Ehrung für Retter jüdischer Mitbürger vor dem Holocaust

Dienstag, 24. Juni 2014
Von Anton Preis 

Mahnung, Erinnerung und Würdigung großen Mutes standen im Mittelpunkt einer Feierstunde im Bayerischen Landtag. Die posthume Ehrung von vier „Gerechten unter den Völkern“ aus Bayern wurde thematisch flankiert von der Ausstellungseröffnung von  „BESA: Ein Ehrenkodex – Die Rettung von Juden durch Albaner zur Zeit des Holocaust“.

Landtagspräsidentin Barbara Stamm würdigte in ihrer Ansprache die Retter jüdischer Mitbürger als große Vorbilder: „Alle Menschen, die dem Nazi-Terror getrotzt haben, sind uns Vorbild und Mahnung. Sie stehen für das Gute in einer Zeit, in der überall das Böse herrschte. Ihre Leistung kann man nicht hoch genug schätzen: Sie haben sich gegen alle anderen gestellt und das als falsch erkannt, was für viele andere Alltag war, der nicht hinterfragt wurde. Dass es in all diesem Unrecht Gerechte gab, ist ein großer Trost. Und gleichzeitig sind die ‚Gerechten unter den Völkern‘ ein Stachel im Fleisch, denn sie zeigen uns, dass es eben doch möglich war, sich anders zu verhalten, als es die Mehrheit getan hat.“

MdL Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, betonte: „Menschen, die gegen die eigene Angst das Richtige getan haben, verdienen unseren tiefsten Respekt.“ Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, sagte: „Aus dem Bayerischen Landtag gehen immer Signale der Hoffnung und Versöhnung aus.“ Dabei dankte sie Landtagspräsidentin Barbara Stamm stellvertretend für den Landtag und dessen hohes Engagement gegen das Vergessen des Holocausts. An die jungen Menschen appellierte sie: „Nutzen Sie Ihren freien Willen für Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Lassen Sie sich von niemandem sagen, wen Sie lieben oder hassen sollen.“

Arik Rav-On, Direktor der Gedenkstätte Yad Vashem für die Schweiz und die deutschsprachigen Länder, hob die vier Säulen Yad Vashems hervor, nämlich Erinnerung, Mahnung, Erziehung und Versöhnung, und sah sie an dem heutigen Tag ideal verwirklicht. Er appellierte an die Zivilcourage in der heutigen Zeit und würdigte die Retter jüdischer Mitbürger als Retter der ganzen Welt.

Die Laudationes an die vier „Gerechten unter den Völkern“ sprach Sandra Witte von der Botschaft des Staates Israel in Berlin. „Gerechte unter den Völkern“ sind Menschen, die trotz Todesgefahr und allgegenwärtiger Repression ihre Mitmenschlichkeit bewahrten und Verfolgten des Nazi-Regimes halfen. Seit dem Gründungsjahr 1953 bewahrt Yad Vashem als lebendiges Denkmal des jüdischen Volkes für den Holocaust die Erinnerung an die Vergangenheit und vermittelt ihre Bedeutung an kommende Generationen. Die Erinnerungsstätte ehrt seit mehr als 50 Jahren jene Menschen, die während des Zweiten Weltkrieges Juden retteten mit dem Ehrentitel „Gerechte/r unter den Völkern“.

Aus der Rettungsgeschichte von Elfriede Seitz: Als sie im April 1943 ihren Deportationsbefehl bekam, wandte sich die Jüdin Elfriede Seitz in ihrer Not an ihre Bekannten Alois und Maria Rauch in Grucking. Das Ehepaar Rauch nahm die Verfolgte sofort auf ihrem Hof auf. Zwei Jahre lang, bis zur Befreiung im Mai 1945, versorgte und versteckte Familie Rauch Elfriede Seitz und rettete ihr somit das Leben. Die Tochter der Geehrten war damals 13 Jahre alt und erinnert sich heute noch gut daran, dass ihre Eltern nicht zögerten zu helfen, obwohl ihnen bewusst war, dass sie sich und ihre Familie dadurch in große Gefahr brachten. Die Tochter von Alois und Maria Rauch, Maria Theresia Gebhard, und deren Neffe Rudolf Rauch nahmen die Urkunde und die Medaille aus den Händen des Israelischen Generalkonsuls Dr. Dan Shaham, entgegen.

Aus der Rettungsgeschichte von Ilse Gerweck: Stefan Steinbacher und seine Mutter Therese versteckten ab Januar 1945 auf ihrem sehr kleinen Bauernhof in Kruchenhausen in der Nähe von Unterwössen im Kreis Traunstein die verfolgte Jüdin Ilse Gerweck. Ihre beiden Töchter Barbara und Monika kamen in Verstecken in der Nähe unter. Die drei Untergetauchten wurden von ihren Helfern bis zur Befreiung durch die US-Armee im Mai 1945 versteckt und mit allem Lebensnotwendigen versorgt. Nur dank der Hilfe der Familie Steinbacher überlebten Ilse Gerweck und ihre Töchter den Holocaust. Der Urenkel von Therese Steinbacher, der Bildhauer Stefan Kuhnlein, erhielt Urkunde und Medaille von Dr. Dan Shaham.
 
Im Anschluss an die Ehrung eröffnete Landtagspräsidentin Barbara Stamm die Ausstellung „BESA: Ein Ehrenkodex – Die Rettung von Juden durch Albaner zur Zeit des Holocaust“. Die Ausstellung, die von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem zusammengestellt wurde, zeigt, wie einfache albanische Familien im Zweiten Weltkrieg Juden halfen und vor der Vernichtung retteten. Im Unterschied zu fast allen anderen europäischen Staaten im deutschen Einflussgebiet konnten in Albanien nahezu alle jüdischen Flüchtlinge dem Holocaust entgehen. In der Ausstellung stehen jene im Mittelpunkt, die den Mut hatten, das Richtige zu tun – und dabei ihr eigenes Leben riskierten. In eindrucksvollen Porträts werden die Geschichten der Retter und der Familienangehörigen erzählt. Sie alle handelten nach dem traditionellen Wert der „Besa“, der Pflicht, seine Gäste zu schützen.

Drei bayerische Schulen – die Mittelschule Landau an der Isar, die Friedrich-Rückert-Volksschule Stadtlauringen und die Mittelschule Fromundstraße München – haben, unterstützt durch die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, die Ausstellung um eigene Beiträge ergänzt: Auch in ihrem regionalen Umfeld gab es mutige Menschen, die verfolgten Juden geholfen haben. Die Schülerinnen und Schüler haben die Geschichten von drei bayerischen „Gerechten unter den Völkern“ als Vorbilder für eigenes Denken und Handeln entdeckt. Gleichzeitig wurde ihnen bei den Recherchen bewusst, dass diese Beispiele große Ausnahmen geblieben sind. Nur sehr wenige bayerische Retter wurden bislang von Yad Vashem mit dem Titel „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet.

Die Ausstellung ist noch bis Freitag, 18. Juli 2014 zu sehen.

Öffnungszeiten: Jeweils Montag bis Donnerstag von 9.00 bis 16.00 Uhr und Freitag von 9.00 bis 13.00 Uhr.
An den Wochenenden sowie an Feiertagen kann die Ausstellung nicht besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.

 

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