EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Landtag

Donnerstag, 14. Juni 2018
– Von Zoran Gojic –



Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, hat auf Einladung von Landtagspräsidentin Barbara Stamm im Bayerischen Landtag zu den Abgeordneten gesprochen.



In ihrer Begrüßung forderte Landtagspräsidentin Barbara Stamm eine engere Zusammenarbeit der politischen Ebenen in Europa. „Wir müssen drängende Fragen beantworten: Wie können wir den Menschen ihre Befürchtung nehmen, die europäischen Institutionen würden alles an sich ziehen und wären scheinbar übermächtig? Und – ganz zentral: Wie können wir den Menschen wieder näherbringen, welchen Mehrwert die Europäische Union für uns alle hat? Auf diese Fragen brauchen wir rasch überzeugende Antworten. Und wir werden sie nur dann finden, wenn wir auf allen Ebenen zusammenarbeiten. Wenn jede Ebene das tut, was sie am besten kann. Die Europäische Union sollte sich wieder mehr auf das konzentrieren, was in den Verträgen steht. Nur so können Gestaltungsspielräume und Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten und ihrer Regionen bewahrt werden. Sehr geehrter Herr Präsident, niemand kann Sie dabei besser unterstützen als die Landesparlamente! Denn es sind unsere Abgeordneten, die Tag für Tag im engen Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern stehen. Sie können die europäische Politik vor Ort vermitteln! Sie können das oft beklagte Demokratie-Defizit Europas ausgleichen!“

Für europäische Lösung der Flüchtlingsfrage

Jean-Claude Juncker räumte ein, dass man in der Vergangenheit möglicherweise zu kleinteilig agiert habe, was sich aber geändert habe. „Die EU soll sich nicht um alles kümmern. Sie darf es auch nicht. Und sie muss es auch nicht.“ Allerdings gebe es große Herausforderungen, die nur die EU gemeinsam bewältigen könne. Es gebe seit dem Fall des Eisernen Vorhangs 27 neu entstandene Staaten in Europa, an den Grenzen des Kontinents tobten Konflikte und damit verbunden würden immer mehr Flüchtlinge den Weg nach Europa suchen. „Man hat mir geraten, elegant an diesem Thema vorbeizureden“, erklärte Juncker um dann eindeutig zu erklären: „Ich sage trotzdem, ich bin für eine europäische Lösung.“ Die müsse allerdings bald kommen, ewig könne man nicht darauf warten. Gerade Bayern habe sich während des Höhepunkts der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 vorbildlich verhalten, bekräftigte Juncker und fügte an, es sei aber nicht gerecht, wenn einige wenige in Europa die gesamte Last schultern würden. Zudem müsse man das Thema langfristiger und nachhaltiger angehen.

Die Mitgliedsstaaten sind in der Verantwortung

„Es ist klüger in den betroffenen Ländern in Afrika in Arbeitsplätze zu investieren, anstatt Boote im Mittelmeer untergehen zu lassen“, sagte Juncker. Die Verantwortung dabei läge auch bei den Mitgliedsstaaten. „Die Länder können nicht immer nur nach Lösungen rufen und dann ausschließlich die Kommission mit der Suche betrauen.“ Gleichzeitig sei es auch richtig, die Grenzen der EU zu sichern. Nicht, um eine Festung Europa zu schaffen, betonte Juncker. Europa gewähre doppelt so vielen Menschen Asyl wie die USA und Kanada zusammen, da könne von Abschottung keine Rede sei. Es gehe darum, das Funktionieren der Gemeinschaft zu gewährleisten und das Vertrauen in die Institutionen wieder zu gewinnen.


„Die Menschen glauben, die Kommission sei für alles zuständig

Dazu brauche man den Kontakt zu den Menschen vor Ort, deswegen haben Mitarbeiter der Kommission in seiner Amtszeit 793 National- und Regionalparlamente besucht und über 800 Bürgergespräche geführt. Dabei sei ihm aufgefallen, dass viele Menschen der Meinung seien, die Kommission sei mehr oder weniger für alles zuständig. Da würden es sich viele zu leicht zu machen, das entspreche schlicht nicht der Wahrheit. Ebenso wie die Vorstellung des Molochs, der Unsummen verschlinge. „Die EU kostet jeden Einwohner eine Tasse Kaffee am Tag – das sollte uns Europa schon wert sein.“

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