Landwirtschaftsausschuss in den USA – Praxisprogramm mit Farmbesuchen und Expertengesprächen
18. November 2014
– Von Dr. Anton Preis –
Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Bayerischen Landtags ist vom 15. bis zum 21. November 2014 auf Informationsreise in den USA. Kernthema war das derzeit geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA und dessen Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Bayern.
Die Reiseziele waren Georgia, Partnerregion Bayerns, und dessen Nachbarstaat Florida. Neben Terminen bei landwirtschaftlichen Betrieben unterschiedlicher Ausrichtung standen Treffen mit Vertretern landwirtschaftlicher Verbände und lebensmittelverarbeitender Betriebe auf dem Prgramm ebenso wie ein Besuch der University of Georgia und der Hauptstadt Atlanta.
Zudem waren die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bayern und den USA ein zentrales Thema, da viele bayerische Unternehmen in den Staaten gute Geschäfte machen. Die Reise bot eine gute Gelegenheit, die bilateralen Beziehungen zu Georgia, die seit 2007 bestehen, auf parlamentarischer Ebene weiterzuentwickeln. In Florida fanden zudem Gespräche mit dem dortigen Landwirtschaftsminister statt.
Die Ausschuss-Vorsitzende Angelika Schorer erklärte: „Informationen aus erster Hand über das geplante Freihandelsabkommen mit den USA sind für uns von besonderem Interesse, denn die Auswirkungen auf die bayerische Landwirtschaft können erheblich sein. Darüber hinaus freuen wir uns auf neue Eindrücke und Kontakte aus unserer Partnerregion.“ Ausschuss-Vize Ulrich Leiner ergänzte: „Die Betriebsbesichtigungen und die Gespräche mit Verbänden und Hochschulen helfen uns, die Herausforderungen der amerikanischen Landwirtschaft besser zu verstehen. So nehmen wir wichtige Anregungen für unsere Arbeit im Landtag mit nach Hause.“
Landwirtschaft macht in Florida mehr Umsatz als der Tourismus
Am ersten Tag in Florida besuchte der Ausschuss die über 10.000 Hektar große Rinderfarm von Henry und George Kempfer, der dort mehr 2000 Rinder hält. Auf der Kempfer-Ranch, die schon in der sechsten Generation betrieben wird, werden überwiegend Brahman-Rinder – eine Zebu-Art – und Angus sowie Kreuzungen aus beiden Rassen auf der Weide gehalten. Auf einer Farm-Tour erfuhren die Ausschuss-Mitglieder, welch große Bedeutung Landwirtschaft und Rinderzucht für Florida haben. In dem Staat, der in Deutschland hauptsächlich für Tourismus und Südfrüchte bekannt ist, werden für den gesamten mittleren Westen Jungrinder gezüchtet – ein Milliardengeschäft, wie auch die gesamte Landwirtschaft, die in manchen Jahren mehr Umsatz macht als der Tourismus. Auch die größte Rinderfarm der USA mit über 100.000 Hektar Größe und 4400 Rindern befindet sich in unmittelbarer Umgebung der Kempfer-Ranch. Trotz der immensen Größe sind über 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in den Vereinigten Staaten Familienbetriebe. Henry Kempfer, zugleich Präsident des Rinderzüchterverbands Floridas „Florida Cattlemen’s Association“, und Verbandsgeschäftsführer Jim Handley informierten den Ausschuss ausführlich über die Herausforderungen der Rinderzüchter in Florida. Besonders aufschlussreich war, dass der Verband durch Umlagen seiner Mitglieder Forschung und Entwicklung selbst in die Hand nimmt und sich nicht auf staatliche Gelder verlassen möchte.
Besuch einer gentechnikfreien Farm
Gespräch mit Floridas Landwirtschaftsminister
Ein Höhepunkt der Reise war das Gespräch mit dem Landwirtschaftsminister von Florida, Adam Putnam (Republikaner). Er sah die Landwirtschaft Floridas – auch im Hinblick auf die kurz bevorstehende Panamakanal-Erweiterung in einer hervorragenden Export-Position mit über 300 verschiedenen Grunderzeugnissen. Dazu brauche man das Freihandelsabkommen mit der EU (TTIP), obwohl für die USA mittlerweile das pazifische Freihandelsabkommen wieder stärker in den Fokus gerückt sei. Er betonte, dass bei TTIP auch Zugeständnisse bei Agrarprodukten unumgänglich seien. Daran knüpften die Ausschussmitglieder in ihren Fragen unmittelbar an. Sie interessierten sich für Standards im Nahrungsmittelsektor, Agrogentechnik und Hormoneinsatz von Fleischprodukten. Im Gespräch zeigte sich, dass diese Themen in den USA weniger emotional gesehen werden, vielmehr sah Putnam in der Gentechnik die Chance, die Ernährungssituation einer wachsenden Weltbevölkerung zu verbessern, was von den Mitgliedern des Landwirtschaftsausschusses jedoch anders gesehen wurde. Zugleich betonte er, dass die Nahrungsmittelstandards auch dank des Food Safety Acts sehr hoch seien. In Sachen Regionalität der Produktion setze Florida auf Marketing seiner eigenen Produkte, so dass die Bewohner des Staates bewusst heimische Erzeugnisse kaufen, erklärte Putnam seinen Gästen. Im Anschluss besuchten die Abgeordneten den Saftproduzenten Florida Naturals.
