Der Akademiesaal und die Frauen

An den Wänden des Akademiesaals im Maximilianeum sind große Persönlichkeiten der Weltgeschichte abgebildet. Man findet hier großherzige Wohltäter, kühne Entdecker und geniale Erfinder – eine herausragende Versammlung. Allerdings bemerkt man bei ganz genauer Betrachtung, dass hier anscheinend eine Kleinigkeit übersehen wurde. Denn es sind allesamt: Männer.

Und auch wenn sich daran seit der Fertigstellung des Maximilianeums im Jahre 1874 nichts geändert hat, ist es doch allmählich Zeit, das in unserem Film einmal genauer zu beleuchten…

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Dass Frauen in der Vergangenheit in fast allen gesellschaftlichen Bereichen benachteiligt oder ausgegrenzt wurden, ist wohl den meisten bekannt. Aber mit welcher systematischen Härte Frauen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts von Bildung und Wissenschaft ferngehalten wurden, hat uns bei der Recherche für unseren Film doch erstaunt.

Die Schuld hierbei kann man leider nicht nur dem damaligen starren Rollenbild in die Schuhe schieben. Und es reicht auch nicht als Erklärung, dass die meisten männlichen Zeitgenossen glaubten, Frauen könnten nicht wirklich logisch denken und hätten somit im akademischen Bereich nichts zu suchen. Tatsächlich ging es letztlich einfach darum, Frauen auf jeden Fall aus bedeutenderen Positionen fernzuhalten.

Dementsprechend war ein wenig Bildung zwar in Ordnung (Mädchen durften großzügigerweise sogenannte höhere Töchterschulen besuchen), aber auch nur, damit sie ihre zukünftigen Ehemänner in der Küche und im Haushalt nicht enttäuschten. Das Abitur jedoch durften Frauen bis Anfang des 20. Jahrhunderts nur mit einer Sondergenehmigung ablegen. Somit gab es nur ganz wenige Frauen, die überhaupt die formale Befähigung zu einem Universitätsstudium hatten – und die wiederum wurden dann in der Regel von den Universtäten nicht zum Studium zugelassen. Erst um 1900 änderte sich das allmählich, und in Bayern war für Frauen eine reguläre Einschreibung an Universitäten ab dem Jahr 1903 möglich. Der Kampf um Gleichberechtigung hatte aber erst begonnen.

8. März: Internationaler Frauentag

Mit unserer filmischen Würdigung möchten wir nicht nur an die unerträglich lange Unterdrückung von Frauen erinnern, sondern auch auf den Internationalen Frauentag hinweisen. Dieser findet seit 1911 statt und wird seit 1921 jährlich am 8. März gefeiert.

Zu Beginn setzten sich Frauen für das eigene Wahlrecht, Gleichberechtigung und die Emanzipation der Arbeiterinnen ein. Das Wahlrecht erhielten Frauen dann im Jahr 1918. Gleichberechtigung hingegen war noch lange nicht hergestellt. Auch heute noch zeigen die Feierlichkeiten zum Weltfrauentag die Ungleichheiten auf, mit denen Frauen in der modernen Welt tagtäglich konfrontiert sind. Denn obwohl Frauen mittlerweile theoretisch alle Wege offenstehen, ist ihre Ungleichstellung immer noch in vielen Bereichen spürbar – wenn es etwa um Lehrstühle, Aufsichtsratsposten oder auch nur die Arbeitsteilung im Haushalt geht. Der Kampf der Frauenrechtlerinnen ist also auch heute noch relevant und sollte nicht nur am 8. März eine Rolle spielen.

Daher möchten wir die bemerkenswerten Frauen, die wir in unserem Film würdigen, als Vorbilder hervorheben. Denn sie ließen sich auch von erdrückenden Hindernissen weder einschüchtern noch zurückhalten – weil ihre Leidenschaft für Wissenschaft und Kunst stärker war als alle Schikanen, die eine frauenfeindliche Gesellschaft ihnen in den Weg legte.

Die Frauen im Video

Hier stellen wir unsere Auswahl an großartigen Frauen vor, die nun zumindest virtuell den Akademiesaal schmücken und ihren Nebenmännern in nichts nachstehen:

Bettina von Arnim (4. April 1785 - 20. Januar 1859), Schriftstellerin und bedeutende Vertreterin der deutschen Romantik

Sie wird als emanzipierte, vielbegabte und neugierige Frau gesehen, die sich erfolgreich für persönliche Unabhängigkeit und geistige Freiheit einsetzte, für sich wie auch für andere Menschen. Insbesondere engagierte sie sich für Arme und Benachteiligte, sie kämpfte gegen Antisemitismus, für die Abschaffung der Todesstrafe und für die politische Gleichstellung der Frau.

