Landtag diskutiert über Wirtschaftspolitik
Aktuelle Stunde im Plenum
22. Juli 2025
MÜNCHEN. Unter dem Eindruck des Investitionsgipfels im Kanzleramt sprachen die Abgeordneten des Bayerischen Landtags darüber, welche wirtschaftspolitischen Weichen künftig gestellt werden sollen. Dabei ging es vor allem um bessere Rahmenbedingungen für die Unternehmen.
Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER gab deren wirtschaftspolitischer Sprecher die Marschrichtung vor. Markus Saller beklagte die längste Rezession in der Nachkriegszeit. Nach vielen Gesprächen mit Vertretern von Wirtschaftsverbänden sei ihm klargeworden, dass die Wettbewerbsfähigkeit im Lande nicht mehr stimme: "Es ist nach wie vor so, dass es nicht fünf vor zwölf ist, es ist zwölf Uhr." Saller erklärte, es sei höchste Zeit das Augenmerk verstärkt auf das Thema zu lenken und forderte in der Aktuellen Stunde des Landtags "mehr Freiheit für unsere Wirtschaft". Dazu seien verbesserte Rahmenbedingungen nötig. Branchenübergreifend sei den Unternehmerinnen und Unternehmern der Bürokratieabbau besonders wichtig. Zu hoch sei die Regulierungsdichte in Europa und verhindere teils sogar Innovationen. Auf Landesebene tue man schon viel, beispielsweise mit der Bayerischen Bauordnung, die eine der innovativsten in Deutschland sei. "Trotzdem sind wir noch lange nicht fertig, auch in der Bauwirtschaft. Wir müssen runter von den Standards, wir müssen weg von preistreibenden Normen und wir müssen bauen wieder bezahlbar machen", sagte Saller. Hilfreich war nach seinen Worten die Umsatzsteuersenkung in der Gastronomie. Aber die Energiewende müsse neu aufgesetzt werden, denn die Preise seien im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig. Auch das Verbrenner-Verbot sieht der FREIE WÄHLER-Abgeordnete kritisch. Ihm zufolge ist es besser, technologieoffen zu bleiben.
AfD: Argentinischer Präsident Milei als Vorbild
Harte Kritik an den Vorschlägen der FREIEN WÄHLER kam von der AfD. Oskar Lipp sprach von politischer Heuchelei: "Ihre Politik ist ein Beispiel für Doppelmoral und Mitläufertum." Lipp warf Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger vor, wirtschaftsfeindliche Maßnahmen zu unterstützen und zu einer Bürokratieexplosion beizutragen. Seit 2022 habe der Freistaat 50.000 Industriearbeitsplätze verloren, jedes vierte Industrieunternehmen denke über einen Wegzug von Bayern nach.
Als wirtschaftspolitisches Vorbild empfahl Lipp die Politik des argentinischen Präsidenten Milei, der sein Land durch "radikale Reformen aus der Krise" führe. Das Motto "Kettensäge statt Nagelfeile" stünde auch Bayern gut zu Gesicht, denn dem AfD-Politiker zufolge lassen sich die Maßnahmen auch in Bayern verwirklichen. Zentrale Punkte seien dabei Marktwirtschaft statt Dirigismus, das bedeute hier konkret die Abschaffung des Klimaschutzgesetzes. Radikale Staatsschrumpfung umgesetzt in der Verkleinerung des Verwaltungsapparates, weiter massive Deregulierung durch die Abschaffung der Datenschutzgrundverordnung DSGVO sowie ein ausgeglichener Haushalt durch die Abschaffung von Subventionen und schlussendlich freie Märkte statt Protektionismus, die die AfD in der Abschaffung des Lieferkettengesetzes sieht.
CSU: "Bavarian Mut statt German Angst"
Die CSU-Abgeordnete Kerstin Schreyer verwahrte sich scharf gegen Lipps Vorwurf der politischen Debatte als Heuchelei. Die Kettensäge-Formulierung zeige die Brutalität und den Versuch der gesellschaftlichen Spaltung.
