Landtag 1945-1950: fünf Frauen mit großem politischen Einfluss

Heute: Der politische Weg von Friedl Schlichtinger

08. März 2024

MÜNCHEN       Auch wenn der Frauenanteil in der ersten Legislaturperiode bei nur knapp drei Prozent lag – der Einfluss der fünf ersten weiblichen Abgeordneten war enorm. Wer waren diese Frauen? Dämmte die eine von ihnen eine drohende Epidemie ein, rettete die andere einer jüdischen Familie das Leben. Anlässlich des Weltfrauentages am 8. März veröffentlicht der Bayerische Landtag in dieser Woche täglich ein weiteres Kurzportrait von den fünf spannenden Persönlichkeiten Dr. Maria Probst (CSU), Zita Zehner (CSU), Franziska Gröber (CSU), Maria Deku (CSU) und Friedl Schlichtinger (SPD).

Maria Probst (CSU)

Über Bayerns Grenzen hinaus bekannt wurde die CSU-Abgeordnete Dr. Maria Probst erst als Bundestags- und Europa-Abgeordnete. Doch ihr Leben war von Anfang an mit der Politik verbunden.

Der politische Weg der „Maria Hilf“

Probst heiratete nach ihrer Promotion im selben Jahr Dr. Alfons Probst, Landtagsabgeordneter der Bayerischen Volkspartei und Landtagsvizepräsident. Zu Kriegsbeginn wurde er Soldat und fiel in den letzten Kriegsmonaten im März 1945 als Major der Reserve bei Danzig. Im unterfränkischen Hammelburg sorgte die Kriegerwitwe als Lehrerin für die Familie und engagierte sich politisch. Sie gehörte zu den Mitbegründerinnen der CSU und kümmerte sich mit außergewöhnlichem Engagement um Kriegsflüchtlinge, Witwen und Kriegsbeschädigte. Als eine Typhusepidemie drohte, handelte Maria Probst: Sie besorgte Bezugsscheine für neue Wasserleitungsrohre und trieb darüber hinaus auch noch Impfstoffe gegen die Maul- und Klauenseuche auf, die im Viehbestand in der Landwirtschaft ausgebrochen war. Das besondere Anliegen der CSU-Abgeordneten galt der besseren Versorgung der Kriegsopfer – was ihr bald bei den Ministerien und Behörden den Spitznamen „Maria Heimsuchung” einbrachte. Noch größer aber war ihr Ruf bei all jenen, denen sie geholfen hatte. „Maria Hilf” lautete ihr Beiname landauf und landab. 1949 wurde ihr eine Direktkandidatur für den ersten Bundestag angetragen und Probst für den Wahlkreis Karlstadt gewählt. Dort wurde sie im Herbst 1965 nach 17-jähriger Tätigkeit in Ausschüssen und Plenum als Nachfolgerin des CSU-Politikers Dr. Richard Jäger zur Bundestagsvizepräsidentin gewählt – als erste Frau in diesem Amt.

Die „Euro-Maria“

Eine zweite Leidenschaft galt dem europäischen Gedanken, der Wiedergewinnung und Anerkennung Deutschlands im Ausland. Dabei stieß sie bald zu der 1955 gegründeten Europäischen Frauen-Union (EFU), ein Zusammenschluss von Frauengruppen der christlich-demokratischen und konservativen Parteien. Ihr Engagement brachte ihr einen weiteren Spitznamen ein: „Euro-Maria”. 1963 wurde sie als erste Deutsche zur Präsidentin der Europäischen Frauen-Union gewählt. Weil die Politik ihre ganze Kraft in Anspruch nahm, galten ihre vier Enkelkinder als ihr einziges Steckenpferd. Probst starb am 1. Mai 1967 krankheitsbedingt nach einer vergeblichen Operation in Bonn.

Zita Zehner (CSU)

Innerhalb ihrer vierundzwanzigjährigen Parlamentsarbeit ist die CSU-Abgeordnete Zita Zehner zur Institution geworden. Als Schriftführerin saß sie eine Stufe tiefer zur rechten Seite des Landtagspräsidenten.

Vom Gefängnis zum Lebensmittelhandel

Zehner trat 1927 dem katholischen Frauenbund bei, brachte eine landwirtschaftliche Zeitschrift heraus und organisierte Weiterbildungsveranstaltungen für die Land- und Hausfrauen. Ihr Engagement fand 1933 ein Ende: Sie kam nicht nur für kurze Zeit hinter Gitter, ihr wurde auch jegliche Tätigkeit in der Öffentlichkeit untersagt. Aber ihr Organisationstalent setzte sie anderweitig ein und startete einen Lebensmittelhandel.