Bettina von Arnims kritischer Geist zeigte sich beispielsweise in ihrem Buch „Dies Buch gehört dem König“, das aus fiktiven Dialogen zwischen der Mutter Goethes und der Mutter des Königs von Preußen besteht und das in Bayern verboten wurde. Nennenswert ist auch, dass sie den Ideen der Frühsozialisten nahestand und 1844 an einem „Armenbuch“ arbeitete, das als Dokumentation zur Armenfrage gedacht war und die Lage der Weber hervorheben sollte. Zur Veröffentlichung des Buches kam es jedoch nicht, weil Bettina von Arnim verdächtigt wurde, den schlesischen Weberaufstand angezettelt zu haben. Sie wurde daraufhin wegen Anstiftung zum Aufstand angeklagt und entging nach einem Prozess einer Gefängnisstrafe nur durch Hilfe von einflussreichen Freunden.

Maria Sibylla Merian (2. April 1647 - 13. Januar 1717), Naturforscherin und Künstlerin sowie wichtige Wegbereiterin der modernen Insektenkunde

Schon früh erforschte sie aus eigenem Interesse Blumen und Insekten. Später veröffentlichte sie ihre wissenschaftlichen Forschungen in selbst geschriebenen, selbst illustrierten und selbst verlegten Kupferstichen.

Besonders erstaunlich für eine Frau ihrer Zeit ist der Umstand, dass Maria Sibylla Merian 1685 ihren Ehemann verließ und nach Amsterdam zog. Von dort aus brach sie mit 52 Jahren und nur in Begleitung ihrer Tochter auf eine Forschungsreise nach Surinam auf, das zu diesem Zeitpunkt eine niederländische Kolonie war. Ihr Ziel war es, die Lebenszyklen exotischer Schmetterlinge in den Tropenwäldern zu erforschen. Diese Reise, die sie ohne jegliche männliche Begleitung tätigte, widersprach allen Konventionen der Zeit.

Maria Sibylla Merian wurde von ihren Zeitgenossen für ihre Eigenständigkeit, ihre Zuverlässigkeit und ihre sachliche und sympathische Art hoch geachtet. Im 19. Jahrhundert wurde sie leider weitestgehend als Malerin von Blumen-Aquarellen abgetan. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde ihre Bedeutung wiederentdeckt.

Annette von Droste-Hülshoff (12. Januar 1797 - 24. Mai 1848), wichtigste deutschsprachige Dichterin des 19. Jahrhunderts

Bereits als Kind erhielt Annette von Droste-Hülshoff zusammen mit ihren Brüdern eine umfassende Ausbildung, die u.a. Mathematik, Latein, Griechisch, Niederländisch und Italienisch beinhaltete. Sie entwickelte auch früh eine Leidenschaft für Musik und erhielt eine umfangreiche musikalische Ausbildung.

Zu Lebzeiten fand sie als schreibende Frau kaum Anerkennung, heute gilt sie als eine der bedeutendsten deutschen Dichterinnen und ist aufgrund ihrer Opferbereitschaft und ihres Selbstbewusstseins das Vorbild vieler Frauen. Da sie ihr Leben lang nicht heiratete, musste auch sie sich dem Diktat der gesellschaftlichen Regeln des 19. Jahrhunderts unterwerfen und konnte ihre volle gestalterische Kraft nicht entfalten.

Besonders erwähnenswert ist ihre Vernetzung in der damaligen Gesellschaft. Denn Annette von Droste-Hülshoff pflegte ihr Leben lang brieflichem Kontakt mit vielen intellektuellen Zeitgenossen, wie beispielsweise den Gebrüdern Grimm.

Caroline Herschel (16. März 1750 - 9. Januar 1848), Astronomin

Sie leistete durch die Entdeckung mehrerer Kometen sowie die Berechnung genauer astronomischer Reduktionen, also Berechnungen, die die sphärischen Koordinaten betreffen, wichtige Beiträge zur Astronomie. Außerdem verdanken wir ihr einen Zonenkatalog hunderter Sternhaufen und Nebel. Heute ist ein Komet nach ihr benannt, der Komet 35P/Herschel-Rigollet.

Ursprünglich ließ sich Caroline Herschel zur Konzertsängerin ausbilden, doch ihre Leidenschaft zur Astronomie beanspruchte schon bald ihre gesamte Aufmerksamkeit und somit unterstütze sie ihren Bruder Wilhelm lieber bei seinen astronomischen Beobachtungen, anstatt Konzerte zu geben. Nachdem Wilhelm 1781 den neuen Planeten Uranus entdeckt hat, erhielt auch Caroline, als Teil des Herschel-Forschungsteams, ein festes Gehalt von jährlich 50 Pfund. Sie ist damit die erste Frau, die den Beruf der Astronomin ausübte.  

