der Sitzung fest. Sie brachte zum Ausdruck, dass die Mitglieder des Ausschusses über die Wiederaufnahme der Ermittlungen zu der Tat sehr froh gewesen seien: „Was wir aus rechtstaatlicher Sicht tun konnten, das ist geschehen.“

Innenminister Joachim Herrmann stellte anschließend in einem ausführlichen Bericht die wesentlichen Hauptermittlungskomplexe dar und ging auf Fragestellungen ein, die sich im Zusammenhang mit in der Vergangenheit gestellten Anträgen der Fraktionen im Landtag ergeben hatten. Herrmann unterstrich gleich zu Beginn: „Wenngleich das Attentat nun vier Jahrzehnte zurückliegt, müssen Opfer und die Hinterbliebenen noch mit den psychischen und physischen Folgen leben. Und nicht wenige Opfer leiden noch heute unter den Ereignissen von damals.“

Nun ist klar: Es war ein rechtsterroristischer Anschlag

Er habe als bayerischer Innenminister die Wiederaufnahme der Ermittlungen im Jahr 2014 von Anfang an unterstützt. „Trotz der intensiven Arbeit hat der Generalbundesanwalt allerdings nun nach mehr als fünf Jahren umsichtigster Ermittlungen am 6. Juli 2020 das Verfahren erneut eingestellt“, so Herrmann. In seinem Bericht ging der Minister auf den Umfang der Ermittlungen in den 1980er-Jahren ein und auch auf den Grund für deren Wiederaufnahme: Opferanwalt Dietrich hatte einen Hinweis auf eine bis dato unbekannte Zeugin geliefert. Infolge zahlreicher Anfragen an diverse Behörden seien dann Aktenbestände im Umfang von mehr als 300.000 Seiten gesichtet und ausgewertet worden. Zudem sei auf Basis von 2600 Lichtbildern eine äußerst aufwändige 3D-Tatortrekonstruktion erstellt worden. Mit Blick auf den enormen Ermittlungsaufwand stellte Herrmann fest: „Bayerische Polizei und Generalbundesanwalt haben im Rahmen der Wiederaufnahme alles Menschenmögliche dafür getan, um das damalige Tatgeschehen bestmöglich aufzuarbeiten.“

Als elementares Ergebnis der Wiederaufnahme bewertete der Innenminister die in der Einstellungsverfügung festgehaltene rechtsextremistische Tatmotivation von Gundolf Köhler. Diese Qualifizierung habe bisher gefehlt und sende ein wichtiges Signal in die Bevölkerung. Insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten schrecklichen Anschläge von Halle und Hanau sei dies wichtig. Herrmann räumte gegen Ende seines Berichtes ein, dass manche Frage aber wohl leider unbeantwortet bleiben werde.

Ein Fonds für die Entschädigung der Opfer

Mit Blick auf das Leid der Opfer sagte der Innenminister: „Aufgrund der Einstufung des Attentats als rechtsextremistisch motiviert wollen Bund, Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München einen gemeinsamen Fonds in Höhe von 1,2 Millionen Euro einrichten. […] Damit sollen die Betroffenen angesichts ihres fortdauernden Leids eine weitere Anerkennung durch den Staat erfahren“, so Herrmann.

In der folgenden Aussprache äußerte Florian Ritter (SPD) den Wunsch, den Generalbundesanwalt selbst in den Ausschuss einzuladen, um weitere Aspekte der Ermittlungsergebnisse zu erhalten, die dem Innenminister noch nicht zur Verfügung standen. Ritter erkundigte sich unter anderem auch nach dem Umfang der an den Generalbundesanwalt übereigneten Unterlagen. Herrmann versicherte, dass diese vollumfänglich zur Verfügung gestellt wurden.

Welche Lehren können gezogen werden?

Cemal Bozoğlu (Bündnis 90 / Die Grünen) gab zu bedenken, dass eine frühzeitigere Einordnung des Attentats in das rechtsextremistische Spektrum vielleicht Verbrechen wie die NSU-Attentate oder das Olympia-Einkaufszentrum-Attentat verhindern hätte können. Er äußerte die Erwartung, dass diese Einordnung künftig schneller erfolgen sollte.

Alexander Hold (FREIE WÄHLER) unterstrich noch einmal, wie sehr der größte rechtsextremistische Anschlag im Nachkriegs-Bayern die betroffenen Angehörigen bis heute bewege: „Für die ist es gut, zu wissen, dass auch uns die Versäumnisse und die damaligen Fehler der Ermittlungen noch bewegen.“ Mit Blick in die Zukunft ergänzte Hold: „Für mich ist die ganz klare Lehre: Auch wenn Gundolf Köhler ein Einzeltäter war, dann haben ihn doch hervorgebracht ein Milieu und rechtsextreme Kreise, eine Ideologie, die sich hochschaukeln und die sich heute mehr denn je und viel schneller hochschaukeln können auf Grund der technischen Möglichkeiten. Der Staat muss heute wehrhaft sein, indem er solche Strukturen frühzeitig erkennt, zerschlägt und verhindert, dass solche Dinge weiter vorkommen!“

Gülseren Demirel (Bündnis 90 / Die Grünen) kritisierte die oftmals falsche Ermittlungsrichtung der Behörden nach verschiedenen Verbrechen der jüngeren Vergangenheit: „Wenn ich mir anschaue, diese rechtsextremistischen Taten, das Oktoberfestattentat, die organisierte Form des NSU, das Olympia-Einkaufszentrum-Attentat – bei allen dreien waren es immer Außenstehende und nicht die Ermittlungsbehörden, die darauf beharrten, dass diese Taten rechtsextremistische Hintergründe haben. Daher frage ich mich, ob wir wirklich Lehren daraus gezogen haben.“ Gerade wenn es um die Wiederherstellung von Vertrauen Betroffener in die Ermittlungsbehörden gehe, seien diese Aspekte von besonderer Bedeutung.

„Hass entschieden entgegenstellen“

Josef Schmid (CSU) hob in seinem Statement hervor, dass es mit Blick auf das große Leid der Opfer besonders wichtig sei, welche Signale und Symbole man an die Betroffenen aussende. Er sei froh, dass der Opferfonds nun auf den Weg gebracht werden konnte: „Es ist bei einem solchen Attentat nicht die Aufgabe einer Staatsregierung allein, es ist nicht nur die Aufgabe einer Stadt, in der dieses Attentat stattgefunden hat, es ist zweifellos auch Aufgabe des Bundes, es ist Aufgabe von all diesen Ebenen und darum freut es mich, dass alle dabei sind.“, so Schmid.

Abschließend betonte Innenminister Herrmann, dass es bei der Verhinderung weiterer extremistischer Straftaten auch auf eine größere Sprachsensibilität ankomme: „Wenn man es laufen lässt, dass jemand Hass verbreitet, dass jemand Hass schürt, dann muss man sich nicht wundern, wenn jemand daraus Motivation gewinnt. Deshalb müssen wir uns jeglicher Hasssprache und jeglichem Hetzen rechtzeitig entgegenstellen, damit gar nicht erst eine solche Stimmung entstehen kann!“

/ PR

 

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