Der politische Weg: eine starke Stimme für Frauen

Nach dem Krieg war sie Mitbegründerin der Frauen-Union der CSU und noch von der Militärregierung 1945 in den Münchner Stadtrat berufen worden. Im Parlament setzte sich Zehner für die Versorgung der Kriegsversehrten sowie der Kriegerwitwen und -waisen ein. In der ersten Wahlperiode von 1946 bis 1950 engagierte sie sich als Stimmkreisabgeordnete im Münchner Osten. Schließlich gehörte sie auch dem Gefängnisbeirat der Frauenstrafanstalten Aichach, Rothenfeld und Stadelheim an und wurde Mitglied des Beirats für Wiedergutmachung. In der zweiten Wahlperiode verlor sie in ihrem Stimmkreis das Direktmandat, hatte aber keine Mühe, über die Wahlkreisliste in den Landtag zurückzukehren. Im Landtag selbst gehörte sie als Schriftführerin auch 24 Jahre dem Präsidium, 18 Jahre dem Ältestenrat und während der ganzen Zeit auch dem Fraktionsvorstand der CSU an.

Zehner gehörte auch gleichzeitig als Vorsitzende der Frauen-Arbeitsgemeinschaft der CSU an, der späteren Frauen-Union, und als solche bemüht, den Frauen in der Politik einen stärkeren Stellenwert zu verschaffen. 1970 zog sie sich nach Landtags- und Parteiarbeit in das Privatleben zurück. Sie hatte sich inzwischen in Birkenstein, Gemeinde Fischbachau bei Bayrischzell, eine kleine Fremdenpension, das „Haus Maria”, aufgebaut. In ihrem 78. Lebensjahr verstarb die ledig gebliebene Politikerin am 10. September 1978.

Franziska Gröber (CSU)

Für den Stimmkreis Augsburg II wurde Franziska Gröber 1946 in das erste bayerische Nachkriegsparlament gewählt. In der ihr zur Heimat gewordenen Schwabenmetropole Augsburg ist Gröber 1946 in den ersten Stadtrat berufen und in den Jahren 1948 und 1952 erneut wiedergewählt worden. Ihre Ausbildung als Verkäuferin hatte sie noch vor dem ersten Weltkrieg in einem Münchner Lebensmittelgeschäft absolviert und baute nach dem ersten Weltkrieg ein eigenes auf.

Der politische Weg: Engagement für viele Gremien

Gröber trat 1920 dem katholischen Frauenbund bei und schloss sich bereits in jungen Jahren der Bayerischen Volkspartei an. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges engagierte sie sich als Gründungsmitglied der CSU sowie im Ältestenrat des Landtags. Sie gehörte dem sozialpolitischen Ausschuss mit seinen Unterausschüssen für Wohnraumfragen, für das Fürsorgewesen sowie für die Sozialversicherung an, was die Schwerpunkte ihrer Arbeit deutlich machte. Darüber hinaus arbeitete sie im Flüchtlingsausschuss, dessen Unterausschuss Bauabteilung sowie im Wirtschaftsausschuss tätig. Gröber engagierte sich auch im Wohnungs- und Siedlungsausschuss samt seinem Unterausschuss Bautechnik. Schließlich wurde sie von ihrer Fraktion noch in den Ausschuss Bayern-Pfalz delegiert. Allein die bloße Aufzählung dieser Gremien dokumentiert ihre Mitwirkung beim Wiederaufbau der kriegszerstörten Heimat. Gröber starb am 27. Mai 1952 nach längerer Krankheit und wurde in Augsburg beigesetzt.

Maria Deku (CSU)

Fünfzehn Monate gehörte Maria Deku dem ersten bayerischen Nachkriegslandtag an. Sie schied aufgrund von persönlichen Gründen aus dem Landtag und kehrte in ihre rheinische Heimat zurück.

Vom Rheinland nach Regensburg

Geboren in Düsseldorf heiratete Maria Karwatzki 1922 den Juristen Dr. Rudolf Deku. Elf Jahre später kam es zur Entlassung ihres Mannes, der als Stadtsyndikus in Krefeld gearbeitet hatte, weil er als Gegner des Nationalsozialismus bekannt war. Für das Ehepaar, das inzwischen drei Kinder hatte, begann eine Odyssee von wechselnden Stellen und Umzügen. 1943 fand Deku im Landkreis Regensburg eine neue Unterkunft für die Familie. Ihr Mann hatte ein Angebot erhalten, als Jurist in der katholischen Kirche in Rio de Janeiro zu arbeiten. Die Familie begann, portugiesisch zu lernen und regelmäßig Geld nach Amsterdam zu bringen, um es für eine gemeinsame Schiffspassage nach Südamerika zu hinterlegen.