An das Gespräch mit dem Landwirtschaftsminister knüpfte ein Briefing mit Dr. Todd Thrift von der Florida University thematisch unmittelbar an. Zentrales Thema war der Hormoneinsatz in der Rinderzucht, die aus Sicht der betreffenden US-Landwirte eine klare Renditeentscheidung sei. Ein bis fünf Hormongaben im Leben eines Rindes könnten 25 bis 85 Pfund Fleischzuwachs bedeuten. Doch auch er musste einräumen, dass diese Praxis bei informierten amerikanischen Verbrauchern nicht auf Zustimmung stößt.
Beim Besuch des Pflanzenaufzucht-Unternehmens „AgriStarts“ informierte der Gründer und Präsident Randy Strode die Mitglieder des Ausschusses über laborgestützte Setzlingsaufzucht. AgriStarts wurde 1984 gegründet und liefert eine Vielzahl an Setzlingen weltweit aus, angefangen von Blumen über Gemüse bis hin zu seltenen tropischen Pflanzen.
Der Termin bei einer Zitrusfruchtplantage führte den Besuchern aus Bayern vor Augen, wie verheerend Kältewellen sein können. Erst in der Nacht zuvor hatte es stark abgekühlt. Längere Frosttage hätten hohes Schadenspotenzial, erklärten Earl Crittenden und Ric Freeman. 1957 sei beispielsweise die komplette Orangenernte Floridas zerstört worden.
Auch der Part der Delegationsreise, der in Floridas Nachbarstaats Georgia stattfand, stand im Zeichen von politischem Austausch und Erfahrungen aus der Praxis. Am Mittwoch besuchten die Abgeordneten die Georgia Tech University in Atlanta. Im Gespräch mit Sara Spiegler, Dr. Kaye Husband Fealing, Dr. Carsten Sievers und Dr. Doug Britton erfuhr die Delegation, dass der Einsatz staatlicher Forschungsgelder einen umfangreichen Evaluationsprozess notwendig macht und hier ein Dollar Forschungsmittel mehrere Dollar messbaren Nutzen bringen muss, um auch in Zukunft zu fließen. Die Besichtigung des Food Processing Laboratory zeigte die Forschungsschwerpunkte, die an der Reduzierung menschlicher Arbeitsschritte beim Geflügelverarbeitungsprozess ansetzt. Danach war man zu Gast bei dem weltweit agierenden Landmaschinenhersteller AGCO, zu dem auch die in Deutschland bekannte Marke Fendt gehört. Der Vorstandsvorsitzende von AGCO, der Deutsche Martin Richenhagen, erläuterte die aktuelle Situation des Unternehmens und bekannte sich klar zum Allgäuer Fendt-Standort Marktoberdorf.
Die Geflügelaufzucht und -verarbeitung – Georgias wichtigster Landwirtschaftszweig – stand beim nächsten Termin an der University of Georgia in Athens auf dem Programm. Dr. Scott Russell und Dr. Brian Fairchild sprachen über neueste Erkenntnisse in der Geflügelaufzucht und machten auch keinen Hehl aus der aus ihrer Sicht hohen Notwendigkeit chemischer Hilfsmittel bei der Bekämpfung von Krankheitserregern im Verarbeitungsprozess. Beim Gespräch in der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer mit Martina Stellmaszek hatten die Abgeordneten die Gelegenheit, sich aus Sicht deutscher Firmen, die in den USA aktiv sind, über das Freihandelsabkommen zu informieren. Praxisnähe gab es auch bei der Dickey Peach Plantation. Der Familienbetrieb des Abgeordneten im Georgia State Parlament, Robert Dickey, bewirtschaftet die Pfirsichplantage seit Ende des 19. Jahrhunderts. Auch Dickey betreibt einen Hofladen, in dem es Pfirsichprodukte in allen Variationen zu bestaunen und vor allem zu kosten gab.
Da über zwei Drittel der Fläche Georgias mit Wald – besonders Pinienwälder – bedeckt ist, war auch die Forstwirtschaft ein wichtiges Thema für die Ausschussmitglieder. In Macon standen Risher Willard und Chip Bates von der Georgia Forestry Commission Rede und Antwort. Auch sie haben mit dem asiatischen Laubholzbockkäfer und anderen eingeschleppten Schädlingen zu kämpfen. Die Gefahr geht für den Waldbestand im Staat mit seiner wichtigen Hafenstadt Savanna vor allem von Holzpaletten mit Schädlingslarven, die über die Container aus dem Ausland kommen, aus. Zum Abschluss der Reise stand noch ein weiterer Höhepunkt auf dem Programm: Auch der Landwirtschaftsminister von Georgia hatte sich für die Gäste aus Bayern Zeit genommen. Gary W. Black (Republikaner) erläuterte die Strategien für regionale Vermarktung der Agrarprodukte des Staates. Mit dem Label „Georgia Grown“ können sich Betriebe gegen Entrichtung einer Lizenzgebühr gegenüber ihren Kunden schmücken. Ansonsten betonte er, dass er die Regierung so weit wie möglich von marktbeeinflussenden Aktivitäten heraushalten möchte.
Die gesamte Delegation war sich am Ende der Reise einig, dass solch wertvolle Eindrücke aus erster Hand nur vor Ort gewonnen werden können und kündigten an, diese neuen Erkenntnisse in die politische Arbeit mit einfließen zu lassen. Insbesondere zum Thema TTIP wurden viele neue Inhalte offenbar.