Kongress „Jugend und Politik 2025“
Politik aktiv mitgestalten, statt nur darüber zu reden
8. November 2025
MÜNCHEN. Mehr als 300 junge Engagierte aus ganz Bayern kamen am Samstag in den Bayerischen Landtag zum Kongress „Jugend und Politik 2025“. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) war bei ihrer Begrüßung überwältigt vom großen Interesse an politischer Mitgestaltung. Der Kongress bot jungen Menschen eine Plattform für Austausch, Vernetzung und praxisnahe politische Bildung – etwa Workshops, Diskussionen und Trainings. Ihr neues Wissen sollen sie dann als Multiplikatoren in Schulen, Vereine und die digitale Welt tragen.
Es war ein ungewohnter Anblick im Plenarsaal: Wo sonst die Abgeordneten sitzen, haben rund 300 junge Menschen Platz genommen und testeten die Funktionen der Stühle. „So voll habe ich den Plenarsaal selten gesehen“, sagte auch Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) und grinste. Obwohl Samstag ist, sind auch die jugendpolitischen Sprecher der Fraktionen vor Ort. Dass die Veranstaltung schon vor Wochen ausgebucht war, bewertet Aigner sehr positiv: Das zeige, wie groß das Interesse ist.
„Ich sehe eine junge Generation, die sich nicht mit einfachen Antworten abfinden will, sonst wären sie nicht da“, betonte die Landtagspräsidentin. Tatsächlich waren fast alle im Saal kommunalpolitisch aktiv, wie eine Abstimmung per Handzeichen ergab. „Sie wollen also nicht nur über Politik reden, sondern es besser machen“, rief sie den Anwesenden zu. Dazu brauche es Unterstützung. Etwa: Wo kann ich mich einbringen? Wie bilde ich Netzwerke? Wie binde ich Medien mit ein? Oder wie gehe ich mit Hass und Hetze um?
Junge Menschen könnten doppelt so viel erreichen, weil sie Multiplikatoren seien und ihre Ideen in Schulen, Vereine und die digitale Welt tragen. „Die Politik braucht Menschen, die den digitalen Wandel nicht nur konsumieren, sondern auch gestalten“, betonte Aigner. Menschen, die Kompromisse nicht als Schwäche, sondern als Stärke sähen. Und die sich weiter einsetzten, wo andere schon längst aufgegeben hätten. Um weniger anfällig für Populismus zu sein, sei es außerdem wichtig zu verstehen, wie politische Sprache funktioniere.
Die Spaltung der Gesellschaft nimmt wieder zu
Um Narrative – also wie Geschichten unsere Sichtweise auf die Politik prägen – ging es auch in der anschließenden Podiumsdiskussion. Etwa Angela Merkels „Wir schaffen das“. „2015 hat sogar die BILD-Zeitung ‚Refugees Welcome‘ getitelt“, erinnert sich die Politikwissenschaftlerin und Journalistin Gilda Sahebi. Doch spätestens nach der Kölner Silvesternacht habe sich die „Wir-gegen-die“-Erzählung durchgesetzt. Die Spaltung der Gesellschaft habe seitdem – auch unterstützt von der Politik – weiter zugenommen. „Allein Elon Musks Spaltungstweets sind 2024 rund 2,5 Milliarden Mal gesehen worden.“
Thomas Laschyk ist Chefredakteur von Volksverpetzer, einer Seite, die mit Faktenchecks gegen Fakenews ankämpft. „Man kann damit aber nicht alle Menschen überzeugen“, erzählt er. Wer sich durch Narrative ein bestimmtes Weltbild angeeignet habe, sei auch mit Fakten nicht von den Spaltungserzählungen abzubringen. Dafür seien vor allem sozialen Netzwerke verantwortlich: „Sie wollen diese Emotionen, weil sie damit Geld verdienen.“ Die Spaltungserzählungen würden dann vom Algorithmus weiterverbreitet. Dadurch habe sich auch der politische Diskurs völlig verändert.
Kommunikationsprofessor Michael Müller von der Hochschule der Medien in Stuttgart erläuterte am Beispiel der jüngsten Wahlergebnisse in den USA, dass politische Gegner nicht mit Gegennarrativen, sondern am besten mit neuen Themen punkten können. „Lasst uns aufhören, über die immergleichen Themen zu diskutieren – das hilft am Ende nur den Populisten“, appellierte Müller.
