30.01.2014 - Bulgariens Präsident Rosen Plevneliev zu Besuch im Landtag

Donnerstag, 30. Januar 2014

- Von Zoran Gojic -

"Unter Freunden kann man offen über alles sprechen. Man soll es sogar", erklärte Bulgariens Präsident Rosen Plevnelijev in fließendem Deutsch gleich zu Beginn eines langen und intensiven Arbeitsgespräches im Bayerischen Landtag. Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Vizepräsident Reinhold Bocklet, Europaausschuss-Vorsitzender Franz Rieger, dessen Stellvertreter Linus Förster sowie die Ausschussmitglieder Christine Kamm und Bernhard Pohl empfingen Plevnelijev im Maximilianeum, um anlässlich von Plevnelijevs Besuch in Bayern über die bayerisch-bulgarischen Beziehungen zu sprechen.

Dabei kam die Sprache auch auf die aktuelle Debatte um die sogenannte Armutszuwanderung aus dem Balkan nach Westeuropa. "Man muss die Situation differenziert betrachten", erklärte Barbara Stamm. "Wenn in Bayern von Missbrauch der Sozialsysteme gesprochen wird, ist damit nicht der Missbrauch durch eine bestimmte Nationalität gemeint, sondern der berechtigte Anspruch, das Problem insgesamt anzugehen, also den Missbrauch einzudämmen, egal wer ihn begeht".

Bayern ist ein Vorbild

Plevnelijev machte sofort klar, dass Bulgarien die Beziehung zu Deutschland und insbesondere zu Bayern außerordentlich wichtig sei. "Bayern ist ein Vorbild für ganz Europa, wenn nicht der Welt", erklärte der Präsident und fügte an: "Wir sind Partner und stehen jederzeit bereit, um unseren europäischen Freunden zu helfen. Aber es stellt sich oft heraus, dass die öffentliche Debatte in manchen Ländern nicht viel mit der Realität zu tun habe. Als Beispiel nannte Plevnelijev Frankreich, das einmal über 20 000 illegale Rumänen und Bulgaren geklagt habe. "Wir haben sofort Regierungsmitglieder entsandt, die sich darum kümmern sollten. Es stellte sich heraus, dass 200 dieser 20 000 Menschen aus Bulgarien waren. Insgesamt hielten sich von den insgesamt 20 0000 Menschen genau 260 illegal in Frankreich auf. Vielleicht ist es bequem immer auf Rumänen und Bulgarien zu deuten, aber damit lösen wir gemeinsam keine Probleme", betonte Plevnelijev. Bulgarien sei eine Gesellschaft im Umbruch und versuche sich an Deutschland zu orientieren. "Dass es Deutschland heute gut geht, liegt daran, dass hier in der Vergangenheit auch mal schwierige wirtschaftliche und politische Entscheidungen getroffen wurden und man nicht immer nur den vermeintlich leichtesten Weg suchte. Die Politik hatte eine Vision und die Menschen haben hart gearbeitet. Das müssen wir auch schaffen", sagte Plevnelijev, der darauf hinwies, dass Bulgariens Wirtschaft im letzten Vierteljahrhundert immerhin um 700 Prozent gewachsen sei. 2008 lag die Arbeitslosigkeit bei nur sechs Prozent, die weltweite Finanzkrise hätte die Zahl aber auf heute 12 Prozent hochgetrieben. "Insbesondere die Krise unseres Nachbarn Griechenland hat uns hart getroffen", gab Plevnelijev zu.

Bildung als Weg aus der Krise

Einig waren sich Plevnelijev und die bayerischen Abgeordneten, dass die Reform des Bildungssystems in Bulgarien dringend notwendig sei. "Nicht an den Hochschulen, denen geht es gut. Aber wir müssen von Deutschland bei der Berufsausbildung lernen. Denn uns fehlen die Fachkräfte auch. 1,6 Millionen Bulgaren leben im Ausland - das sind meistens sehr gut ausgebildete Experten, die uns zuhause fehlen. Ich will, dass die zurückkommen", führte Plevnelijev aus und nannte neben der anstehenden Bildungsreform weitere wichtige Projekte seiner Agenda: die Entwicklung der Regionen, die Förderung von Landwirtschaft und Tourismus und ein spezielles Förderprogramm für die rund 320 000 Roma in Bulgarien. "Wir müssen die Lebenssituation dieser Menschen verbessern, ihnen den Zugang zu Bildung erleichtern und die Chance geben, sich in die Gesellschaft einzubringen", sagte Plevnelijev, erklärte aber auch, die politische Pattsituation in Bulgarien erschwere gerade die Umsetzung wichtiger Projekte. Aber er werde weiter nach vorne sehen. "Wir können beweisen, dass sich Anstrengung lohnt, dass man etwas erreichen kann, wenn man den Mut hat, ehrlich die Probleme anzugehen", bekräftigte Plevnelijev und warb für mehr Interesse für Südosteuropa. "Das ist ein Markt im Aufbruch und Bayern kann davon profitieren. So wie wir umgekehrt vom Engagement profitieren würden", schloß Plevnelijev seinen leidenschaftlichen Appell.

 

 

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