Schlussworte der Landtagspräsidentin im Plenum zum Jahresende
Appell zur Verteidigung demokratischer Errungenschaften
11. Dezember 2025
MÜNCHEN. In den Schlussworten im Plenum zum Jahresende mahnte Landtagspräsidentin Ilse Aigner zur Rückbesinnung auf Werte, die wirklich zählen: Maß und Mitte, Mitmenschlichkeit und Miteinander. Aigner richtete den Blick auf die Bayerische Verfassung und das Grundgesetz mit den demokratischen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte und appellierte, Demokratie und Freiheitsrechte gegen Attacken zu verteidigen. Die Landtagspräsidentin dankte allen, die für einen reibungslosen Ablauf des parlamentarischen Betriebs sorgen, und rief zu einem respektvollen Umgang im anstehenden Kommunalwahlkampf auf. Gemäß dem Beschluss des Ältestenrats vom Oktober 2025 ergriff zu den Schlussworten erstmals nur Landtagspräsidentin Ilse Aigner das Wort.
Die Schlussworte der Landtagspräsidentin im Wortlaut:
Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Weihnachten steht vor der Tür und damit
einige Worte zum parlamentarischen Jahresschluss von meiner Seite.
Politisch – international wie national –
machen die Herausforderungen und Debatten, Krisen und Kriege, vor Weihnachten nicht Halt.
Und doch hoffe ich, dass sich die Gemüter
in der staaden Zeit etwas beruhigen.
Dass wir Kraft schöpfen können –
für die Aufgaben, vor denen wir stehen.
Dass wir uns rück-besinnen auf Werte,
die wirklich zählen:
Maß und Mitte, Menschlichkeit, Miteinander.
Das sage ich nicht zuletzt angesichts dieser Schlussworte:
Ihr Format haben wir ändern müssen.
Es war eine parlamentarische Tradition:
Im letzten Plenum vor der sitzungsfreien Zeit sollte nicht das Trennende im Mittelpunkt stehen,
sondern das Einende.
Über Jahrzehnte war es in diesem Hohen Hause
möglich die inhaltlichen Streitpunkte, die Schärfen aus den Debatten, die politische Rivalität,
für einen Moment beiseite zu lassen.
Es war möglich, Respekt und Anstand Vorrang zu geben eine Prise Humor statt der Polemik
und dem Volk, das wir alle zusammen vertreten, gemeinsam einen guten Sommer oder
ein gesegnetes Weihnachtsfest zu wünschen.
Dieses ungeschriebene Gesetz ist
mit neuer Härte vor der der Sommerpause
- leider - aufgekündigt worden.
Das ist ein Verlust!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich will mich von dieser Härte
selbst aber nicht hart machen lassen.
Was wir brauchen, ist nicht die Eskalation.
Was wir brauchen, ist eine Agenda,
die Fundamente von Demokratie und Wohlstand festigt und damit neue Gemeinsamkeit befördert!
Vor knapp 80 Jahren, noch in dunkler Zeit,
sind die Macher der Bayerischen Verfassung
einem hellen Stern gefolgt.
Sie kennen die Präambel mit
dem eindringlichen Hinweis auf das Trümmerfeld,
zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung
ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen geführt hat.
Genauso wie vor 77 Jahren
die Väter und Mütter des Grundgesetzes:
Sie haben sich – und unserem Land –
mit Mut, Hoffnung und Entschlossenheit
eine Offenbarung zugetraut.
Umkehr, Heilung, Wertschöpfung.
Es folgte weniger ein Wunder.
Es war vielmehr ein Kraftakt von Generationen,
die uns dieses Fest der freiheitlichen Demokratie mitgegeben haben.
Und ich traue mich jetzt einfach diese Bildlichkeit:
Unter dem hell erleuchteten Baum der Demokratie liegen die schönsten und wertvollsten Päckchen:
Die unverletzliche Gewissheit der Unantastbarkeit der eigenen Würde.
Freie, gleiche und geheime Wahlen –
Parlamente und Regierungen allein von den Mehrheiten im Volk legitimiert.
Das Recht, überall und jederzeit seine Meinung sagen und schreiben zu können –
leise oder laut, allein oder als Gruppe, als Verein, als Versammlung, als Bürgerinitiative.
Freie, unabhängige Medien, die eben dies
in aller Vielfalt tun. Frei von Zensur.
Freiheit, zu glauben, was ich will.
Ein Rechtsstaat mit geteilten Gewalten.
Unabhängige Gerichte entscheiden
anhand von Gesetzen,
die gewählte Abgeordnete machen.
Die Packerl und noch viele mehr liegen unter diesem Baum. Es ist unser Staat, unsere Demokratie – parlamentarisch, rechtsstaatlich, sozial.
Diese Geschenke liegen vor uns.
Und lassen Sie mich das ohne Einschränkung festhalten: Wir sind reich beschenkt!
Auf Geschenke muss man aufpassen.
