Petitionswesen: Ausschussvorsitzende Sylvia Stierstorfer zieht Zwischenbilanz

Dienstag, 10. Mai 2016

– Von Katja Helmö –

Knapp 5600 Petitionen haben in der aktuellen Wahlperiode das bayerische Parlament erreicht. Der Schwerpunkt der eingereichten Bitten und Beschwerden verlagerte sich dabei im Vergleich zur letzten Legislaturperiode von Bauangelegenheiten hin zur Flüchtlingsthematik. Außerdem zeichnet sich ein Trend zu Massenpetitionen ab – dies geht aus dem Bericht hervor, den Sylvia Stierstorfer (CSU), Vorsitzende des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden, zur Halbzeit der 17. Wahlperiode im Plenum vorstellte. In Anschluss überreichte sie den Bericht zusammen mit Johanna Werner-Muggendorfer, der stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses, an Landtagspräsidentin Barbara Stamm (Foto rechts). 

„Alle Bewohner Bayerns haben das Recht, sich schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Behörden oder an den Landtag zu wenden“ – so steht es in der Bayerischen Verfassung (Artikel 115) geschrieben. Artikel 17 des Grundgesetzes erweitert dieses Recht sogar auf jedermann, also unabhängig davon, ob er oder sie in Bayern, Deutschland oder im Ausland wohnt und auch unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Petentin oder des Petenten.

Petitionswesen:

eine Notrufsäule“ für die Bürger,

ein Seismograph“ für die Politiker
 

Das Petitionswesen sei für Bürger „eine Notrufsäule“ und für Politiker „ein Seismograph, der die Stimmungen in der Bevölkerung aufnimmt und zeigt, wo die Nöte der Menschen liegen“, erklärte Sylvia Stierstorfer. Die Bearbeitung einer Petition eröffne Abgeordneten die Chance, mit den Menschen in einen Dialog zu treten – ein aus der Sicht der Ausschussvorsitzenden wichtiger Aspekt, gerade in Zeiten, in denen viel über Politikverdrossenheit gesprochen werde.

Knapp ein Viertel der beim Landtag eingereichten Petitionen hat Erfolg: Von den 4712 in dieser Wahlperiode erledigten Petitionen hätten immerhin 1088 in irgendeiner Weise positiv beschieden werden können, berichtete die Ausschussvorsitzende. Der Schlüssel dafür liege häufig darin, vor Ort alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen. Allein der Petitionsausschuss, so die Vorsitzende, habe im Berichtszeitraum über 47 Ortstermine wahrgenommen. Hier hätte bei knapp 36 Prozent aller Eingaben im Sinne der Petenten entschieden werden können.

Beim Blick auf das Zahlenwerk stellte sie fest, dass im Berichtszeitraum insbesondere ein Anstieg von Petitionen aus dem Ausländerrecht zu verzeichnen sei; hier habe sich die Zahl der Eingaben mit 329 Fällen nahezu verdreifacht: „Die Flüchtlingskrise schlägt als Thema massiv auf die Arbeit des Eingabenausschusses durch“, bilanzierte die Ausschussvorsitzende. Dabei dürfe nicht vergessen werden, dass Eingaben für ein Bleiberecht oder Beschwerden wegen geplanter Abschiebungen existentielle Fragen berührten. Der Ausschuss betrachte die menschlich zum Teil sehr bewegenden Schicksale sehr genau, versicherte Stierstorfer. Bei besonderen Einzelschicksalen habe der Ausschuss die Möglichkeit, eine Eingabe der beim Innenministerium eingerichteten Härtefallkommission zuzuweisen. In zehn humanitären Ausnahmefällen sei dies im Berichtszeitraum der Fall gewesen.


Steigerung von 160 Prozent bei den Massenpetitionen

Vor dem Hintergrund der Flüchtlingsthematik sei die Anzahl der Petitionen, die im Petitionsausschuss behandelt werden, von 1183 auf 1383 gestiegen. Neben dem Ausländerrecht bildeten Bauangelegenheiten und Strafvollzug weitere Aufgabenschwerpunkte. Zurückgegangen sei demgegenüber die Zahl der Eingaben, die den Fachausschüssen zugewiesen werden. Weiter zugenommen hat die Zahl der Sammel- und Masseneingaben: Hier, so die Vorsitzende des Petitionsausschusses, sei eine Steigerung von 160 Prozent zu verzeichnen. Massenpetitionen habe es zum Beispiel gegen die 3. Startbahn am Münchner Flughafen (82.000 Unterstützerinnen und Unterstützer), für gentechnikfreie Lebensmittel (68.000 Unterstützerinnen und Unterstützer) oder gegen Zulassungsbeschränkungen zum Referendariat bei Lehramtsstudenten (23.000 Unterstützerinnen und Unterstützer) gegeben. Auch die Themen „barrierefreier Umbau von Bahnhöfen“, „Windkraft“ und „Straßenausbaubeiträge“ veranlassten viele Bürgerinnen und Bürger, sich mit einer Bitte oder Beschwerde an den Landtag zu wenden. Petitionen, so Stierstofer, bewegten die Menschen. Wichtig sei ihr aber darauf hinzuweisen, dass dem Ausschuss die Petition, die nur eine Unterschrift trägt, genausviel wert sei wie eine Massenpetition.  

„Der Petitionsausschuss ist ein Bürgerausschuss“, betonte auch Johanna Werner-Muggendorfer (SPD), die stellvertretende Ausschussvorsitzende, in der Aussprache im Plenum. Der Ausschuss kümmere sich um die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger und nehme diese ernst. Die SPD-Politikerin kündigte an, dass ihre Fraktion in dieser Wahlperiode nochmals die Möglichkeit einer „Öffentlichen Petition“ beantragen werde.

Das bayerische Petitionswesen lobten auch Benno Zierer (FREIE WÄHLER) und Martin Stümpfig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Beide Abgeordneten zeigten sich aber davon überzeugt, dass es auch noch verbessert werden könnte. Benno Zierer regte etwa an, dass per Gesetz die Funktion eines Petitionsbeauftragten geschaffen wird, der die Rolle eines Mediators ausübt. Martin Stümpfig brachte, wie zuvor bereits seine Vorrednerin Johanna Werner-Muggendorfer, eine „Öffentliche Petition“ ins Gespräch. Falls der Antragsteller einwilligt, würde bei einer Öfentlichen Petition dessen Bitte und Beschwerde auf der Internetseite des Landtags veröffentlicht. Das Instrument der Petition, so Stümpfig, würde dadurch noch bekannter und attraktiver.    


Weitere Informationen und Broschüren zum Thema finden Sie unter
https://www.bayern.landtag.de/info-service/petitionen

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Weiterführende Informationen

Bericht der Vorsitzenden des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden zur Hälfte der 17. Wahlperiode (2016):

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