Gedenkakt zu Ehren der Opfer des Nationalsozialismus 2024

Landtagspräsidentin Aigner: „Demokratische Parteien müssen sich radikalen Deportationsplänen entgegenstellen.“

24. Januar 2024

MÜNCHEN.         Der Bayerische Landtag und die Stiftung Bayerische Gedenkstätten haben heute im Maximilianeum in einem gemeinsamen Gedenkakt an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. In diesem Jahr stand das Thema „Generationen des Erinnerns“ im Mittelpunkt des Gedenkens. Neben Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Stiftungsdirektor Karl Freller sprach bei der Veranstaltung auch der Holocaust-Überlebende Abba Naor. Schülerinnen und Schüler des Gisela-Gymnasiums München gestalteten den Gedenkakt mit einer Performance zum Thema Antiziganismus mit. An der Veranstaltung nahmen auch die Überlebenden Franz Herzog von Bayern und Ernst Grube sowie zahlreiche Nachkommen von Überlebenden teil.

Landtagspräsidentin Ilse Aigner betonte in ihren Gedenkworten: „Wir wissen, wohin Faschismus führt – Hass, Rassismus, Antisemitismus, wahnhafte Ideologie. Aber wir wissen auch, wie es anfängt. Und wir sehen sie doch, die Anfänge. Es ist unerträglich, wenn sich jüdische Menschen nicht trauen, als jüdisch erkennbar zu sein. Deutschland muss sicher sein für Jüdinnen und Juden – nur dann ist unsere Heimat unsere Heimat!“

Aigner warnte, dass in einem ideologischen System jeder morgen der „andere“ sein könne – der falsch aussehe, falsch glaube oder falsch liebe. Demokraten müssten immer hinsehen, wenn Menschen verachtet werden und sie appellierte: „Da gibt es kein Zuwarten: Nie wieder ist jetzt! Wenn radikale Kräfte Pläne zur Deportation ganzer Bevölkerungsgruppen schmieden, wird Geschichte zur Schablone. Wir erkennen doch das Muster. Die bewusste Anlehnung.“

Alle demokratischen Parteien seien in der Pflicht, sich diesen Plänen entgegenzustellen: „Mit einer Politik, die Probleme löst, die Sorgen bannt, und die die Menschen wieder begeistert für Demokratie und Freiheit und all das, woran wir aus tiefstem Herzen überzeugt sind – zum Wohle der Menschen“, so Aigner.

Auch aktuelle Entwicklungen thematisierte die Landtagspräsidentin in ihrer Rede, an Mitglieder der AfD-Fraktion gerichtet sagte Aigner: „Sie hätten gerne die Festnahme Ihres Kollegen hier im Haus provoziert. Vermutlich wegen der Bilder. Und wegen der Empörung und des Hasses, die Sie dann hätten säen können auf Ihren Social-Media-Kanälen. Nachdem Ihr Kollege jüngst an dieser Stelle bereits von „Ermächtigungsgesetz“ schwadroniert hat, treiben Sie damit die Täter-Opfer-Umkehr auf die Spitze. Sie wagen die Parallele zu denen, die in der NS-Zeit weggesperrt wurden, gefoltert, ermordet. Sie stellen sich mit ihnen auf eine Stufe. Mit Opfern, die für Freiheit standen, für Menschlichkeit und für den Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Das ist ungeheuerlich!“

Die Präsidentin ging auch auf das Schwerpunktthema des diesjährigen Gedenkens ein: „Wir dürfen die Opfer des Nationalsozialismus niemals vergessen. Ihr Andenken, ihr Vermächtnis ist das Fundament unserer demokratischen Wehrhaftigkeit. Diese Menschen bleiben ein Teil von uns! Ebenso wie die Zeitzeugen, die unsere Erinnerungskultur in den letzten Jahrzehnten getragen haben. Gleichzeitig nehmen wir die Perspektive der zweiten und dritten Generation in den Blick. In den Familien der Opfer ist die Erinnerung an die Shoa Bestandteil des täglichen Lebens. Das Schicksal der ermordeten und geretteten Angehörigen ist verinnerlicht, präsent wie eigene Erinnerungen. Sie werden die Zukunft des Erinnerns mitprägen. Dafür danke ich Ihnen schon heute.“ (Den Gesamttext der Rede von Landtagspräsidentin Ilse Aigner finden Sie ►hier.(Dokument vorlesen))

Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller, unterstrich in seiner Rede: „Die Shoah, die Ermordung der europäischen Juden, der Genozid an den Sinti und Roma, waren in ihrem Wesen, in ihrer Struktur etwas ganz Anderes, Eigenes. Dass das, was wir jetzt erleben, eben nicht das ist, was wir als Deutsche zu verantworten hatten und haben, nimmt gerade die Erinnerungsorte in die Pflicht. Das ist kein Paradox. Wir lehren und lernen die historischen Tatsachen und suchen vor dieser Folie Antworten auf die Brüche, auf die Untiefen, auf die Bedrohungen der Gegenwart. Wer das Gestern nicht kennt, macht morgen die gleichen Fehler.“

Der Holocaust-Überlebende Abba Naor sagte in seiner Ansprache: „Die Begegnung mit einem Zeitzeugen, so habe ich es selbst in 30 Jahren bei meinen unzähligen Zeitzeugengesprächen mit vielen Tausenden von Kindern und Jugendlichen erlebt, ist die beste Prävention gegen das Gift des Antisemitismus.“ Abschließend zitierte er aus dem Brief seiner Enkelin, die sie ihm vor seiner Reise nach München gab: „Ich möchte mich als Vertreterin der dritten Generation des Holocaust bei dir entschuldigen: Meine Generation hat es nicht geschafft den Antisemitismus aus der Welt auszulöschen […]. Wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns und es ist mein und meiner Kinder Versprechen an dich: Niemals aufgeben!“ Als „Wiedergutmachung“ bezeichnete Naor das Gespräch mit Schülern und deren Briefe, die er von ihnen erhalte. Im Anschluss an die berührenden Worte des 95-jährigen Zeitzeugen erhoben sich alle Gäste im Parlament und spendeten ihm langanhaltenden Applaus.

Performance zum Gedenkakt 2024

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Die folgende Performance von Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse des Gisela-Gymnasiums in München zeigte exemplarisch am Thema „Antiziganismus“, wie sich die junge Generation mit Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit auseinandersetzt. Dazu stellten sie zwei Seiten gegenüber: Auf der Seite der Vergangenheit trugen die Schülerinnen und Schüler Passagen aus nationalsozialistischen Quellen sowie von verfolgten Sinti und Roma vor. Auf der Seite der Gegenwart präsentierten sie aktuelle antiziganistische Äußerungen und Stereotype.

Zahlreiche Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Politik und Kirche nahmen an dem Gedenken teil, unter ihnen Mitglieder des Landtagspräsidiums, der Bayerischen Staatsregierung mit Ministerpräsident Dr. Markus Söder, der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Dr. Hans-Joachim Heßler, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, und Erich Schneeberger, Vorsitzender des Verbands Deutscher Sinti und Roma Landesverband Bayern.

Die musikalische Gestaltung des Gedenkakts übernahmen Fany Kammerlander am Cello und Nicole Heartseeker am Piano vom Ensemble „SENSE 2“.

Traditionell veranstalten der Bayerische Landtag und die Stiftung Bayerische Gedenkstätten jährlich gemeinsam den Gedenkakt für die Opfer des Nationalsozialismus. Ziel dieses Gedenkens ist nicht nur die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern auch die Mahnung an die junge Generation, derartiges Unrecht nie wieder zuzulassen.

/ PR - AG

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