Im Rampenlicht nicht gleich verunsichern lassen
Im Anschluss begannen für die jungen Menschen die Praxistrainings. Da immer zwei parallel stattfanden, mussten sie sich im Vorfeld für eines entscheiden – was vielen bei der Themenfülle sichtlich schwerfiel. Bei Kommunikationstrainerin Dagmar D’Alessi ging es beispielsweise um ein sicheres und souveränes Auftreten. „Nur weil jemand im Publikum auf sein Handy schaut oder die Stirn runzelt, sollten wir nicht gleich einen Fluchtreflex bekommen“, erklärte sie.
Dr. Ramona Greiner von der Munich Business School riet, sich für einen modernen Wahlkampf auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren und sich jeden Morgen zu fragen: „Was bringt mir heute Stimmen?“ Sie warnte außerdem vor zu viel Geduld. Manche Webseiten gingen erst online, wenn alles lektoriert und feingeschliffen sei. „Fangt aber lieber einfach an – Impressum, Foto, Kontaktdaten für Bürger und Presse – fertig“, riet Greiner. Der schlimmste Wahlkampf sei der, den keiner bemerke.
In Martin Fuchs’ Training ging es ums Networking. Er berät die Bundesregierung und Parlamente in digitaler Kommunikation. „Wo netzwerke ich am besten?“, fragte er. „Beim Feind.“ Viele, die ihm am Anfang feindlich gegenüberstanden, seien jetzt auf seiner Seite. „Nur Gemeinsamkeit bringt uns weiter“, hob er hervor. Bei Veranstaltungen rät er immer dazu, andere Menschen anzusprechen, die ebenfalls allein sind. „So findet man schnell Verbündete.“
„Harte Kritik gehört dazu, aber es gibt rote Linien“
Der Staatsanwalt und Hate-Speech-Beauftragte der Staatsregierung, David Beck, stellte in seinem Training klar, dass man sich als aktiver Politiker nicht alles gefallen lassen muss. „Harte Kritik muss man hinnehmen, das gehört zum Geschäft. Aber man darf niemanden bedrohen, eine Vergewaltigung oder den Tod wünschen“, sagte er. Vor allem wolle er aufzeigen, dass die Opfer nicht allein sind. Die Aufklärungsquote liegt laut Beck bei 80 bis 90 Prozent, die Rückfallquote bei nur 13 Prozent.
Die Journalistin Ingrid Brodnig sprach in ihrem Training über die Diskussionskultur im Land. Also: Wie streite ich, ohne ideologische Grenzen aufzubauen? Wie geht man bei Veranstaltungen mit Pöblern um? Und wie bewahre ich Contenance, auch wenn ich wütend bin? Bei falschen Tatsachenbehauptungen empfiehlt sich das Truth Sandwich: Erst mit der richtigen Information antworten, danach auf die falsche Behauptung eingehen und zum Abschluss noch einmal die richtige Information aufgreifen.
Im letzten Training ging es um Jugendarbeit und Politik. Frank Wacker, Kommunikationschef beim Bayerischen Jugendring, machte die jungen Menschen gemeinsam mit anderen jungen Kommunalpolitikern fit für die Kommunalpolitik. Zusätzlich ging es um Synergieeffekte aus der Jugendarbeit und Politik.
Zum Abschluss gab es für alle Teilnehmenden noch einen Medienworkshop mit Christian Deutschländer vom Münchner Merkur. Dort lernten sie, wie man Interviews gibt, was es dabei zu beachten gilt und wie junge Menschen sich auf Social Media positionieren. Sibylle Sophie Gröbel von der Bertelsmann Stiftung hatte die neue Studie „How to Sell Democracy Online (Fast)“ im Gepäck, die aufzeigt, wie digitale Formate gezielt genutzt werden können, um Bürgermeinungen einzuholen, transparent zu kommunizieren und konstruktiv zu diskutieren.
„Das Entscheidende ist nicht, wo Sie stehen“, rief Aigner den jungen Menschen zu. „Sondern, dass Sie stehen – für Überzeugungen, für Respekt, und mir ganz besonders wichtig: für Zusammenhalt!“
/ David Lohmann