Vielmehr gilt es nach Schreyers Worten, Hürden abzubauen, vor allem für den Mittelstand als Rückgrat der bayerischen Wirtschaft. Mit Blick auf das am Boden liegende Wirtschaftswachstum brauche es weniger Bürokratie, schnellere Genehmigungen, mehr Spielräume und Innovationskraft. "Wir müssen der so genannten German Angst jetzt den Bavarian Mut entgegensetzen." Als positives Beispiel hob die CSU-Abgeordnete die Luft- und Raumfahrtindustrie hervor. Das sei eine feste Größe für eine Zukunftsbranche. Schreyer wies auf die wichtige Rolle der Industrie mit 25 Prozent der Bruttowertschöpfung in der bayerischen Wirtschaft hin. Insbesondere für die Industrie seien verlässliche Rahmenbedingungen wichtig: Wettbewerbsfähige Strompreise, zukunftsfähige Förderinstrumente und Investitionssicherheit. Für eine technologieoffene Energiepolitik oder Künstliche Intelligenz seien Freiräume wesentlich. Insgesamt sieht die CSU-Politikerin viele Stellschrauben, an denen gedreht werden könne.
Grüne: Freiheit nicht auf Kosten anderer
Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mahnte Barbara Fuchs, Freiheit nicht auf Kosten anderer zu missbrauchen. Ihre Forderung: "Wirtschaften, aber im Gleichgewicht und nicht zerstörerisch". Denn Freiheit gehe mit sozialer und ökologischer Verantwortung einher. Fuchs sprach sich für Bürokratieabbau aus, aber nicht für Realitätsverweigerung. Freiheit bedeute auch Unabhängigkeit von fossilen Energien. Mit Blick auf den Fachkräftemangel verlangte sie eine optimierte Anerkennung von Abschlüssen Zugewanderter und bessere Kinderbetreuung, damit mehr Frauen arbeiten können. Wer heute den Klimaschutz bremse, der gefährde morgen die wirtschaftliche, die gesellschaftliche und persönliche Freiheit, so Fuchs. Ihr Apell lautete: Nicht reden, sondern tun, am besten zusammen.
SPD: Freiheit durch Wohlstand für alle
Auch für die SPD ist der Begriff Freiheit zentral. Florian von Brunn sprach von Freiheit für die Menschen, die nur realisierbar sei durch Wohlstand für alle. Zugleich mahnte er "gerechte Steuern für die oberen Zehntausend" an. Der SPD-Abgeordnete warnte zudem vor falsch verstandener Freiheit, die nichts anderes bedeute als Abbau von Sozialstaat, Arbeits- oder Umweltschutz und stattdessen mehr Profit für wenige. Den FREIEN WÄHLERN warf er ihren Widerstand gegen die Reform der Schuldenbremse und das Sondervermögen vor, der CSU die 10 H-Regelung bei Windkraftanlagen als wirtschaftsfeindliche Regulierung.
Wirtschaftsminister: Wirtschaft von Fesseln befreien
Umverteilung oder gar Enteignungen seien nicht die Lösung konterte der Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. Hubert Aiwanger (FW) lobte die bayerische Wirtschaft, als wirtschaftlich stärkste in Deutschland, weil der Freistaat seit Jahrzehnten gut regiert werde. Es gelte, die Wirtschaft bundesweit von Fesseln zu befreien sowie sich freizumachen von einem Kontrollzwang. Der Minister sieht die Lösung in der Senkung des Unternehmenssteuersatzes noch vor 2028. Im Gegenzug müsse das Bürgergeld für diejenigen reduziert werden, die arbeiten könnten, aber nicht wollten. Zudem sollten die Energiepreise sinken, forderte Aiwanger. Eine Senkung der Stromsteuer bringe erhebliche Entlastungen für Unternehmen und Haushalte.
Nach bayerischem Vorbild solle die Start-up-Förderung sowie die Forschungsförderung bundesweit ausgebaut werden: "Wir haben im Bereich Start-Ups mittlerweile die Spitzenstellung innerhalb Deutschlands erreicht. Wir haben Berlin abgehängt, wir haben Nordrhein-Westfalen abgehängt, wir haben hier bewiesen, dass wir mit gezielter Unterstützung von […] Unternehmertum wieder etwas wachsen lassen können." Sein kürzlicher USA-Besuch hat dem stellvertretenden Ministerpräsidenten seinen Worten zufolge gezeigt, dass dort zwar Steuern und Energiepreise niedriger sind und es weniger Bürokratie gibt, dass aber das deutsche duale Ausbildungssystem im Vergleich hervorragend ist.
Ein Dorn im Auge ist dem Minister die Naturwiederherstellungsverordnung der Europäischen Union. Er sprach von einer politischen Bombe, die entschärft werden müsse. Ebenso sei ein Aus von Lieferkettengesetz, Nachhaltigkeitsberichterstattung und Verbrenner-Verbot erforderlich.
/ Miriam Zerbel