Landtag diskutiert über Erhebung der Corona-Zahlen

Aktuelle Stunde auf Vorschlag der FDP-Fraktion: "Corona: Falsche Zahlen, geschädigtes Vertrauen – aufklären statt wegducken"

7. Dezember 2021

MÜNCHEN.     Die letzte „Aktuelle Stunde“ des Landtags in diesem Jahr nutzte die FDP, um über die Inzidenz-Zahlen von Ungeimpften zu sprechen. Laut der Fraktion hat die Staatsregierung positive Corona-Tests von Menschen, deren Impfstatus unklar war, immer den Ungeimpften zugeschlagen. CSU und Freie Wähler räumten zwar eine „statistische Unschärfe“ ein. Auswirkungen auf das Pandemie-Geschehen oder die Maßnahmen habe das aber nicht.

FDP-Fraktionschef Martin Hagen betonte zu Beginn der Aktuellen Stunde, dass er bisher Vertrauen in die offiziellen Zahlen der bayerischen Behörden gehabt hätte. Wenn aber bei rund 70 Prozent der corona-positiven Menschen der Impfstaus unbekannt sei, könne daraus keine Inzidenz für Geimpfte und Ungeimpfte berechnet werden. Dennoch habe Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gesagt, die Inzidenz bei Ungeimpften liege in Bayern bei 1600, bei Geimpften bei knapp 100. „In Wirklichkeit liegt die Inzidenz bei Geimpften 3,5-mal so hoch“, kritisierte Hagen. Das Kleinrechnen des Infektionsrisikos würde den Geimpften eine trügerische Sicherheit vermitteln und allgemein das Vertrauen in die Pandemiemaßnahmen untergraben.

CSU-Generalsekretär Markus Blume warf der FDP hingegen vor, mit der Aktuellen Stunde die Bekämpfung der Corona-Pandemie zu untergraben. „Natürlich ist eine statistische Unschärfe von Daten nicht gut.“ Es sei aber immer klar gewesen, wie die Zahlen des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) erhoben würden. „Schätzungen bleiben Schätzungen.“ Fakt sei: „Das Infektionsgeschehen geht von Ungeimpften aus.“ Abgesehen davon sind laut Blume ausschließlich die Zahlen der Hospitalisierung ausschlaggebend für die Corona-Maßnahmen. „Betreiben Sie nicht das Geschäft derer, die rechtsaußen neben Ihnen sitzen“, warnte er.

Grüne: Bei der Darstellung der Inzidenzen zukünftig genauer unterscheiden

Andreas Krahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kritisierte sowohl die FDP als auch die Staatsregierung. Es sei von den Liberalen nicht richtig, ausgerechnet bei einer dunkelroten Corona-Ampel die aktuellen Maßnahmen wegen „Schätzungsfehlern“ infrage zu stellen. Andererseits sei es von der Staatsregierung auch nicht hinnehmbar, dass der Impfstatus „wegen einer Überlastung der Gesundheitsämter“ nur nachrangig aufgeklärt würde. „Diese Ungenauigkeit spielt den Impfskeptikern in die Hände und trägt nicht zum Vertrauen in die Politik bei“, sagte Krahl. Er forderte das LGL auf, zukünftig bei der Darstellung der Inzidenzen von Geimpften und Ungeimpften genauer zu unterscheiden.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FREIEN WÄHLER, Dr. Fabian Mehring, warf der FDP vor, mit dem vermeintlichen Skandal lediglich eine „statistische Unschärfe“ aufgedeckt zu haben, welche das LGL seit Monaten transparent darstellen würde. „In der Sache dürfte die stochastische Abweichung durch die zusammenfassende Ausweisung des Impfstatus ‚Geimpft‘ und ‚Unbekannt‘ äußerst gering sein.“ Abgesehen davon richten auch laut Mehring Bund und Länder ihre Maßnahmen schon seit Monaten nicht mehr nach der Inzidenz, sondern nach der Krankenhausbelegung aus. Als Konsequenz forderte er, bei jedem staatlichen Test den Impfstatus zu vermerken.

AfD: Niemand liest das Kleingedruckte in den Statistiken

Andreas Winhart, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD, wies darauf hin, dass in der bayerischen Infektionsmaßnahmenverordnung das Wort „Inzidenz“ nach wie vor gehäuft vorkäme. Grundsätzlich sei es falsch, die Öffentlichkeit mit falschen Zahlen zu „belügen“. „Niemand liest das Kleingedruckte auf der LGL-Webseite – wie in einem Versicherungsvertrag“, sagte er. Dadurch hätten Politiker falsche Entscheidungen getroffen und die Bevölkerung sei grundlos verunsichert worden. Gleichzeitig kritisierte er die FDP für ihren „Schlingerkurs“. Wäre man in der Corona-Krise den Forderungen der AfD nach Freiheit und Eigenverantwortung gefolgt, wären die kritisierten Zahlen unbedeutend gewesen.

„Wer das Vertrauen in die Impfkampagne stärken will, sollte nicht mit fragwürdigen Zahlen arbeiten“, betonte SPD-Fraktionschef Florian von Brunn in seiner Rede. Ministerpräsident Söder sei schon am 18. November 2021 von Statistikexperten auf die „falschen Berechnungen“ hingewiesen worden. „Passiert ist nichts!“ Jetzt würde er die Verantwortung dafür auf andere abschieben. Die Freien Wähler kritisiert er, weil sie mit dem lange impfskeptischen Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger nicht zu einem Impffortschritt in Bayern beigetragen hätten. Von Brunn forderte, transparenter mit den Zahlen umzugehen und die Gesundheitsämter für eine genauere Erhebung besser auszustatten.  

CSU: Die Diskussion schadet der aktuellen Impfkampagne

Der fraktionslose Abgeordnete Markus Plenk warnte angesichts der Zahlen vor der Behauptung einer „Pandemie der Ungeimpften“: Zuerst sollten seriöse Statistiken erhoben und dann Maßnahmen getroffen werden. „Eine Impfpflicht darf es bei Impfstoffen, die keine sterile Immunität erreichen, in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat nicht geben.“

Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) nannte die Aktuelle Stunde der FDP einen „Schuss in den Ofen“. Zwar hätten andere Bundesländer und das Robert Koch-Institut eine andere Berechnungsweise der Inzidenzen von Geimpften und Ungeimpften. Begriffe wie „Skandalisierung“, „Täuschung“ und „Fälschung“ seien aber „völlig daneben“ und verunsicherten die Bürgerinnen und Bürger. Stattdessen gelte es jetzt, Kontakte zu vermeiden und für die Impfung zu werben. Das LGL habe eine „hochwissenschaftliche Expertise“. Holetschek lud alle Fraktionen ein, sich bei einem persönlichen Besuch selbst ein Bild von der „guten Arbeit“ zu machen.

/ David Lohmann

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