80 Jahre Flucht und Vertreibung – 75 Jahre Verständigung
Gedenkakt im Bayerischen Landtag
 
  29. Oktober 2025
MÜNCHEN. Der Bayerische Landtag hat in einem Gedenkakt im Maximilianeum an 80 Jahre Flucht und Vertreibung und 75 Jahre Verständigung erinnert. Rund 14 Millionen Deutsche mussten vor 80 Jahren infolge des Zweiten Weltkriegs ihre Heimat in den deutschen Ostgebieten und im östlichen Europa verlassen. Hunderttausende haben im Zuge von Flucht und Vertreibung, in Internierungslagern oder infolge ihrer Deportation in die Sowjetunion ihr Leben verloren. Mit dem Gedenken würdigt die bayerische Volksvertretung insbesondere den außergewöhnlichen Beitrag, den das Schicksal der Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler zur Versöhnung der Völker im Herzen Europas geleistet hat. Neben Landtagspräsidentin Ilse Aigner sprachen bei dem Gedenkakt auch Staatsminister Dr. Florian Herrmann und der BdV-Landesvorsitzende Dr. h.c. Christian Knauer.
Landtagspräsidentin Ilse Aigner sagte in ihrer Ansprache: „Wir sprechen heute über Flucht und Vertreibung vor 80 Jahren – aber vor allem über 75 Jahre Verständigung. Wir sprechen über das Schicksal der Heimatvertriebenen, über das Schicksal der Aussiedlerinnen und Aussiedler, über das Schicksal der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler. Dieses Schicksal hat Familien geprägt – bis heute. Es hat Generationen geprägt und es hat unser Land geprägt. Für mich steht fest: Das Gespräch darüber ist wichtig: Wichtig für unser Selbstverständnis, für unser friedliches Zusammenleben und deshalb ist es wichtig für den Bayerischen Landtag!“ Und Aigner betonte: „Die Heimatvertriebenen, die Aussiedler und Spätaussiedler waren immer Brückenbauer zwischen den Völkern. Sie haben ihren Beitrag geleistet zu einem historisch einmaligen Siegeszug von Frieden, Freiheit und Demokratie. Wann, wenn nicht heute, wird deutlich, welch herausragende Errungenschaft das ist?“
Die Landtagspräsidentin ging auch auf die aktuelle politische Situation ein, den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine, die Bedrohung der Saaten des östlichen Europas durch Russland und die Verunsicherung vieler Menschen. Sie habe sich eine andere Gegenwart, andere Vorzeichen für das Gedenken gewünscht. Vor diesem Hintergrund rief Aigner dazu auf, Freiheit und Selbstbestimmung zu verteidigen, und sie unterstrich: „Wir sollten uns ermutigen lassen von unserer Geschichte: Heimatvertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler haben gezeigt, dass man mit Eigeninitiative, mit Leistungsbereitschaft und mit Zuversicht viel zum Positiven bewegen kann. Dass jeder für sich im unmittelbaren Umfeld etwas aufbauen kann. Und dass alle zusammen Großes schaffen können! Und ja – sie haben damit Bayern geprägt. Heute schauen wir darauf voller Stolz. Wir sind eins. Wir gehören zusammen“, so Aigner.
Staatsminister Dr. Florian Herrmann sagte: „`80 Jahre Flucht und Vertreibung – 75 Jahre Verständigung´. Diese Überschrift fasst die Ambivalenz, das Spannungsfeld, aber auch die Hoffnung, mit der wir auf die Geschichte der Heimatvertriebenen blicken, kurz und prägnant zusammen. Sie erinnert uns an unermessliches Leid, an Entwurzelung, an die Verletzungen der Seele und des Herzens, die Flucht, Vertreibung und Verlust mit sich brachten. Und sie erinnert uns zugleich an die Kraft derjenigen Menschen, die aus diesem Leid Hoffnung werden ließen – durch Mitmenschlichkeit, Aufbauwille und die Suche nach Frieden. […] Wenn wir heute gedenken, dann tun wir es nicht allein in Trauer, sondern auch in der Dankbarkeit für das, was gewachsen ist: Versöhnung, Einheit, Frieden. Verständigung wuchs nicht aus Vergessen, sondern aus Erinnerung ohne Rache. Aus der Erkenntnis, dass Schuld nicht vererbbar ist – Verantwortung aber schon. Das ist das Fundament, auf dem wir Tag für Tag weiterbauen. Möge das Gedenken an das Schicksal der Heimatvertriebenen uns verpflichten, Menschenrechte zu schützen, Frieden zu fördern und die Würde eines jeden Menschen zu achten.“
Der BdV-Landesvorsitzende Dr. h.c. Christian Knauer unterstrich in seiner Rede: „Die Betroffenen der damaligen Zeit, aber auch viele ihrer Kinder und Enkelkinder wissen aus der eigenen Familiengeschichte zu gut, zu was Nationalismus, Totalitarismus, Kommunismus, menschliche Überheblichkeit, egoistische Machtansprüche und Rassismus führen können. Deshalb werden wir diese „Quellen des Bösen“ weiterhin entschieden bekämpfen, damit anderen das erspart bleibt, was unsere Familien er- und durchleiden mussten. Gerade heute, wo extremistische, antisemitische und autokratische Kräfte sich im Aufwind wähnen, gilt es, gemeinsam für unseren freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat entschlossen einzutreten. Unsere Freiheit ist es wert, sie gegen alle Feinde von innen und außen entschlossen zu verteidigen.“
Viele Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Politik und Kirche nahmen an dem Gedenken teil, unter ihnen Mitglieder des Landtagspräsidiums, der Bayerischen Staatsregierung und zahlreiche konsularische Vertreterinnen und Vertreter. Die musikalische Gestaltung übernahm das Ensemble Maxjoseph.
Am 24. Juli 2025 hat der Bayerische Landtag beschlossen (Drs. 19/7760)(Dokument vorlesen), die Verdienste der deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler um Frieden, Freiheit und Versöhnung umfassend zu würdigen. Auf diese Weise soll auch die Verbundenheit zwischen Bayern, Deutschland und unseren östlichen Nachbarn zum Ausdruck gebracht werden, die derzeit durch die russische Expansionspolitik besonders bedroht sind.
Weitere Bilder des Gedenkakts in den →Pressefotos.
/ PR
 
  
  
 