Zuflucht für jüdische Familien

Als 1938 die Judenpogrome begannen, wurde das Haus der Dekus zu einer zeitweisen Zufluchtsstätte für jüdische Freunde. An sie verschenkte die Familie Deku schließlich das Geld für die angesparte Schiffspassage – was schließlich zur Rettung ihrer jüdischen Freunde beitrug. Allerdings endete damit der Traum der Auswanderung. Nach Kriegsende wurde Deku politisch aktiv und die Militärregierung setzte sie als Dezernentin bei der Regierung von Niederbayern/Oberpfalz – damals noch vereinigt – im Entnazifizierungsreferat ein.

Der politische Weg: mehr Frauenbildung

Deku zählte zu den ersten Mitgliedern der örtlichen und überörtlichen CSU, deren Landesausschuss sie 1946 angehörte. Im Landtag engagierte sie sich im Flüchtlings-, im Entnazifizierungs- und im Besoldungsausschuss. Darüber hinaus setzte sie sich für eine bessere politische Bildung der Mädchen ein. Denn ihrer Meinung nach sollten mehr Frauen auf allen Gebieten der Politik und Wirtschaft, und zwar auch in führenden Positionen, tätig sein. Als ihr Mann Anfang 1948 Kreisdirektor in Aachen wurde, legte sie ihr Landtagsmandat nieder, um ihm zu folgen. Dort engagierte sie sich besonders in der internationalen Frauen- und Friedensbewegung und reiste als Pazifistin zu Frauenkongressen nach England, Russland, Polen, Schweden und in die Tschechoslowakei, um für den Frieden zu werben. Sie starb 1983 im Alter von 82 Jahren in einem kleinen Ort bei Saarbrücken bei ihrer ältesten Tochter.

Friedl Schlichtinger (SPD)

Die 1911 in Regensburg geborene Friedl Schlichtinger war die erste Sozialdemokratin im bayerischen Nachkriegslandtag und Mitbegründerin der Regensburger Sozialdemokratie.

Mitbegründerin der SPD

Schlichtinger gehörte zu einem kleinen Kreis überzeugter Sozialdemokraten, die bereits im Juni 1945 damit begannen, die SPD in Regensburg und später auch auf Bezirksebene wieder zu begründen. Sie traf sich mit den ehemaligen Genossen und Gesinnungsfreunden schon wenige Wochen nach Kriegsende: am 17. Juni 1945 erstmals im alten Regensburger Rathaus, um später auch den SPD-Bezirksverband Niederbayern/Oberpfalz mit zu organisieren.

Der politische Weg: vom Stadtrat in den Landtag

Schlichtinger arbeitete entsprechend ihrer Ausbildung als Fürsorgerin und setzte sich während ihrer Mitgliedschaft im Bayerischen Landtag im Ausschuss für sozialpolitische Fragen ein. Außerdem wirkte sie im Gefängnisbeirat der Strafanstalt Amberg mit. Aufgrund ihres politischen Engagements gelang sie 1946 in den Regensburger Stadtrat und wurde 1948 sowie 1952 in diesen wiedergewählt. Aus dem Amt schied sie schließlich aus, als ihr vier Jahre jüngerer Bruder – Rudolf Schlichtinger, der ebenfalls Landtagsabgeordneter war – zum Regensburger Oberbürgermeister gewählt wurde. Der Grund: Geschwister durften nicht gleichzeitig in Stadtparlament und Stadtspitze arbeiten. Im Herbst 1946 kandidierte sie außerdem für den Landtag, erhielt aber als Stimmkreisabgeordnete in Regensburg nicht genügend Stimmen, sondern wurde erste Nachrückerin. Als ihr Parteifreund Endemann verstarb, kam sie im Mai 1950 in den Landtag und gehörte diesem bis zum Ende der Legislaturperiode im November an. Ein zweites Mal kandidierte sie nicht, um sich auf die lokalpolitische Arbeit und ihren Beruf zu konzentrieren. Die unverheiratet gebliebene Schlichtinger starb im Alter von 54 Jahren im März 1965 im elterlichen Haus in der Regensburger Spiegelgasse.

/Anja Guthardt

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