Flugverkehr soll nachhaltiger werden

Sachverständigenanhörung im Verkehrsausschuss

8. Februar 2022

MÜNCHEN.     Fliegen wird nach der Corona-Krise wieder ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Lebens werden – darüber waren sich die Sachverständigen bei der Anhörung zum Thema „Zukunft des Flugverkehrs“ im Verkehrsausschuss einig. Auch darüber, dass Fliegen in Zukunft nachhaltiger werden muss. Ideen, wie das gelingen kann, gibt es viele. Doch Zweifel bestehen an einer schnellen Umsetzung.

Für den Luftfahrtsystem-Experten Prof. Dr.-Ing. Mirko Hornung von der TU München ist Nachhaltigkeit im Luftverkehr das entscheidende Thema. „Mittel- und langfristig werden wir um alternative Energieträger nicht umhinkommen“, sagte er. Dazu zählen in seinen Augen Wasserstoff, Biokraftstoffe oder durch erneuerbare Energien gewonnene Energie in Batterien. Egal, für welche Lösung man sich entscheide: Die gesamte Energiegewinnung müsse nachhaltig sein – und ökonomisch. Das sei eine Herausforderung, weil die Kosten aktuell zwei- bis viermal höher seien als für reguläres Kerosin.

Prof. Dr.-Ing. Anke Rita Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, nannte als wichtigstes Ziel, in den nächsten 20 Jahren das Wachstum im Luftverkehr von der Umweltbelastung zu entkoppeln. Dazu müssten Flugzeuge und Antriebe energieeffizienter gestaltet werden. „Aktuell sind Beimischungen von nachhaltigem Treibstoff bis zu 50 Prozent möglich“, unterstrich sie. Künftig könnten es 100 Prozent sein. Wichtig sei aber, dass diese den Flugverkehr nicht negativ beeinträchtigen würden. „Sicherheit ist nicht verhandelbar.“

Chief Technical Officer Dr. Sabine Klauke von Airbus Defense und Space betonte, dass Flugzeuge der neusten Generation beim CO2-Ausstoß schon heute 20 bis 30 Prozent energieeffizienter seien als vergleichbare Vorgängermodelle. „Allerdings machen moderne Flugzeuge nur einen Anteil von zwölf Prozent aus“, erklärte sie. Die Flottenerneuerung sei daher ein wichtiger Schritt für den Umweltschutz. Ähnlich sieht die Situation laut Klauke bei nachhaltigem Treibstoff aus: Alle Flugzeuge könnten mit einer Beimischung von 50 Prozent fliegen – genutzt werde das aber nur bei einem Prozent der Flüge.

Bessere Bahnanbindungen an die Flughäfen

Dr. Stefan Kreuzpaintner, Chief Commercial Officer Lufthansa Airlines und Lufthansa Hub, wies darauf hin, dass sein Arbeitgeber trotz der Corona-Krise konstant in moderne Flugzeuge investiere. Bis 2030 sollen 170 ältere Flugzeuge ausgetauscht werden. Er bedauerte, dass sich zwar 80 Prozent der Passagiere für die Kompensation von fossilen Brennstoffen ihres Flugs interessieren, aber nur ein Prozent tatsächlich dazu bereit sei. Für Kreuzpaintner wichtig war die Intermodalität, also die Kombination verschiedener Verkehrsträger. Dazu brauche es mehr Bahnanbindungen an die Flughäfen.

Jost Lammers, Vorsitzender der Geschäftsführung des Münchner Flughafens, hob ebenfalls die Bedeutung einer guten Anbindung an Schiene, Straße und andere Verkehrsträger hervor. Auch die Nachhaltigkeit im Flugverkehr ist für ihn kein Wunschdenken: „Grünes Fliegen ist möglich“, zeigte er sich überzeugt. Lammers forderte, die Wettbewerbsbedingungen für Flughäfen im Vergleich zum Rest der Welt zu verbessern. Restriktive Maßnahmen in Europa würden nicht zu einer Verbesserung des Weltklimas führen. „Das hätte nur zur Folge, dass der Verkehr zu anderen Flughäfen in London, Istanbul oder an den Golf umgeleitet wird.“

Kritischer sah die aktuelle Situation Dr. Friedrich Thießen, Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der TU Chemnitz. Er kam in seinen Studien zu dem Schluss, dass sich CO2-Emissionen vor allem einsparen ließen, indem weniger Flüge angeboten würden. Allein am 21. Mai 2019 habe es ab Düsseldorf zwischen 5:50 und 6:30 Uhr sechs Flüge nach Palma de Mallorca gegeben. „Sämtliche Passagiere hätten nach unseren Berechnungen mit knapp der Hälfte der Flugbewegungen transportiert werden können“, verdeutlichte er. Dadurch hätte sich bis zu 30 Prozent CO2 einsparen lassen.

