„Der Landtag im Gespräch…“ – diesmal mit Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe

Dienstag, 28. November 2017

Von Zoran Gojic und Katja Helmö –


„Wir sind angetreten, um den sozialen Frieden in unseren Orten zu sichern und nicht, um Behördenkram zu erledigen.” Für diese klaren Worte bekam Ehrenamtskoordinatorin Andrea Gummert aus Fürstenfeldbruck viel Applaus bei der Veranstaltung

Der Landtag im Gespräch

. Landtagspräsidentin Barbara Stamm hatte ehrenamtliche Flüchtlingshelferinnen und -helfer aus ganz Bayern in das Maximilianeum eingeladen, um dort zu besprechen, was gut funktioniert, was besser werden könnte und wo die großen Probleme liegen für jene Menschen, die sich seit Jahren einbringen und mit dafür sorgen, dass die Integration gelingen kann.

Barbara Stamm wies in ihrer Begrüßung darauf hin, dass Ehrenamtliche nicht nur geben könnten, sondern auch Unterstützung benötigen. Gleichzeitig appellierte sie, nicht nur die Probleme zu sehen. Man solle auch darüber sprechen, was bereits gelungen und gut sei – da gebe es sehr viel Positives. „Integration kann dann funktionieren, wenn beide Seiten diese anstreben“, zeigte sich die Landtagspräsidentin überzeugt.


„Wir müssen im Dialog bleiben”



Nach einem Impulsreferat von Professor Sonja Haug über Entwicklungen und Perspektiven der vermehrten Zuwanderung beleuchteten Dieter Vierlbeck, stv. Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für München und Oberbayern, Schwabens Regierungspräsident Karl Michael Scheufele, Bernhard Rieger, Mitglied des Bayerischen Integrationsrates und Betreiber der Portalseite „Asylhelfer.Bayern“, die Ehrenamtskoordinatorin Andrea Gummert aus Fürstenfeldbruck sowie Prof. Dr. Klaus Meisel, 1. Vorsitzender des Bayerischen Volkshochschulverbands, die Herausforderungen und Chancen der Integration.

Andrea Gummert sieht im Dialog die größte Aufgabe für Verwaltung und Ehrenamtliche: „Wir haben viel geschafft, weil wir im direkten Gespräch pragmatische Lösungen gefunden haben. Und das würde ich gerne weiter so handhaben”, sagte Gummert. „Wir müssen weiter miteinander reden, das ist der beste Weg.“ Gummert beklagte aber auch den immensen bürokratischen Aufwand, der anfalle. Alleine die Bearbeitung der Briefe von Behörden sei zermürbend. Jeden Tag habe sie mit Behördenpost zu tun; und auch als gebildete deutsche Muttersprachlerin stellen sie die Schreiben in Behördendeutsch mitunter vor unlösbare Rätsel. 

Erfolgsgeschichten und Probleme

Karl Michael Scheufele, Regierungspräsident von Schwaben, erklärte, er sei stolz auf das, was die ehrenamtlichen Helfer und die Behörden in den letzten beiden Jahren geschafft haben. „Aber die Aufgaben werden immer anspruchsvoller und die Themen nicht leichter”, stellte er fest. Dieter Vierlbeck, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Oberbayern, zeigte auf, dass das Handwerk jungen Flüchtlingen eine Perspektive bietet – und umgekehrt. Immerhin 2.579 der insgesamt 71.905 Auszubildenden kämen aus den Hauptfluchtländern. Angesichts des Mangels an Fachkräften im Handwerk könnten es seiner Meinung nach aber noch deutlich mehr sein.


Viele hadern mit der Bürokratie



Gerade das Thema „Ausbildung und Arbeit” sorgte für lebhafte Debatten und Zwischenmeldungen. Denn ohne Erlaubnis der Ausländerbehörden kann kein Flüchtling einen Ausbildungsplatz antreten. Scheufele und Vierlbeck sprachen von Einzelfällen, aber Andrea Gummert ließ das nicht gelten: „Die Menschen sind doch da, denen muss man ein Angebot machen”, forderte sie.

