„Bayerns Jugend nicht aus dem Blick verlieren!"
Aktuelle Stunde auf Vorschlag der SPD-Fraktion. Auch die Befragung der Staatsregierung in der Corona-Krise stand wieder auf der Tagesordnung der Plenarsitzung in der 5. Kalenderwoche.
4. Februar 2021
MÜNCHEN. Ungefähr ein Jahr nach Bekanntwerden der ersten SARS-CoV-2-Fälle in Bayern befindet sich der Freistaat in der zweiten Welle der Pandemie. In Bayern entwickelt sich die Situation derzeit jedoch positiv. Die täglich neu berichteten Fallzahlen weisen eine sinkende Tendenz auf. Aktuell liegt die 7-Tage-Inzidenz erstmals seit drei Monaten wieder unter dem Wert von 100. Vor diesem Hintergrund fand am vergangenen Donnerstag die Befragung der Staatsregierung zur Corona-Pandemie statt. Anschließend befasste sich der Landtag im Rahmen der "Aktuellen Stunde" mit der Situation von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie.
Zu Beginn der Regierungsbefragung gab der Staatsminister für Gesundheit und Pflege, Klaus Holetschek (CSU), einen kurzen Überblick über die aktuelle Lage im Freistaat. Dabei hob er hervor, dass es vermehrt in den Regionen an der tschechischen Grenze noch immer zu Inzidenzwerten von über 200 komme. Gerade dort sei die Situation also nach wie vor sehr instabil. Um den dynamischen Pandemieverlauf, insbesondere im Hinblick auf die neuartigen Mutationen des Corona-Virus in Zukunft besser beurteilen zu können, würden aktuell die Sequenzierungen positiver Corona-Tests weiter nach oben gefahren. Hierbei arbeite das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) eng mit den bayrischen Universitätskliniken zusammen.
Die Abgeordneten nutzten erneut die Regierungsbefragung, um sich nach den verschiedenen aktuellen Herausforderungen der Corona-Situation zu erkundigen. So stellten die Abgeordneten insbesondere kritische Fragen zu dem Stand der Digitalisierung an Schulen, zu der wirtschaftlichen Situation im Einzelhandel sowie zu der aktuellen Situation im Grenzgebiet zu Tschechien. Darüber hinaus wurde die Staatsregierung zu dem Stand der Auszahlung der Künstlerhilfsprogramme sowie zu der Impfreihenfolge bei Krebspatienten befragt.
Aktuelle Stunde: Bayerns Jugend nicht aus dem Blick verlieren!
In der anschließend auf der Tagesordnung stehenden „Aktuellen Stunde“ ging es dann um die besondere Situation der jungen Menschen in der Pandemie. Die familienpolitische Sprecherin der SPD, Doris Rauscher, hob in der Debatte die besonderen Belastungen bei Kindern und Jugendlichen hervor. Diese seien von den Auswirkungen der Corona-Krise in Familie, Freizeit, Schule und Ausbildung besonders betroffen. Rauscher verwies in diesem Zusammenhang auf einen starken Anstieg von psychischen Auffälligkeiten und Krankheiten wie Essstörungen, Angstzuständen und Depressionen bei Jugendlichen während der Pandemie. Die Staatsregierung nehme diese Probleme zu wenig in den Blick. So gäbe es zwar viele Familien, die in der Pandemie gut zurechtkämen. Gleichzeitig gäbe es aber auch eine bedeutende Anzahl von Familien, bei denen die Belastungsgrenze bereits überschritten sei. Für diese Familien müssten mehr Kapazitäten für akute Hilfe und Beratung geschaffen werden, forderte Rauscher. Dieser Bestandsaufnahme schloss sich Arif Taşdelen (SPD) an und fügte hinzu, dass das Mitspracherecht für Jugendliche generell verbessert werden müsse, etwa durch einen "Jugendcheck" von Gesetzen oder einer Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre.
Matthias Enghuber, jugendpolitischer Sprecher der CSU, begrüßte die Gelegenheit, sich im Rahmen der Plenardebatte darüber auszutauschen, wo die Jugendpolitik in Bayern aktuell stünde und welche Aufgaben noch zu bewältigen seien. Viel zu oft werde übersehen, wie sehr Jugendliche zum Gelingen einer vitalen Gesellschaft beitrügen. Die insgesamt knapp 1,4 Millionen 15 – 25-jährigen machten einen gewichtigen Teil der Bewohner Bayerns aus, was die Abgeordneten in die Verpflichtung nehme, die Jugendlichen in alle Überlegungen des politischen Denkens und Handelns einzubeziehen. In diesem Zusammenhang forderte Enghuber, dass das ehrenamtliche Engagement stärkeren Eingang in die Zeugnisse von Schule und Ausbildung finden sollte. Dies würde nicht nur gewährleisten, dass künftige Arbeitgeber diese sogenannten Soft Skills angemessen berücksichtigten würden, sondern dadurch könnten auch Nachteile ausgeglichen werden, die Jugendliche in der Pandemie erfahren hätten.
Thomas Huber (CSU) ergänzte, dass die Existenz-Sicherung der Familien ein wesentlicher Baustein für das Wohlbefinden der Jugendlichen sei. Dazu würde auch der vor kurzem beschlossene "Kinderbonus" beitragen, der eine Einmalzahlung von 150 EUR pro Kind vorsieht. Darüber hinaus bräuchten junge Menschen aber auch ihre ganz eigenen Ansprechpartner, insbesondere im Schulalltag. Dies müsse wieder gewährleistet werden, sobald das Infektionsgeschehen Öffnungen zulasse.
