Bildungsausschuss: Antisemitismusbeauftragter legt Tätigkeitsbericht vor

20.02.2020


Spaenle erklärte, er stelle ein Absinken von Tabus und Hemmschwellen fest, im Internet könne praktisch „jeder Unsinn“ verbreitet werden. Durch „saudumme Bemerkungen“, Beleidigungen, aber auch tätliche Übergriffe würden Juden in Bayern in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt und fühlten sich bedroht. „Das Einschreiten ohne Selbstgefährdung muss bei solchen Vorfällen Standard sein“, betonte Spaenle. Der breite Einsatz für jüdisches Leben in Bayern sei eine gesellschaftliche Notwendigkeit. In seiner neuen Aufgabe will der frühere Kultusminister in einem Dreiklang aus Solidarität, Prävention und Repression jüdisches Leben fördern und dem Antisemitismus entgegentreten.

Vermittlung von vertieftem Wissen über das Judentum

Als wichtigsten Baustein dafür nannte Spaenle die Vermittlung eines vertieften Wissens über das Judentum und dessen in Bayern seit 1000 Jahren währender Geschichte. „Gegen antisemitischen Unrat hilft nur Bildung und Kenntnis“, sagte er. Gemeinsam mit dem Kultusministerium arbeite er deshalb an einer Handreichung für den Schulunterricht sowie für die Erwachsenenbildung. Dabei müsse auch ein „differenziertes Israel-Bild“ vermittelt werden, das zulässige Kritik an politischen Entscheidungen in Israel von allgemeiner Judenfeindlichkeit trenne. Nach den Vorbildern des deutsch-französischen und des deutsch-polnischen Jugendwerks setzte sich Spaenle für die Gründung einer entsprechenden bayerisch-israelischen Einrichtung ein. Die Begegnung von Jugendlichen sei „eines der wirksamsten Mittel gegen antisemitische Vorurteile“, betonte Spaenle.

Als positiv bewertete Spaenle die immer größere Verbreitung der internationalen Antisemitismus-Definition IHRA als Grundlage für Maßnahmen gegen Judenhass. Neben der Staatsregierung hätten bayernweit bereits rund 70 Verbände, Institutionen und kommunale Gremien die IHRA-Vorlage übernommen. Sie bezögen damit klar Position gegen Antisemitismus in ihren Reihen. Mit Blick auf das Jubiläumsjahr 2021, in dem der ersten urkundlichen Erwähnung einer jüdischen Gemeinde in Deutschland im Jahr 321 gedacht wird, kündigte Spaenle mehrere Projekte und Veranstaltungen auch in Bayern an. Damit könne deutlich gemacht werden, dass jüdisches Leben seit jeher zu Deutschland und Bayern gehöre.

Im Ausschuss wurde Spaenle fraktionsübergreifend für sein Engagement gelobt. Ergänzend forderte Gabriele Triebel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) konkrete Unterstützung für jüdische Schüler, die an Schulen von Antisemitismus betroffen seien. Um sich ein Bild von der Lage zu machen, müssten diese Fälle landesweit gesammelt und ausgewertet werden, um Gegenmaßnahmen entwickeln zu können. Triebel sprach sich zudem dafür aus, den Besuch von KZ-Gedenkstätten auch für Mittelschüler zur Pflicht zu machen. Margit Wild (SPD) begrüßte es, dass Spaenle das jüdische Leben in Bayern verstärkt in den Mittelpunkt rücken will. Es sei wichtig, auch die vielen kulturellen und gesellschaftlichen Leistungen jüdischer Persönlichkeiten zu vermitteln. Wild regte auch an, die Berufsschulen in den Jugendaustausch einzubeziehen.
 
Matthias Fischbach (FDP) wünschte sich einen Leitfaden zum Umgang mit antisemitischen Äußerungen und Vorfällen an Schulen. Zudem müsse in der Präventionsarbeit der Blick auf Jugend- und Subkulturen mit ihren unterschwelligen Verschwörungstheorien gerichtet werden. Für die CSU-Fraktion verwies Gerhard Waschler auf das kürzlich von der Staatsregierung verabschiedete Konzept zur Stärkung der Erinnerungskultur sowie die Mittelaufstockung für bayerisch-israelische Begegnungen. Für die Austauschprogramme müsse aber noch mehr geworben werden, da es oft unberechtigte Vorbehalte wegen der Sicherheitslage in Israel gebe. Diese sei nicht so schlecht, wie es die mediale Berichterstattung erscheinen lasse, sagte Waschler unter Bezug auf eigene Erfahrungen. Eva Gottstein (FREIE WÄHLER) begrüßte die Einsetzung des Antisemitismusbeauftragten als „sinnvoll“. Die von Spaenle vorgestellte Stoßrichtung zur Bekämpfung des Antisemitismus sei richtig. Die AfD äußerte sich nicht zu Spaenles Bericht.

Jürgen Umlauft

Landtagspräsidentin Ilse Aigner würdigt die Arbeit des Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle: „Seit fast 1700 Jahren gibt es jüdisches Leben in unserem Land. Jüdische Bürgerinnen und Bürger haben die deutsche und bayerische Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mitgeprägt, sind im Ersten Weltkrieg für ihren Patriotismus ausgezeichnet worden oder sind für ihr Land – Deutschland – gefallen. Und sie haben ihrer deutschen Heimat trotz der Schoa nicht den Rücken gekehrt. Das lebendige Judentum in Bayern ist ein kostbares Geschenk. Aber es ist bedroht. Antisemitische Vorfälle, auch Straftaten, nehmen dramatisch zu. Judenfeindliche Ressentiments und Verschwörungsmythen grassieren am rechten und linken Rand, unter Muslimen und es gibt sie leider auch in der Mitte der Gesellschaft. Antisemitismus ist ein Lackmustest für jede Demokratie. Judenhass ist nicht das Problem der Juden. Er ist unser Problem. Er zielt auf unsere Freiheit, unsere Demokratie. Als Politik, als Medien und als Gesellschaft müssen wir alle Formen von Antisemitismus – von rechtsextremer Hetze bis hin zu als „Israelkritik“ verbrämtem Antizionismus – konsequent bekämpfen. Deswegen pflegen wir eine Erinnerungskultur, die die Opfer würdigt, die Täter ächtet und die neue Opfer verhindern will. Wer sich weigert, sich zu erinnern, oder die Geschichte umzuschreiben versucht, ist selbst eine Gefahr für die Zukunft.“

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