Landtag verabschiedet neues Polizeiaufgabengesetz

Dienstag, 15. Mai 2018
– Von Jürgen Umlauft –

Nach einer emotionalen und kontroversen Debatte hat der Landtag mit den Stimmen der CSU die umstrittene Novellierung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) beschlossen. Es tritt damit am 25. Mai in Kraft und setzt zum einen Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz um und verbessert auf Basis der neuen EU-Datenschutzverordnung die Rechte der Bürger. Auf der anderen Seite weitet es die Befugnisse der Polizei in den Bereichen Überwachung und Fahndung deutlich aus und verlagert Eingriffsmöglichkeiten weit ins Vorfeld möglicher schwerer Straftaten. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte, die neuen Regelungen brächten mehr Sicherheit, aber auch mehr Bürgerrechte und Datenschutz. Die Opposition sprach dagegen von einer unangemessen Ausweitung polizeilicher Präventivbefugnisse und warnte vor einem „Überwachungsstaat“.

Nach Angaben Herrmanns sollen die Bürger in Bayern weiter „frei und sicher leben“ können. Dies bezwecke und gewährleiste das neue PAG. „Es ist ein Schutzgesetz und kein Überwachungsgesetz“, betonte er. Deutlich kritisierte Herrmann, dass auf zahlreichen Demonstrationen gegen das Gesetz Unwahrheiten und „grober Unfug“ verbreitet würden. Damit werde „in unverantwortlicher Weise Angst und Schrecken vor der Polizei“ gemacht. Niemand könne künftig grundlos überwacht oder weggesperrt werden, zahlreiche polizeiliche Befugnisse stünden unter dem Vorbehalt einer richterlichen Zustimmung, betonte er. Falschen Behauptungen wolle er eine Aufklärung- und Informationskampagne entgegensetzen. Herrmann bekräftigte den Vorschlag von Ministerpräsident Markus Söder, die praktische Umsetzung des PAG von einer Expertenkommission aus Verfassungsrechtlern, Datenschützern und Polizeipraktikern sowie von einem Bürgerdialog begleiten zu lassen.

SPD-Landeschefin Natascha Kohnen erklärte dagegen, mit dem neuen PAG befinde sich der Freistaat auf einem „Irrweg“. Das Gesetz mache Bayern nicht sicherer. „Wir brauchen kein Überwachungsgesetz, das ohne Respekt vor den Menschen durch den Landtag gepeitscht wird“, sagte sie. Die Polizei brauche keine neuen Befugnisse, sondern mehr Personal zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Die Eingriffsrechte schon bei „drohender Gefahr“ veränderten die Sicherheitsarchitektur erheblich. Aus dem Gesetz spreche ein „tiefes Misstrauen“ der CSU gegenüber der Bevölkerung, da die neuen Regelung nicht nur der Terrorabwehr dienten.

Vor dem Hintergrund der hervorragenden Sicherheitslage in Bayern bezeichnete die Fraktionschefin von Bündnis90/DIE GRÜNEN, Katharina Schulze, das neue PAG als unnötig. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Bürgerrechte derart beschnitten werden“, sagte sie. Söders Vorschlag einer Evaluierungskommission und eines Bürgerdialogs sei „lächerlich und grotesk“. „Erst ein Gesetz beschließen und hinterher einen Dialog zu führen, ist kein feiner Stil“, urteilte Schulze. Sie kündigte –genauso wie die SPD – Verfassungsklage gegen das Gesetz an.

Eva Gottstein (FREIE WÄHLER) sprach von der „größten Änderung des PAG seit Bestehen des Freistaats“. Die Polizei bekomme damit Eingriffsrechte, die bislang Richtern und Staatsanwälten vorbehalten gewesen seien. Ihr Fraktionskollege Florian Streibl riet zur Rücknahme des Gesetzes. „Es ist landauf landab sichtbar, dass dieses Gesetz den Menschen Angst macht und die Gesellschaft spaltet“, sagte er. Nötig sei eine „Atempause“, um die vielfältige Kritik von Verfassungsrechtlern und Datenschützern noch einmal in Ruhe bewerten zu können.

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer räumte eine „äußerst schwierige Abwägung“ zwischen der Freiheit des Einzelnen und dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung ein. Man brauche den bestmöglichen Schutz der Bürger vor schwersten Straftaten und ein Höchstmaß an Rechtssicherheit. Dem werde das neue PAG „in vollem Umfang gerecht“. Der technische Fortschritt und veränderte Bedrohungslagen machten es erforderlich, der Polizei „neue Befugnisse auf der Höhe unserer Zeit“ an die Hand zu geben. Dies führe jedoch nicht in einen Überwachungsstaat. Der Staat dürfe nicht zuschauen, bis etwas passiert sei. Dafür schaffe das neue PAG die nötigen Rechtsgrundlagen. Dem widersprach der SPD-Rechtsexperte Franz Schindler. Die von Kreuzer und Herrmann angeführten Beispiele für die Notwendigkeit der neuen Polizeibefugnisse seien „falsch und konstruiert“. Gegen mutmaßliche Bombenleger oder Kapitalverbrecher könne die Polizei schon heute auf der Grundlage bestehender Gesetze präventiv vorgehen.


Randspalte

Seitenanfang