Eva Lettenbauer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), wies darauf hin, dass Jugendpolitik in aller erster Linie Zukunftspolitik sei. Kinder und Jugendliche träfe die Pandemie am härtesten. Ihre Lebensrealität sei am stärksten eingeschränkt. Dennoch sei die Kontaktminimierung – wenngleich eine Zumutung – notwendig. Vor diesem Hintergrund sollten Studierende an den Universitäten auch nicht zu Präsenzprüfungen gezwungen werden. Vielmehr müssten Hochschulen endlich ausreichend „fit“ für ein digitales Studium gemacht werden. Laut Lettenbauer seien dafür zusätzliche Mittel von 1,2 Millionen EURO notwendig. Darüber hinaus müsse die Jugendhilfe personell aufgestockt werden. Es sei höchste Zeit, der Jugend etwas zurückzugeben, da sich diese in der Pandemie bisher höchst solidarisch und umsichtig verhalten hätte.
Florian Siekmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) wies zusätzlich darauf hin, dass gerade in den Abschlussjahrgängen der Leistungsdruck enorm steige, was in der Corona-Pandemie von Schul- und Universitätsleitungen zu wenig berücksichtigt würde. Statt eines Durchstartens in einen neuen Lebensabschnitt erwarte Absolventen nur das „Wartegleis Corona“. Da während des Winters im Lockdown Verabredungen im Freien eingeschränkt waren, läge nun die Hoffnung der jungen Generation auf dem Frühjahr und Sommer. Wenn die Temperaturen wieder steigen, brauche es kluge Konzepte, wie der öffentliche Raum pandemiegerecht genutzt werden könne. Stumpfe Abrieglungen und Betretungsverbote könnten keine Lösungen sein. Außerdem kritisierte Siekmann, dass die Politik zu wenig gegen die wirtschaftliche Notlage unternehme, in der sich viele Studenten momentan befänden. So hätten junge Menschen finanzielle und existenzielle Sorgen, weil sich ihr Studium verlängere, weil sie ihren Job verloren hätten oder nach der Ausbildung gleich in die Kurzarbeit rutschten. Während Unternehmen umfangreiche Entschädigungen erhielten, hätte es "bei den Studierenden nur für Kredite gereicht", kritisierte Siekmann. Die Verschuldung durch Studienkredite der KfW hätte sich im letzten Jahr vervierfacht und die Nachfrage sei ungebrochen hoch.
Tobias Gotthardt, jugendpolitischer Sprecher der FREIEN WÄHLER, kritisierte in seiner Stellungnahme die pauschale Einordnung der Jugend als "Pandemietreiber". Gerade junge Menschen hätten bereits zu Beginn der Pandemie die Initiative ergriffen und beispielsweise Nachbarschaftshilfen organisiert, unkomplizierte Bestell-Apps programmiert oder Masken genäht. Jugendliche seien von Beginn an die "Generation Zuversicht" gewesen, obwohl sie von den Einschränkungen besonders hart getroffen worden seien. Eine nachhaltige Jugendarbeit sei eine unerlässliche soziale und gesellschaftliche Säule für Bayern. Die FREIEN WÄHLER hätten deshalb ein Bündel an Initiativen zur besseren Jugendbeteiligung auf Landesebene vorgeschlagen, wozu beispielsweise auch ein Siegel für besonders jugendfreundliche Kommunen gehöre.
Jan Schiffers (AfD) führte in seinem Beitrag aus, dass sich die wirtschaftliche Perspektive für junge Menschen in Bayern durch falsche Entscheidungen der Politik verschlechtert hätte. Besonders die hohe Verschuldung durch Corona-bedingte Maßnahmen würde früher oder später auf die Jugend zurückfallen. Als besonders nachteilig schätzte Schiffers zudem die Auswirkungen der Pandemie im Bildungsbereich ein. Bayern habe in der Vergangenheit von Ideen, Erfindungen und Patenten profitiert. Diese Erfolgsformel würde durch die aktuelle Corona-Politik gefährdet.
Julika Sandt (FDP) kritisierte, dass die Jugendlichen im Verlauf der Pandemie zu Sündenböcken gemacht worden seien: Eine Bevölkerungsgruppe für eine Seuche oder Pandemie verantwortlich zu machen, bediene sich "mittelalterlicher" Erklärungsmuster. Es gelte nun die Sorgen der jungen Generation ernst zu nehmen: Die Jugendlichen sähen sich in der Pandemie mit existentiellen Zukunftssorgen konfrontiert. So sei zum Beispiel die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen innerhalb eines Jahres um fast 25 % gestiegen.
Die Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Carolina Trautner (CSU), verwies als Fazit der Debatte darauf, dass es ein ständiger Balanceakt sei, einen bestmöglichen Ausgleich zwischen dem notwendigen Infektionsschutz und einem möglichst normalen sozialen und gesellschaftlichen Leben zu finden. Gleichzeitig dankte die Staatsministerin den vielen ehrenamtlich aktiven jungen Menschen in Bayern für ihre Mithilfe in der Pandemie. Der Freistaat setze auch in Zukunft alles daran, junge Menschen bestmöglich zu unterstützen und zu fördern: Bereits im vergangenen Jahr hätten für die Jugendarbeit in Bayern insgesamt 34,2 Millionen Euro zur Verfügung gestanden, der bislang höchste Betrag in der Geschichte des Freistaats. Auch in den kommenden Monaten werde die Jugendarbeit in Bayern weiter ausgebaut, um junge Menschen bestmöglich durch die Pandemie zu begleiten.
/ Eva Mühlebach