Weniger Lärm durch weniger Kurzstreckenflüge

Unterstützung für eine Reduzierung der Flüge bekam Thießen von Dr. René Weinandy, dem Fachgebietsleiter für Lärmminderung im Verkehr beim Umweltbundesamt. Für ihn ist vor allem der Lärm ein Problem, das es zu lösen gilt – insbesondere, weil die Weltgesundheitsorganisation 2018 dazu eine Empfehlung herausgegeben hat. Zusätzlich verlangte er eine Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Schiene und die Kosten für die Umweltbelastung durch das Fliegen an die Verursacher, also die Fluggesellschaften, weiterzugeben. „Wenn diese Bausteine klug aufeinander abgestimmt werden, können wir einen nachhaltigen Luftverkehr organisieren.“

In der anschließenden Aussprache waren sich die Abgeordneten des Verkehrsausschusses zwar darüber einig, wie wichtig der Flugverkehr für den Standort Bayern sei. Im Detail gingen die Meinungen allerdings auseinander. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Körber (FDP) forderte die Staatsregierung auf, endlich für eine Express-Anbindung des Münchner Flughafens an die bayerische Landeshauptstadt zu sorgen. „Ich bin froh, dass der Bund im Koalitionsvertrag Unterstützung signalisiert hat.“

Der stellvertretende Ausschussvorsitzende, Manfred Eibl (FREIE WÄHLER), unterstrich die Bedeutung von international wettbewerbsfähigen Flughäfen in Europa. „Wenn es zur Benachteiligung kommt, haben wir akute Probleme“, sagte er. Dann brauche man über Nachhaltigkeit gar nicht länger zu diskutieren.

Der Flugverkehr befindet sich in einem Jahrzehnt des Umbruchs

Ulrike Scharf (CSU) verwies auf das große wirtschaftliche Wachstumspotenzial des Luftverkehrs. „Bis 2050 wachsen die Umsätze in Europa von 185 auf 304 Milliarden Euro“, betonte sie. Klar sei aber, dass sich der Flugverkehr in einem Jahrzehnt des Umbruchs befinde. Sie zeigte sich allerdings nach der Anhörung überzeugt: „Grüner Luftverkehr kann gelingen.“

Weniger überzeugt war Johannes Becher (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Tanklager grün anstreichen reicht nicht“, kritisierte er. Wenn der globale Kerosinverbrauch bei 300 Millionen Tonnen liege, aber nur 150.000 Tonnen nachhaltiges Kerosin produziert werde, sei das eine Produktion in „homöopathischen Dosen“ – obwohl der Klimawandel jetzt stattfinde.

Inge Aures (SPD) nannte die Zahlen zu den Leerflügen „erschreckend“: „Es kümmert wohl niemanden, ob die Flugzeuge voll oder leer fliegen.“ Es gehe Fluggesellschaften anscheinend nur darum, Flugzeuge fliegen zu lassen, damit sie ihre Slots an den Flughäfen nicht verlieren. Zukünftig müssen laut Aures Ökonomie und Ökologie besser in Einklang gebracht werden.

Zum selben Thema äußerte sich auch Uli Henkel (AfD). Er wies auf Berichte hin, dass die Lufthansa in den letzten zwölf Monaten 18.000 Leerflüge durchgeführt habe, nur um ihre Slots nicht zu verlieren. „Das führt natürlich zu großer Unruhe.“ Außerdem wünschte er sich, dass Flugzeuge in der Warteschlange von Fahrzeugen gezogen werden, damit sie ihren Motor erst kurz vor dem tatsächlichen Abheben starten müssten.

/ David Lohmann

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