Akademiegespräch zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Dienstag, 17. April 2018
– Von Isabel Winklbauer –

Wie kommen die öffentlich bezuschussten Medien aus der Krise? Zu diesem Thema hatten die Akademie für politische Bildung in Tutzing und der Bayerische Landtag gemeinsam zum Akademiegespräch geladen. Es wurde ein optimistischer Abend, an dem sich das Publikum und die Gäste darüber einig waren, dass es ohne die ARD nicht geht.

Niemand der Podiumsteilnehmer und Besucher im Senatssaal zweifelte etwa daran, dass der Rundfunkbeitrag gerechtfertigt sei. „Bayern ist ein Kulturstaat“, sagte Landtagspräsidentin Barbara Stamm in ihrer Begrüßung. „Wenn der Bayerische Rundfunk seinen verfassungsmäßigen Auftrag erfüllen soll, zu bilden und zu informieren, darf er nicht unter dem Druck der Quote stehen. Subventionen sind notwendig.“

Später erinnerte auch der wichtigste Gast des Abends, Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks und aktueller Vorsitzender der ARD, daran, dass Programmvielfalt aus breiter Unterhaltung und anspruchsvolleren Sendungen eben nur mit einer Bezahllösung möglich sei. „BR Klassik brauche ich nicht, die Sportschau aber schon – so funktionieren die öffentlich-rechtlichen Medien nicht. Wir sind der Rundfunk für alle“, sagte er in seinem Impulsvortrag, dem die Zuschauer mit großem Interesse folgten. Mit seinen Argumenten rannte Ulrich allerding offene Türen ein, denn das Auditorium stand voll hinter den monatlichen 17,90 Euro für Tagesschau, Tatort, Arte, Kika und Hundert Möglichkeiten mehr. Warum die öffentlich-rechtlichen Sender nicht endlich selbstbewusster auf die ständige Beitragskritik reagierten, fragten sogar am Ende in der Publikumsrunde zwei Zuschauer.

Neue Qualität der Kritik

Komplizierter wurde es beim Thema des Vertrauensverlustes in die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. „Medienkritik ist normal“, sagte Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing, die den Abend moderierte, in ihrer Einführung. „Staaten, in denen die Medien nicht kritisiert werden, sind autoritäre oder totalitäre Staaten. Aber bei uns gibt es eine neue Qualität der Kritik. Diese hat auch mit dem Vorwurf an die Gremien der öffentlich-rechtlichen Medien zu tun, sie seien zu eng mit der Politik verstrickt.“ Später, in der Diskussion zwischen Ulrich und der verantwortlichen Redakteurin des Evangelischen Pressedienstes Epd Diemut Roether, fragte Münch außerdem nach der mangelnden Diversität, die in höheren Journalistenkreisen herrscht. „Leben Journalisten nicht selbst in einer Blase von Gleichgesinnten, wie man sie Internetforen vorwirft, zu sein?“

Richtig entkräftet wurden beide Vorwürfe an diesem Abend nicht, womit implizit klar wurde, was die ARD (und sicher auch das ZDF) künftig auf ihre Agenda setzen sollte. „Stimmt“, sagte Diemuth Roether zum Thema mangelnde Diversität, „es gibt in Deutschland nur vier Prozent Journalisten mit Migrationshintergrund. Man darf eben nicht nur die befördern, die einem am ähnlichsten sind. Leider erkennen das die Redaktionen gerade erst ganz langsam.“ Damit, dass der BR in Zukunft gezielt Universitäten nach Absolventen in MINT-Berufen anspricht, wie Ulrich Wilhelm ins Feld führte, um nicht nur Geisteswissenschaftler als Volontäre zu haben, waren die Zuschauer nicht umfassend zufrieden. Mehr Techniker deckten keineswegs die Bandbreite echter Diversität ab, bemängelte eine Dame. Wilhelm konnte da nur noch auf den Stellenabbau verweisen, der echte Vielfalt erschwert.

Auch in Sachen „Klüngel“ kam das Gespräch zu keinem runden Ergebnis. „Der Landtagspräsident ist in Bayern per Gesetz auch Vorsitzender des BR-Rundfunkbeirats“, führte Diemuth Roether an, „wie wollen Sie im theoretischen Fall des Falles einen Amtsmissbrauch verhindern?“ Das sei eine Frage der Persönlichkeit, antwortete dazu Ulrich. Im Journalismus sei es naturgemäß eine der wichtigsten Voraussetzungen, mit Herz und Verstand ganz hinter dem Medium zu stehen – und dieses somit frei und unabhängig von äußeren Einflüssen zu halten. Es gebe daher weitaus weniger Verbindungen in die Politik, als viele dächten. „Leider gibt es in Wirklichkeit nicht viel Austausch“, sagte er, „wir würden davon profitieren. Und: Im Ernstfall entscheidet die gelebte Verfassung. Nicht das, was auf dem Papier steht.“ Als Lösung gegen den Polit-Vorwurf erwogen die Diskussionsteilnehmer immerhin die Möglichkeit als positiv, dass die Bürger die Rundfunkbeiräte künftig selbst wählen könnten, so wie das beim WDR bereits der Fall ist.

Starke Bindung der Zuschauer an einzelne Sendungen

Trotz ungelöster Fragen – „Mir fehlt da komplett eine Strategie der ARD“, fasste Roether zusammen – endete die Veranstaltung klar zu Gunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. „Niemand liefert regionale Inhalte in so hochwertiger Form wie wir“, brachte Ulrich das schlagende Argument und verwies auf eine Umfrage in England, bei der BBC-Zuschauer eben die nationalen Inhalte als größten Vorzug ihres Heimatsenders nannten. Auch die starke Bindung der Zuschauer an einzelne Sendungen, wie „Anne Will“, den „Tatort“ oder bei den Jüngeren beispielsweise den Youtube-Kanal von Puls dürfe man nicht vernachlässigen. Die ARD selbst wolle niemand retten – doch sobald es um den Sendeplatz einer Talkshow ginge, stünde die Bevölkerung auf den Barrikaden. „Würden alle diese Sendungen plötzlich wegfallen, würde ein großer Teil des kulturellen Lebens fehlen“. Bei dieser Feststellung schüttelte, vermutlich in Gedanken an die eigene Lieblingssendung im Ersten, keiner den Kopf.

Randspalte

Back to top