Bayerisch-israelischer Freundschaftstag zum 60. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zu Israel

MÜNCHEN. Mehr als 700 Gäste sind zu Vorträgen und Diskussionsforen unter dem Motto „Servus Israel, Schalom Bayern!“ in den Bayerischen Landtag gekommen. Anlass für die Veranstaltung in Kooperation mit der Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland sowie dem Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben, Antisemitismusbekämpfung, Erinnerungsarbeit und das kulturelle Erbe, ist 60-jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland.
Bei ihrer Eröffnungsrede betonte Landtagspräsidentin Ilse Aigner: „Wir feiern diese Freundschaft, die alles ist, aber nicht selbstverständlich. Heute lenken wir das Scheinwerferlicht auf unsere Freundschaft und die Erfolgsgeschichten dieses großartigen Landes. Und doch liegt seit dem 7. Oktober 2023 ein Schatten auf Israel, auf seinen Menschen und auf allen, die mit ihnen fühlen – also auch auf uns. Schock, Schmerz und Trauer wollen auch wir Raum geben.“ Sie erinnerte dabei an die Opfer des Massakers der Hamas, die getöteten Geiseln und die Überlebenden und “die mutmaßlich 24 Menschen, die zur Stunde noch in den Fängen der Hamas durch die Hölle gehen”.
Doch auch auf der anderen Seite lenkte die Landtagspräsidentin in ihrer Rede den Blick auf die Opfer: „Die Bilder und Nachrichten, die uns seither insbesondere aus dem Gazastreifen, dem Libanon oder auch aus dem Westjordanland erreicht haben, lassen kaum jemanden kalt. Auch dort leiden Unschuldige. – Es sterben Kinder, Mütter, Väter.“ Im Hinblick auf die Berichterstattung und die Bewertung des Konflikts kritisierte Aigner zugleich: „Warum machen es sich bei diesem so komplexen Konflikt so viele Menschen – auch und gerade und ausgerechnet hierzulande – so verdammt einfach?“ Sie fragte weiter: „Wie kann man über Gaza berichten, ohne an den 7. Oktober zu erinnern, die Massaker auf dem Nova-Festival und in den Kibbuzim? Wie kann man über die Angriffe auf vermeintlich zivile Infrastruktur urteilen, ohne das dramatische Dilemma Israels darzulegen? Dass die Hamas die israelischen Angriffe provoziert, von dort Raketen abschießt oder sich dort verschanzt. Woher kommt diese Eindeutigkeit bei so vielen, dass Israel nur noch der Täter ist und nicht das Opfer?“
Abschließend betonte Aigner: „Die Menschen in Israel liegen mir am Herzen. Wir sind verbunden durch die Geschichte und in der Gegenwart, durch den Glauben an die Demokratie, an die Würde des Menschen und durch den Wunsch nach Freiheit und Frieden für alle, die leben und leben lassen können.“
In der anschließenden Podiumsdiskussion schilderte die Generalkonsulin des Staates Israel, Talya Lador-Fresher, den Anfang der Beziehungen zwischen Israel und Bayern: Schon von 1948 bis 1953 habe es ein israelisches Generalkonsulat in München gegeben als Kontaktstelle für die Überlebenden und „Displaced Persons“ in Süddeutschland. Seit der Neueröffnung des Generalkonsulates 2011 ist es - neben den Botschaften - nun das einzige Generalkonsulat Israels in der EU.
Einen Ritt durch die Geschichte des Staates Israel bot Dr. Jenny Hestermann von der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg in ihrem Impulsvortrag. Darin räumte sie zudem mit bestehenden Behauptungen zu Israel auf. “Israel ist eben nicht allein aufgrund des Holocaust entstanden, sondern hatte einen viel längeren Vorlauf”, erklärte die Wissenschaftlerin. Auch die Erinnerungskultur, die aktuell vielfach als steif und starr wahrgenommen werde, sei kein Konstrukt der Politik, sondern sei in den 1980er-Jahren in einem Kampf von unten durch Forderungen von Wissenschaft und Zivilbevölkerung entstanden.
In einem bewegenden Gespräch mit der Überlebenden des Massakers vom 7. Oktober 2023, Dafna Gerstner, zeigte sich Dr. Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben, Antisemitismusbekämpfung, Erinnerungsarbeit und das kulturelle Erbe schockiert über den seither massiv zunehmenden Antisemitismus: „Die Täter-Opfer-Umkehr funktioniert“, so Spaenle. Er bedauerte: „Das ist die neue Qualität des Antisemitismus, dass jüdische Menschen hierzulande wieder verfolgt werden.“


Am Nachmittag erörterten Referentinnen und Referenten in vier Gesprächsforen zu den Themen Erinnerungskultur, Bayerisch-Israelische Begegnungen, Wissenschaft und Wirtschaft die Möglichkeiten zur intensiveren Zusammenarbeit. Gerade in der Wissenschaft ist das Verhältnis zu Israel ein großes Thema: Denn “Hochschulen sind ein Ort, von dem Judenhass ausgeht”, so Dr. Spaenle. Dr. Lou Bohlen sprach wiederum von den Schwierigkeiten seit dem 7. Oktober 2023, beispielsweise Komitees zu besetzen. “Wir können uns keinen Boykott der israelischen Wissenschaft leisten”, diese gehöre zu uns, zeigte sich die Leiterin der Nahost-Abteilung der Max-Planck-Gesellschaft überzeugt.
Den Abschluss des bayerisch-israelischen Freundschafstages bildet dann eine Podiumsdiskussion mit einem Impuls von Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e. V. - nicht zuletzt, um noch einmal zu signalisieren, dass Israel und Bayern in Vergangenheit und Zukunft eng verbunden sind.
/CK