Fachgespräch zur energetischen Mähgut-Verwertung

Experten sehen großes Potential

MÜNCHEN.    Im Fachgespräch über die energetische Umsetzung von Mähgut in Biogasanlagen diskutierten Experten mit vier Landtagsausschüssen über potentielle Verwertungsmöglichkeiten.

Die Vorsitzende des federführenden Ausschusses „Umwelt und Verbraucherschutz“, Rosi Steinberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), begrüßte die Anwesenden zu einer „außergewöhnlichen Sitzung“, weil sie eine gemeinsame Sitzung der vier Landtagsausschüsse „Umwelt und Verbraucherschutz“, „Wohnen, Bau und Verkehr“, „Ernährung, Landwirtschaft und Forsten“ sowie „Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung“ war. Ein Novum, weil das Thema „Erhöhten Energie-Selbstversorgungsgrad und Artenvielfalt stärken, Stickstoffeintrag vermindern: Energetische Umsetzung von Mähgut in Biogasanlagen“ viele Abgeordnete interessierte. Seit dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ versuche man, „grüne Bänder“ durch die Landschaft zu ziehen, eine Möglichkeit sei entlang der Straßen, so Steinberger. Früher seien diese Randstreifen „abgemäht und gleich gemulcht“ worden, wodurch die Artenvielfalt gelitten habe. Die Frage im Fachgespräch sei nun, was man künftig mit diesem Mähgut mache.

Große Verwertungspotentiale

Lennart Dittmer, Projektsachbearbeiter bei der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau LWG, stellte die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie vor. Das Mulchen mit dem Mähgut habe neben dem ohnehin höheren Nährstoffeintrag an Straßenrändern zu einer artenarmen Umgebung geführt. Projekte wie „100 kunterbunte Kilometer“ des Landschaftspflegeverbandes Mittelfranken zeigten, wie „das Abführen von Mähgut an Straßenrändern zu größerer Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren geführt“ habe. Die Studie habe nun nach Verwertungsalternativen gesucht und dazu auch Bauhöfe befragt. Erste Schwierigkeit: Bisher gebe es keine Mengenangaben zum Mähgut im Freistaat, was man aber künftig durch Geoinformationssysteme ermitteln könne. Die LWG habe die Fläche über Straßenlängen und Mindestpflegebreiten am Straßenrand grob auf rund 30.000 Hektar geschätzt. Bei vier Tonnen Trockenmasse pro Hektar und Jahr könne man mit rund 120.000 Tonnen oder rund 200.000 Tonnen Frischmasse rechnen. Die Verwertungskapazität von Biogasanlagen in Bayern liege derzeit bei rund 30 Millionen Tonnen pro Jahr, die von Abfallvergärungsanlagen (Güllevergärung) bei rund 10 Millionen Tonnen. Insgesamt hätte das zu erwartende Mähgut daher einen eher geringen Anteil. „Die große Frage ist also, wieviel Potential über den Mindestpflegebereich hinaus im angrenzenden Extensivbereich der Straßen steckt“, betonte Dittmer. „Dort kann man weniger Schadstoffe und weniger Müll erwarten, auch die Bodenverhältnisse sind dort meistens weniger gestört und man kann mit höheren Aufwüchsen rechnen.“ Ein weiteres Problem: Straßenmähgut sei rechtlich als Abfall eingestuft, wenn ein „Entledigungswille“ vorhanden sei. So müssten auch Schadstoffgrenzwerte eingehalten werden. Verwertungsmöglichkeiten sieht die LWG in der Nassvergärung, der Vorortverarbeitung (Pelletierung), der Verbrennung sowie den IFBB-Verfahren speziell zur Herstellung hochqualitativen und lagerfähigen Festbrennstoffes aus Restbiomasse. Die größten Potentiale sieht man aber in Kompostierung, Trockenvergärung und Mulchanwendung.

