Québec besucht Bayern: „Parität sollte selbstverständlich sein“

Austausch zwischen Landtagspräsidentin Ilse Aigner und der Quebecerin Martine Biron, Ministerin für Internationale Angelegenheiten, Frankophonie und Frauenangelegenheiten

21.02.2024

MÜNCHEN     Quotenregeln, Wahlsysteme sowie Lust auf politisches Engagement – bevor Landtagspräsidentin Ilse Aigner im Mai in die kanadische Provinz Québec reist, hat sie sich mit der Quebecerin Martine Biron, Ministerin für Internationale Angelegenheiten, Frankophonie und Frauenangelegenheiten, im Bayerischen Landtag ausgetauscht. Beide Frauen waren sich einig: Künftige Generationen sollten es im Punkt Gleichberechtigung deutlich einfacher haben.

Bereits seit 35 Jahren überwinden Akteurinnen und Akteure aus Politik, Wirtschaft und Bildungseinrichtungen die über 6100 km Entfernung zwischen München und Montréal und beleben die Partnerschaft im Rahmen gegenseitiger Besuche in Bayern und Québec. Die erste bilaterale Kooperationsvereinbarung zwischen den beiden Ländern unterzeichneten am 18. Januar 1989 der damalige Ministerpräsident Max Streibl und der Québecer Premierminister Robert Bourassa. Dieses Jubiläum nahm Martine Biron, Ministerin für Internationale Angelegenheiten, Frankophonie und Frauenangelegenheiten, zum Anlass ihrer Deutschlandreise mit Aufenthalten in Hamburg, Berlin und in Bayern. „Mein erster Besuch in Bayern ist es nicht, als politische Journalistin war ich an der Seite von Premierminister Jean Charest im Jahr 2011 schon einmal hier und in Volksvertretungen wie dem Bayerischen Parlament fühle ich mich – als ehemalige Journalistin – immer wohl“, erläuterte Biron ihre Freude über den Austausch zu Beginn des Gesprächs mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner.

Frauen in den Parlamenten

Martine Biron hatte nach ihrer Karriere als Journalistin und Politikanalystin im August 2022 ein politisches Amt angestrebt. Bei den Wahlen im Oktober 2022 ist sie in die Assemblée Nationale gewählt und zur Ministerin für internationale Angelegenheiten und Frankophonie ernannt worden. Als Ministerin setzt sich Biron nun im Parlament der kanadischen Provinz Québec verstärkt für das Recht der Frauen ein. „Schließlich sind 50 Prozent der Bevölkerung Frauen, warum sollte das nicht auch überall sonst so sein? Die Volksvertretung in Québec besitzt einen Frauenanteil von 46 Prozent wie auch das Kabinett. Das ist sehr gut, aber es bleibt noch einiges zu tun – für uns Frauen, aber auch die Männer müssen etwas dafür tun“, sagte Biron. Landtagspräsidentin Ilse Aigner stimmte mit dem Ziel komplett überein, auch wenn der Frauenanteil im Bayerischen Landtag dahingehend noch deutlich Luft lasse. „Das liegt unter anderem daran, dass die Abgeordneten durch Direktmandate und Listenmandate ins Parlament gelangen – da sind die Strukturen der Parteien für die Mehrheitsverhältnisse entscheidend“, erklärte die Präsidentin. In Québec sei es ebenfalls Aufgabe der Parteien, ihre Kandidaten aufzustellen, und da läge die Herausforderung vor allem darin, Frauen davon zu überzeugen für das Amt anzutreten, sagte Biron. Vizepräsident Markus Rinderspacher (SPD) nannte als Beispiel, dass in seiner Partei seit 1986 eine Quotenregel gelte, aufgrund derer abwechselnd Frau und Mann auf den Listen aufgestellt werden müssten. Die Folge sei ein Schub an weiblichen Mitgliederbeitritten in die Partei gewesen – der mittlerweile auch zu einem Frauenüberschuss in seiner Fraktion geführt habe.

Vertrauen statt Regeln

Vizepräsident Tobias Reiß (CSU) fragte, ob es in Québec Vorschriften gäbe oder es in der Eigenverantwortung der Parteien läge, für Parität zu sorgen. Biron erläuterte dahingehend die in Québec geltenden Regeln im Bereich der Besetzung von Verwaltungsräten. „Aber wir haben auch eine intelligente Wählerschaft, die durchaus ihre Wahl ohne Regeln treffen kann.“ Ein gewisser Druck von Seiten der Bevölkerung sei jedoch nötig, damit Frauen gleichberechtigt mitbestimmen können. „Grundsätzlich bin ich aber nicht für Regeln, sondern man sollte den Wählern vertrauen, dass sie die richtige Wahl treffen“, stellte Biron fest. Aigner pflichtete der Ministerin in diesem Punkt bei. „Bei uns in der Wirtschaft gibt es auch einige Vorschriften, was die Parität in Vorständen betrifft. Aber in der Politik bin ich auch sehr zurückhaltend, weil die Vergabe von Ämtern dezentral gepflegt wird“, sagte die Landtagspräsidentin. Biron deutete darauf hin, dass der Aufstieg auf der politischen Karriereleiter sicherlich schwieriger sei. „Sie haben auf Ihrer Karriereleiter schon einiges vorzuweisen und das ist in Ihrem jetzigen Amt als Landtagspräsidentin auch eine Botschaft, dass man als Frau etwas erreichen kann – da stehen Sie als bestes Beispiel dar“, lobte Biron zum Abschluss des Gesprächs. Die Anerkennung gab Aigner an die Quebecer Kollegin zurück. Sie hob zudem hervor, wie wichtig Kongresse wie der hausinterne „Frauen in Parlamente!“ seien, um die Motivation zu fördern und Barrieren abzubauen. Beide Politikerinnen bekräftigten, dass der Einstieg für Frauen in die Politik für folgende Generationen einfacher sein müsse, sodass Parität selbstverständlich werde und vor allem die Lust auf das Engagement wachse.

Die Partnerschaft zwischen Bayern und Québec

Seit 1989 bestehen enge bilaterale Beziehungen zwischen Bayern und Quebec, die durch eine bilaterale Kooperationsvereinbarung festgeschrieben wurden. Schwerpunkte der Zusammenarbeit liegen in der Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft mit mehr als 600 gemeinsamen Projekten. 2003 wurde die vierte Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Seit 1999 gibt es das Partnerschaftsabkommen zwischen dem Bayerischen Landtag und der Nationalversammlung Québecs, seit 2002 existiert eine interparlamentarische Zusammenarbeit aufgrund des Übereinkommens zur gemischten parlamentarischen Kommission Bayern-Québec. Ziel der Kommission ist ein Erfahrungs- und Kompetenzaustausch zwischen der Nationalversammlung von Québec und dem Bayerischen Landtag sowie die Förderung gemeinsamer Interessen. Anlässlich der 14. Sitzung der gemischten parlamentarischen Kommission Bayern-Québec reist Landtagspräsidentin Ilse Aigner im Mai 2024 in die kanadische Partnerregion.

/ Anja Guthardt

Randspalte

Back to top