Und deshalb: Sollte es nicht unter Demokraten selbstverständlich sein, dass in einem rechtsstaatlichen Prozess niemand von „Staatsstreich“ spricht? –
Sollte es nicht selbstverständlich sein, dass man angesichts demokratisch legitimierter Mehrheiten nicht einen „autoritären“ Staat erfindet?
Sollte es nicht unter Demokraten Konsens sein,
keine Gäste ins Hohe Haus zu holen,
die über „Scheindemokratie“ fabulieren und Repräsentanten der Demokratie beleidigen?
Wer so spricht, wer so handelt,
der zertrampelt die Geschenke unter dem Baum.
Und holt die Axt heraus.
Wir wissen, wie wertvoll und wie hart erkämpft die Geschenke der Demokratie waren.
Und deshalb wehren wir uns gegen die Attacken!
In kaum einem anderen Land kann man freier leben als hier bei uns.
Andernorts werden tatsächlich Menschen unterdrückt, Oppositionelle verschleppt, gefoltert und ermordet.
In Russland etwa – Tag für Tag.
Da sollten einige mal prüfen, auf welcher Seite sie stehen!
Unser Grundgesetz garantiert Freiheitsrechte mit höchsten Standards.
So machen wir hier unsere Arbeit als Abgeordnete.
Das entspricht unserem Selbstverständnis.
Gleichsam bekenne ich mich zu dem Wunsch nach weniger Provokation, weniger Gereiztheit und mehr Gelassenheit!
Denn dann können sich die Bürgerinnen und Bürger selbst ein Bild machen, sich ihre Meinung bilden.
Was demokratisch ist, was freiheitlich ist, was patriotisch ist, welches Menschenbild in welcher Aussage zum Ausdruck kommt.
All das steht zur freien Wahl.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich vertraue auf die Bürgerinnen und Bürger –
denn das, das ist der Kern der Demokratie!
Und hier im Landtag schlägt ihr Herz.
Das ist eine Teamleistung.
Und zu diesem Team gehören nicht nur die Abgeordneten,
sondern darüber hinaus sehr viele Menschen,
die den Laden am Laufen halten.
Daher danke ich von Herzen:
- allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Amt,
in den Fraktionen, den Abgeordnetenbüros
und Ministerien. - der Landtagspresse und den Medien.
- der Polizei und den Rettungsdiensten –
auch stellvertretend für ihre Kolleginnen und Kollegen, die über Weihnachten nicht bei ihren Familien sein können, sondern im Dienst sind, für die Menschen in Bayern. - Ich danke insbesondere den Diensten,
die unsere Sitzungen im Plenum,
in den Ausschüssen und allen Gremien
perfekt vorbereiten und betreuen. - den Offizianten,
- dem Stenografischen Dienst,
- der Druckerei,
- der Pforte,
- der Poststelle,
- der Hausverwaltung,
- den Hausmeistern und Reinigungskräften,
- der Telefonzentrale,
- der Gaststätte sowie
- den Mitarbeiterinnen im Kinderhaus MiniMaxi.
Sie alle arbeiten hart für den Parlamentarismus und für unsere Demokratie. Herzlichen Dank!
Einer hat für all das genannte
den Hut auf und es sind seine letzten Schlussworte im aktiven Dienst.
Hoch verehrter Direktor des Landtags,
lieber Peter Worm,
Du hast diesem Amt über viele Jahre
Deinen Stempel aufgedrückt.
Und zwar gerade nicht, wie das so viele tun –
mit Druck, sondern mit Inspiration.
Du bist ein Kapitän mit Mannschaftsgeist.
Du forderst und förderst.
Du überzeugst mit Kompetenz und Charisma.
Dieses Hohe Haus, wir alle,
die Demokratie in Bayern,
haben Dir viel zu verdanken.
Und deswegen sage ich es auch von dieser Stelle:
Vergelt’s Gott, lieber Peter –
herzlichen Dank für 40 Jahre Dienst am Bayerischen Landtag,
einen Dienst an unserem Land!
Und natürlich danke ich Ihnen allen,
liebe Kolleginnen und Kollegen –
- im Präsidium,
- im Ältestenrat
- in den Ausschüssen und Kommissionen
- sowie in den Fraktionen.
Wir sind hier im Haus Vertreter des Volkes.
Wir repräsentieren das Haus nach außen und
da ist mir der Schulterschluss mit den Fraktionen ganz wichtig.
Meine Tür steht weit offen.
Es ist mir ein echtes Anliegen, dass wir im Landtag zusammen ein gutes Bild abgeben.
Ich weiß es: Das ist unser gemeinsamer Anspruch! Danke!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zum Jahresende und gerade mit Blick auf den Kommunal-Wahlkampf bitte ich uns alle:
Lassen Sie uns beherzt streiten in der Sache – aber mit Respekt vor dem Gegenüber, vor unserer Geschichte, vor den Organen unsere Verfassung, vor unserer Demokratie und vor den Menschen in unserem Land!
In diesem Sinne wünsche ich
Ihnen und Ihren Familien
frohe, gesegnete Weihnachten und
einen guten Start ins neue Jahr!
Gott schütze unser Land!
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