Ausschuss für Gesundheit und Pflege: Experten warnen vor Pflegenotstand

26.11.2019
– Von Anna Schmid –

Es wird immer schwieriger, Fachkräfte zu finden und Stellen in der Pflege neu zu besetzen, so die Sachverständigen einer Expertenanhörung zum Thema pflegerische Versorgung in Bayern. Sie diskutierten verschiedene Ansätze, mit denen der Personalmangel behoben werden soll: Etwa der Einsatz von Pflegerobotern, die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland oder die Akademisierung des Pflegepersonals.

Aktuell fehlen nach Zahlen der Bundesregierung in Bayern rund 5000 Pflegekräfte. Georg-Sigl-Lehner, Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB), geht davon aus, dass es mehr sind. „Auch Bayern befindet sich in einem besorgniserregenden Pflegenotstand“, sagte er.

In den kommenden Jahren werde der Fachkräftemangel noch zunehmen, so auch Siegfried Benker, Geschäftsführer des Heimträgers MÜNCHENSTIFT GmbH. Ohne Zuwanderung wäre die Pflege in München nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Mit dem Wort „Pflegenotstand“ wolle er, ohne das Problem wegzudiskutieren, noch zurückhaltend sein, so Harold Engel von der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern (ARGE).

Wolfgang Obermair, stellvertretender Landesgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes, spricht von einem Pflegenotstand und erwartet, dass dieser sich weiter zuspitzt: Familienstrukturen ändern sich, der Bedarf nach professioneller Pflege steigt.

Das beobachtet man auch beim Landesamt für Pflege, dessen Präsident Dr. Dr. Markus Schick Stellung nahm. Vor allem in den ländlichen Regionen sei eine Unterversorgung nicht auszuschließen.

Das Problem sei nicht nur quantitativer Natur, sagte Professorin Constanze Giese von der Fakultät Gesundheit und Pflege der Katholischen Stiftungshochschule in München.

Pflegende Angehörige – kein Bollwerk gegen den Fachkräftemangel

Pflegende Angehörige seien kein Bollwerk gegen den Fachkräftemangel, betonte Brigitte Bührlen von WIR! Stiftung pflegender Angehöriger. Manchmal gibt es keine. Und zunehmend gebe es Menschen, die von sich sagen, dass sie nicht pflegen können oder wollen.

Noch sei man einen Schritt von der Feststellung eines Notstands entfernt, sagte Joachim Görtz, Leiter der bayerischen Landesgeschäftsstelle des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. Doch niemand wisse, wann dieser zu gehen sei.

Dr. Klaus Schulenburg, Leiter der Abteilung Soziales, Gesundheit, Krankenhauswesen des Bayerischen Landkreistags, sprach von einem Teufelskreis aus Fachkräftemangel und gefühlter Unattraktivität des Berufs. „Man muss das System Pflege neu denken“, forderte er – ein Ansatz, für den er unter anderem auch vom Abgeordneten Klaus Holetschek (CSU) Zustimmung bekam.

Ein Grund für den Fachkräftemangel sei die Einführung von Pflegeuntergrenzen in Krankenhäusern in pflegeintensiven Bereichen, sagte Anne Erd vom Fachreferat Altenhilfe und Pflege des AWO-Landesverbands Bayern. Seitdem werben viele Kliniken Mitarbeitende der AWO ab.

Teilweise können stationäre Plätze nicht belegt werden und bleiben Menschen vorübergehend unversorgt, sieht man bei der Freien Wohlfahrtspflege. Deren Geschäftsführer Wilfried Mück betonte aber auch, dass die Pflege überwiegend hervorragend geleistet werde.

„Pflege geht uns alle an. Früher oder später“

Der Abgeordnete Andreas Krahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wollte wissen, ob Profis aus der Pflege bei der Entwicklung von Pflegerobotern eingebunden seien. Andreas Winhart (AfD) fragte, wie man zur Akademisierung der Pflege steht.

Die Entwicklung der Technik sei nur sinnvoll, wenn Pflegende miteinbezogen würden, antwortete Professorin Giese. Von der Akademisierung sei man noch weit entfernt. In den kommenden Jahren würden Akademiker eher verloren gehen, weil sie auch in anderen Bereichen gefragt sind.

Die Bedeutung der Akademisierung betonte unter anderem auch Generaloberin Edith Dürr, Vorstand des bayerischen Landespflegerats BAY.ARGE. Sie sei „elementar“, auch im Hinblick auf die Attraktivität des Berufs.

Der FDP-Abgeordnete Dr. Dominik Spitzer wollte von Dr. Dr. Schick wissen, wie er den Anstieg der Mängelfeststellung durch die FQA (Qualitätsentwicklung und Aufsicht) bewertet. Man müsse die neue Situation abwarten, antwortete der. Im Oktober ist ein neues System zur Bewertung von Heimen an den Start gegangen.

Die stellvertretende Vorsitzende Ruth Waldmann (SPD) ging auf die Bedeutung der Tages- und Kurzzeitpflege ein. Diese Plätze seien notwendig, um Angehörige zu entlasten, sagte auch Dr.Dr. Schick.
Professor Peter Bauer (FREIE WÄHLER), Beauftragter der Staatsregierung für Gesundheit und Pflege, sagte zum Abschluss: „Pflege geht uns alle an. Früher oder später.“
 


 

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