Landtag diskutiert über Wehr- und Sozialdienst
Aktuelle Stunde auf Antrag der FREIEN WÄHLER

MÜNCHEN. In einer von ihr beantragten Aktuellen Stunde zum Thema "Für das Gemeinwohl: Verteidigungsfähigkeit herstellen - soziales Engagement stärken" hat die Fraktion der FREIEN WÄHLER ihr Modell eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres für alle bekräftigt. Die CSU steht der Idee mehrheitlich offen gegenüber, die AfD setzt andere Prioritäten, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und SPD plädieren für modifizierte Freiwilligenmodelle.
Die FREIEN WÄHLER wollen in der Debatte um die Wiedereinführung von Wehr- und Sozialdienst ihre Pläne für ein verpflichtendes Gemeinschaftsjahr mehrheitsfähig machen. Es soll für Männer wie Frauen gelten und als "Teil gelungener Integration" auch Migranten mit unbefristetem Bleiberecht einbeziehen, wie der FREIE-WÄHLER-Abgeordnete Bernhard Pohl erläuterte. "Wir sind eine Gesellschaft, wir müssen alle zusammenhalten", sagte er. Die zum Dienst verpflichteten jungen Menschen sollen dabei wählen können, ob sie bei der Bundeswehr dienen oder sich sozial engagieren wollen.
"Größere Anstrengungen" für Landesverteidigung
Pohl betonte, spätestens seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine brauche es "wesentlich größere Anstrengungen" für die Landesverteidigung, eine reine Berufsarmee reiche dafür nicht aus. Der Dienst für die Gesellschaft, egal ob bei der Bundeswehr oder im Sozialen, müsse verpflichtend für alle sein, da es nicht zu rechtfertigen sei, dass nur ein Teil der jungen Menschen "die Ärmel hochkrempelt", während sich andere zurücklehnten, erklärte Pohl. Sein Fraktionskollege Thomas Zöller führte aus, der vor wenigen Jahren eingeführte Bundesfreiwilligendienst und das freiwillige soziale Jahr hätten nicht annähernd die Wirkung des früheren Zivildienstes erreicht. Deshalb sei jetzt ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr "bei angemessener finanzieller Entschädigung" nötig. Dieses könne für viele junge Menschen der Einstieg in die unter Fachkräftemangel leidenden Sozialberufe sein.
AfD fordert mehr "Heimatliebe"
Auch AfD-Fraktionsvize Martin Böhm hob hervor, dass die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands wiederhergestellt werden müsse. Die setze aber Heimatliebe voraus, an der es im Lande fehle. Die "Verweichlichungskultur" in den Jahren der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe dazu geführt, dass Männern die zur Verteidigung des Vaterlandes erforderliche Heimatliebe "aberzogen" worden sei. Dazu gekommen sei die "Guttenbergsche Zerstörung der Bundeswehr", blickte Böhm auf die vom damaligen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) durchgesetzte Aussetzung der Wehrpflicht. Böhm sprach sich für deren "schrittweise Reaktivierung", beständige Investitionen in die Bundeswehr und eine Stärkung des sozialen Engagements in der Gesellschaft aus.
CSU: Mehr bürgerschaftliches Engagement bei Landesverteidigung und im Sozialen
In der CSU läuft nach Abgaben ihres Angeordneten Thomas Huber seit zwei Jahren ein intensiver Meinungsbildungsprozess zum verpflichtenden Gesellschaftsjahr, der noch nicht abgeschlossen sei. Grundsätzlich werde in der Fraktion die Notwendigkeit für mehr bürgerschaftliches Engagement bei Landesverteidigung und in sozialen und gemeinnützigen Einrichtungen gesehen. "Ich kann mir die Einführung einer Art Bürgerpflichtjahr vorstellen", sprach Huber für sich. In der CSU-Fraktion herrsche Einigkeit darüber, dass es einen "Impuls für mehr Gemeinschaftsgefühl und ein Signal für einen neuen Aufbruch in unserer Gesellschaft" brauche. "Wir müssen mehr Menschen für den Katastrophenschutz, die sozialen Berufe und die Bundeswehr begeistern", sagte Huber. Sein Fraktionskollege Wolfgang Fackler plädierte für eine "faire und praktikable Wehrpflicht", die gerecht über die junge Generation verteilt sei. "Wir brauchen wieder den Staatsbürger in Uniform", sagte er.
Grüne: Keine Dienstpflicht zulasten junger Menschen
Kritisch zur Idee eines Pflichtjahres äußerte sich Florian Siekmann (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN). Er sprach von einer "einfachen Lösung für Politikversagen in der Vergangenheit". Die Verteidigungsfähigkeit hätte spätestens nach der Annexion der Krim durch Russland 2014 erhöht werden müssen, der Fachkräftemangel im Sozialbereich sei seit Langem bekannt und die wachsende Zahl an Naturkatastrophen hätte für mehr Investitionen in den Zivilschutz sorgen müssen. Es sei zynisch, jetzt junge Menschen zu Diensten zu verpflichten, um politische Fehler bei der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr oder bei der Nachwuchsgewinnung in sozialen Berufen auszubügeln. "Wir dürfen die Lebenszeit junger Menschen nicht zur politischen Verfügungsmasse erklären, um damit Versäumnisse aus der Vergangenheit zuzuspachteln", mahnte Siekmann. Er forderte stattdessen eine Ausweitung der Freiwilligendienste auf alle Generationen. Zudem stellte Siekmann fest, dass die Bundeswehr derzeit bei einer Rückkehr zur Wehrpflicht überfordert wäre. Es fehle dafür unter anderem an den nötigen Ausbildungskapazitäten.
SPD: Lob des neuen freiwilligen Wehrdienstes
Markus Rinderspacher (SPD) stellte sich hinter den von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgelegten Plan zur stufenweisen Einführung eines neuen, auf Freiwilligkeit beruhenden Wehrdienstes. Mehr sei mit den aktuellen Strukturen der Bundeswehr zur Zeit nicht umsetzbar. Auch die Sozialdienste müssten nach Ansicht Rinderspachers freiwillig bleiben. Eine einjährige Pflicht für alle würde den Fachkräftemangel verschärfen, außerdem brauche es in sozialen Berufen mehr ausgebildetes Personal und keine möglicherweise unmotivierten Pflichtdienstleistenden.
/Jürgen Umlauft