Befreiung des Konzentrationslagers Dachau vor 80 Jahren am 4. Mai 2025

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Hochgeschätzte Überlebende,
Damen und Herren!

 

80 Jahre Befreiung des Konzentrationslagers Dachau 
– was bedeutet das – für uns – heute?

Ich war schon oft hier, an diesem Ort, 

  • habe Kränze niedergelegt,
  • in Stille verharrt und
  • dann doch versucht, Worte zu finden. 
    Angemessene Worte.

Ich kann nicht sagen, ob es gelungen ist.

Ich kann nicht sagen, ob es 
ein richtiges Maß an Empathie, 
ein richtiges Maß an Verständnis gibt – 
im Angesicht des nahen, spürbaren, greifbaren Leids von Opfern und ihren Familien. 
Und dieses Terrors, der Qualen und des Mordens.

 

Wie kann man hier stehen - immer wieder - und etwas anderes sein als: Dauerhaft schockiert fassungslos?

 

Ich ringe um Fassung.

Ich kann nur erahnen, wie es damals war: 
für die Opfer, für ihre Familien. 
Und wie es heute ist.

Dass ich zumindest eine Ahnung habe, das verdanke ich vor allem den kostbaren Gesprächen mit Zeitzeugen.

Überlebende, die die Größe hatten und haben, 
uns zu berichten – über den Verlust Ihrer Liebsten, 
über Ihre Trauer und Ihren Schmerz.
Die nicht müde werden, 
uns mitzunehmen in diese dunkelste Zeit. 

Und die uns dennoch 
versöhnlich, ja wohlwollend begegnen. 

Dafür danke ich von Herzen!

 

Und es ist das Verdienst der KZ-Gedenkstätten 
wie hier in Dachau oder in Flossenbürg. 

Die Gedenkstätten zeigen, was wahr ist. 

  • Wahre Geschichte.
  • Deutsche Geschichte.
  • Bayerische Geschichte. 

 

Auf Basis der Berichte von Zeitzeugen.

Als Ergebnis von Wissenschaft.

Mit einer bestimmten Intention? Natürlich!

Wir sehen, wozu Menschen fähig sind, 
blicken in Abgründe und 
dürfen uns keine Illusionen machen:

Jede Annäherung an den Abgrund ist 
ein Schritt hin zum Absturz der Menschlichkeit. 

Deshalb:

  • Diese Erinnerungskultur macht uns klüger und stärker.
  • Diese Erinnerungskultur macht mich stolz!

Wir erkennen durch die Aufarbeitung 
Muster, innere Logik, und die Hebel der Herrschaftstechnik:

  • Stimmungsmache mit Verachtung, 
    Wut und Hass.
  • Sündenbock-Mechanismen und 
    klare Feindbilder für territoriale Expansion.
  • Dazu der innere Kreis der Volksgemeinschaft 
    im Nationalismus kultisch überhöht.
  • Größenwahn, aber zielgerichtet:
    • keine Meinungsfreiheit,
    • keine Opposition,
    • weg mit der unabhängigen Justiz!
  • Und die Opfer des Nationalsozialismus?
    • Verleumdet, schikaniert und entrechtet, 
      verhaftet und entwürdigt,
    • vernichtet durch Arbeit, durch Hunger, 
      durch eine Gewehrkugel oder durch Gas.

Wir sind gewarnt: 
vor der unbegrenzten Macht des Diktatorischen!

Auch bei uns heute wird Stimmung gezielt geschürt:

  • Ausländerfeindlichkeit soll salonfähig gemacht werden,
  • Medien und Parteien werden der permanenten Lüge und Selbstbedienung bezichtigt,
  • Wissenschaft und Gerichte als die willfährigen Gehilfen der Politik.

 

Die Konsequenz dieses vergifteten Gedankenguts?

  • Das wären neuer Nationalismus und 
    gelenkte Demokratie.
  • Das wären nicht mehr, das wären 
    weniger Unabhängigkeit und weniger Freiheit.
  • Und ja, es ist richtig, wenn der Verfassungsschutz 
    hier bei uns ganz genau hinschaut!

 

Angeschoben wird ein neuer Kulturkrieg, der anderswo schon in vollem Gange ist: 

  • befeuert durch klare Feindbilder,
  • durch Verschwörungsmythen, oft der Einzelfall aufgeblasen bis in die Verallgemeinerung. 
    Bereit für den großen Knall!
  • Im Ton der Verachtung oder wahlweise im Ton der Empörung vorgebracht: in jedem Falle mit ganz viel Emotion und mit Vorliebe gegen Minderheiten. 

Ich warne vor der Lust an einem solchen Kulturkrieg: 

Er ist ein Geschäftsmodell. 
Dieses Geschäft aber geht zulasten 
unseres friedlichen und freiheitlichen Gemeinwesens: 
Es ist Gift für unsere Demokratie!

 

Das KZ Dachau zeigt 
den Gegenentwurf zu unserer Demokratie heute: 

  • ultimativ katastrophal.
  • Ins Leben gerufen auf deutschem Boden. 
    In Bayern. 
    Vor den Toren unserer stolzen Landeshauptstadt.
  • Direkt nach der Machtübernahme.

Wer nicht weiß, welch Errungenschaft unsere Freiheit, unsere Freiheiten sind, der muss hierherkommen!

 

Wir haben den Befreiern von 1945 viel zu verdanken.

Die US-Amerikaner haben die Tore zum KZ Dachau aufgestoßen und uns im Westen die Freiheit geschenkt. 

 

Sie haben uns Deutschen die Hand gereicht – 

  • trotz all der Grausamkeiten,
  • trotz des eigenen hohen Blutzolls,
  • trotz der deutschen Schuld damals.

Und sie haben uns an die Hand genommen – 
damit wirtschaftlicher Wohlstand wachsen konnte 
in freiheitlichen, demokratischen Strukturen. 

 

Sie haben die Deutschen mit der Demokratie beschenkt.

Und wir heute sind in der Verantwortung, achtsam mit diesem Geschenk umzugehen!

 

Unsere neue Bundestagspräsidentin ist heute da: 
Liebe Julia Klöckner, 
es dürfte eine Deiner ersten Reisen im neuen Amt sein. 

Das Signal finde ich stark und klug:

  • Wir wissen, wo wir herkommen.
  • Wir wissen, wo wir nie wieder hinwollen. 

 

Und wir bringen das als Repräsentantinnen des Staates zum Ausdruck: 

  • Wir schauen uns die Tatorte des Schreckens an,
  • wir hören Überlebenden und ihren Angehörigen zu und
  • wir machen diese Erfahrungen zur Grundlage unseres Handelns! 

 

So wenig ich weiß, wie ich Opfern und ihren Familien angemessen begegnen kann 
– desto fester ist meine politische Überzeugung:

Wir kämpfen gegen die Normalisierung deutscher Verbrechensgeschichte.

 

Und genauso wehren wir uns gegen die Normalisierung verfassungsfeindlicher Gegenwarts-Geschichten.

Ich sage es hier in diesem Lager, 
in dem Andersdenkende eingesperrt waren und 
dem Tod entgegensehen mussten:

Die offene Gesellschaft entlang der Regeln von 

  • Anstand,
  • Versöhnlichkeit und Menschlichkeit
  • ist das Beste, was wir haben. 

Und dazu kann, dazu muss jeder seinen Beitrag leisten!

 

Randspalte

Seitenanfang