Ihre astronomischen Tätigkeiten waren besonders zwischen 1786 und 1797 von Erfolg gekrönt: Sie entdeckte in dieser Zeit acht Kometen, darunter den Enckeschen Kometen sowie vierzehn Nebel. Außerdem verfasste sie einen Katalog für Sternhaufen und Nebelflecke, sowie einen Ergänzungskatalog zu Flamsteeds Sternatlas, der 561 Sterne umfasste. Als erste Frau wurde Caroline Herschel schließlich 1828 mit der goldenen Medaille der Royal Astronomical Society sowie 1846 mit der goldenen Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften geehrt.

Clara Schumann (13. September 1819 - 20. Mai 1896), Pianistin, Komponistin, Klavierprofessorin und Editorin

Sie startete ihre Karriere als „Wunderkind“ und legte mit ihren Auftritten einen Grundstein für das Konzertrepertoire des späten 19. und des 20. Jahrhunderts.

Seit ihrem fünften Lebensjahr erhielt Clara Schumann von ihrem Vater Klavierunterricht sowie eine gezielte Schulung der Anschlagskultur und Gehörbildung. Ergänzend dazu wurde sie in Musiktheorie und Komposition unterrichtet, was ihre Karriere als Klaviervirtuosin systematisch vorbereitete. Ihre Konzerttourneen führten Clara Schumann durch ganz Deutschland, aber auch nach England, Holland, Belgien, Frankreich, Österreich, Ungarn und in die Schweiz.

Schumanns Kompositionen gerieten nach ihrem Tod schnell in Vergessenheit und wurden erst von der Frauenmusikforschung in den 1970er Jahren wiederentdeckt.

Marie Sophie von La Roche (6. Dezember 1730 - 18. Februar 1807), Schriftstellerin

Marie Sophie von La Roche war die Großmutter von Bettina von Arnim, die wir in diesem Rahmen bereits vorgestellt haben. Sie gilt als erste finanziell unabhängige Berufsschriftstellerin und als erste Vertreterin moderner Unterhaltungsliteratur in Deutschland. Außerdem war sie Herausgeberin und Autorin der ersten deutschen Frauenzeitschrift „POMONA“, die sogar von der russischen Zarin Katharina der Großen abonniert wurde.

Ihr 1771 erschienener Roman „Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim“ erregte großes Aufsehen und erreichte auch ein neues Lesepublikum: Frauen aus dem allmählich sich emanzipierenden, gebildeten Bürgertum. Dennoch war auch Marie Sophie von La Roche an die Konventionen ihrer Zeit gebunden: Die Erziehung ihrer Töchter sowie ihre höfischen Repräsentationspflichten hielten sie davon ab, ihre literarischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln.

Therese von Bayern (12. November 1850 - 19. September 1925), Ethnologin, Zoologin, Botanikerin, Reiseschriftstellerin und Mäzenin

Die einzige Tochter der toskanischen Prinzessin Auguste und des Prinzregenten Luitpold erwarb ihre breitgefächerte Bildung in Natur- und Sozialwissenschaften, in Geologie, Botanik, Zoologie und Ethnologie im Selbststudium, da Mädchen und Frauen in ihrer Jugend weder an Gymnasien noch an Universitäten zugelassen waren. Sie galt als vielseitig interessierte Gelehrte und wird auch heute noch als beispielgebende Vorreiterin für Frauen in der Wissenschaft gesehen.

Auf ihren Expeditionen und Forschungsreisen in Europa und Amerika beschäftigte sie sich sowohl mit anthropologischen, ethnologischen und archäologischen als auch mit botanischen und zoologischen Phänomenen. Ihrer Sammeltätigkeit verdanken die bayerischen naturwissenschaftlichen Museen wertvolle Schätze, wie beispielsweise 2500 Objekte von Ureinwohnern Nord- und Südamerikas. Therese von Bayern ist die erste Frau, der von der Universität München 1897 die Ehrendoktorwürde verliehen wurde und ist ab 1892 das erste weibliche Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Im Jahr 1997, 100 Jahre nachdem Therese von Bayern die Ehrendoktorwürde erhalten hat, wurde die „Prinzessin Therese von Bayern-Stiftung zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft an der LMU“ gegründet. Die Stiftung verfolgt das Ziel, herausragende promovierte Wissenschaftlerinnen einzelner Fakultäten mit einem Förderpreis auszuzeichnen, und möchte somit Frauen den Weg in Wissenschaft und Forschung ebnen.

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