Die Gemeinden hätten nicht nur die größte Mähgutmasse mit rund 55.000 Tonnen entlang ihrer Kommunalstraßen, sie hätten auch das größte Potential, da sie auch weitere Flächen wie Sportplätze, Feldwege, Parks und Friedhöfe betreuten, private Gartenabfälle sammelten und kurze Transportwege hätten. Die Straßen seien oft weniger befahren und das Mähgut deshalb schad- und fremdstoffärmer. Dittmer zeigte das erfolgreiche Beispiel einer Kleinkompostieranlage bei Heidenheim, deren erzeugter Humus auf die umliegenden Äcker zur Erhöhung der Bodenstabilität aufgetragen wird. Trockenvergärung dagegen habe den Vorteil, dass das Material lagerbar sei und durch Radlader befüllt werden könne. Die Anwendung als Mulch sei „kostengünstig und effektiv“, da sie einerseits den Boden dünge und andererseits Pflanzen vor Austrocknung oder Frost schütze. Eine Umfrage unter rund 70 Bauhöfen hätte ergeben, dass noch zu häufig gemäht werde. Auch sei die Geräteausstattung zur Mähgutaufnahme nicht optimal, was durch die bisher mangelhafte Kooperation benachbarter Gemeinden verbessert werden könnte. Zudem fehle oft Personal, Geld und der politische Wille. Die Schadstoffanalyse des Mähgutes habe „sehr geringe“ Nachweise von Schwermetallen wie Cadmium, Blei, Chrom, Nickel, Kupfer und Zink sowie PCBs und PCDD/Fs unterhalb der Grenzwerte ergeben.

Wirtschaftlichkeit und Artenvielfalt

In der Fragerunde wollte Dr. Leopold Herz (FREIE WÄHLER) nähere Informationen zu Wirtschaftlichkeit und Schnittzeitpunkt haben. Patrick Friedl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wollte wissen, ob es auch eine Flächenschätzung des Extensivbereiches gibt und ob es rechtlicher Änderungen bedürfe. Die Frage der Wirtschaftlichkeit konnte laut Dittmer aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen nicht geklärt werden. Auch für den Extensivbereich gibt es bisher keine Informationen. Dr. Gerhard Drechsler vom Bayerischen Umweltministerium erinnerte daran, dass es bereits ausreichende abfallrechtliche Einstufungen gebe, die aber vom jeweiligen Anlagenbetreiber abhingen. „Einfache Lösungen“ werde es nicht geben. Andreas Maier, Präsident der LWG, geht tendenziell von geringen Mehrkosten für die Kommunen aus. „Für uns stand aber auch eher im Vordergrund das Thema der Biodiversität, also den Biotopverbund herzustellen.“ In Nachfolgeprojekten gehe es aber auch um die Wirtschaftlichkeit. Maier sieht „nicht unerhebliches Potential“ im Extensivbereich. Auch entwickele man mit Start-Ups neue Mähtechniken, die autonom arbeiten könnten.

Martin Degenbeck, Leiter des Arbeitsbereichs Natur und Landschaft am Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau der LWG, betonte: „Landschaftspflege ist immer ein Kompromiss zwischen dem Wünschenswerten und dem Möglichen.“ Es gebe keine optimale Lösung, die alle Wünsche erfülle. Volker Bauer (CSU) wollte wissen, wie die Anlagenbetreiber zum Mähgut stünden, insbesondere durch beigemischte Steine, Müll und Sand, und welcher Ertrag abseits der Straßen zu erwarten sei. Ein spezieller Mähkopf und die Sichtprobe vermindere die Müllaufnahme, erklärte Dittmer.

Am Straßenrand

Maier sah die Situation an Autobahnen oder Bundesstraßen mit Vermüllung und Schadstoffen kritisch. Deshalb solle man sich auf das größte Potential der Gemeindestraßen konzentrieren, wo auch der Extensivbereich am größten sei. Manfred Eibl (FREIE WÄHLER) sah eine große Chance für die Biogaserzeugung in dem Grün, das in den Kommunen abseits der Straßen in Parks oder Sportstätten anfällt und das auch häufiger gemäht werde. Professor Dr. Ingo Hahn (AfD) fragte, welcher konkrete ökologische Nutzen für die Artenvielfalt zu erwarten sei. Schließlich müsse man auch klären, ob der Straßenrand überhaupt der geeignete Standort für Magerwiesen sei. Ruth Müller (SPD) wollte wissen, ob sich Gemeinden, Bauhöfe und Landwirte bezüglich der Haftung absichern könnten. Rosi Steinberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mahnte abschließend, ob nicht ein Maschinenring besser sei als kommunale Kooperation.

Degenbeck erinnerte an den gesetzlichen Auftrag, dass Gemeindeflächen vorbildlich zu bewirtschaften seien, wozu ökologische Aufwertung gehöre. Eigenverwertung sei recht einfach möglich, etwa für gemeindliche Pflanzflächen. Hier sei auch leicht schadstoffbelastetes Material möglich. Maier ergänzte, landwirtschaftliche Maschinenringe seien bereit für diese Arbeiten, wenn sie für sie wirtschaftlich seien.

/ Andreas von Delhaes-Guenther

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