Das Problem sei, so Bernhard Rieger, Mitglied des Bayerischen Integrationsrates, dass der behördliche Ermessensspielraum bei Entscheidungen in unterschiedlichen Landkreisen unterschiedlich ausgelegt werde. „Das kann man einem jungen Flüchtling schwer erklären, wenn einer aus dem Nachbarort arbeiten darf, und er selber nicht." Rieger schloss nicht aus, dass manche Sachbearbeiter in Ausländerbehörden sehr zurückhaltend seien, weil sie Druck von oben befürchteten.

Prof. Klaus Meisel, Vorsitzender des Bayerischen Volkshochschulverbands, warnte vor pauschalen Urteilen. Er sei bestürzt, wenn Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, in der politischen Rhetorik als Gutmenschen verunglimpft würden. Aber es sei umgekehrt genauso falsch, die Verwaltung in Bausch und Bogen zu kritisieren. „Da haben sehr viele Menschen in den Behörden viel geleistet und oft großes Verständnis aufgebracht.” Sehr zufrieden zeigte sich Meisel über den großen Zuspruch zu den angebotenen Deutschkursen: „Wir kehren vom Chaos-Modus zum Flexi-Modus zurück. Ohne die ehrenamtlichen Helfer hätten wir das nicht bewältigen können”, erklärte er. 182.000 Menschen im Freistaat lernten Deutsch als Fremdsprache. Wieviele davon Geflüchtete seien, werde allerdings nicht gesondert erfasst.

Diskussionen an 40 „Runden Tischen“

Die Statements und Einschätzungen auf dem Podium lieferten wichtige Impulse für die im Anschluss stattfindenden Diskussionen an 40 „Runden Tischen“. Hier saßen rund 300 Vertreterinnen und Vertreter des Ehrenamts mit den Fachleuten und Abgeordneten zusammen und analysierten gemeinsam die aktuelle Situation in der Flüchtlingshilfe. Ergebnis: Viele Ehrenamtler fühlen sich alleine gelassen und manchmal auch missbraucht – vor allem dann, wenn sie vor Aufgaben stehen, die eigentlich Angelegenheit des Staates sind.

Identitätsfeststellung, Wohnraum, Arbeitsplätze, Sprachkurse für Erwachsene – all das trieb die Ehrenamtlichen um, wie die zahlreichen, sehr konkreten Notizen erkennen ließen, die am Ende an den Tischen eingesammelt wurden. Dieser „Schatz an Ideen” wird über die Mitglieder der Enquete-Kommission „Integration in Bayern aktiv gestalten und Richtung geben“ an alle vier Fraktionen im Landtag weitergegeben.

Über allem stand das Motto „Respekt”. Man müsse sich mit Wertschätzung begegnen, auch wenn man in der Sache hart diskutiere. Ansonsten, so die Integrationsbeauftragte Kerstin Schreyer (CSU), würden sich die Fronten verhärten und extreme Gruppierungen davon profitieren. „Diejenigen, die die Integration nicht wollen, sollen keine Chance haben”, wünschte sie sich.

Ergebnisse der Diskussionsrunden(Dokument vorlesen)

Die Flüchtlingskrise und das damit verbundene Engagement von Ehrenamtlichen standen im Landtag bereits bei einem Empfang für ehrenamtliche Flüchtlingshelfer im Oktober 2016 sowie bei der Verleihung des Integrationspreises im Juni 2017 im Fokus. Schon damals wurden Problemfelder aufgezeigt, die es aus der Sicht der Ehrenamtlichen bei der Betreuung von Flüchtlingen gab und noch immer gibt: in der Zusammenarbeit zwischen ehren- und hauptamtlichen Kräften, bei den Bearbeitungszeiten von Anträgen und den damit verbundenen Formalitäten oder beim zum Teil uneinheitlichen Vorgehen der Bezirksregierungen. „Bei der Lösung mancher Probleme brauchen wir einen langen Atem. Das haben wir insbesondere festgestellt, wenn es um die bürokratischen Hürden geht“, erklärte Landtagspräsidentin Barbara Stamm, die den erneuten Gedankenaustausch zwischen Ehrenamtlichen und Fachleuten im Maximilianeum angestoßen hatte.

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