Wirtschaftsausschuss zu Gast in Mexiko

15. November 2016

- Von Dr. Anton Preis -
 
San Luis Potosi.    Der Wirtschaftsausschuss des Bayerischen Landtags ist unter der Leitung von Erwin Huber vom 12. bis 20. November 2016 auf einer Informationsreise in Mexiko unterwegs. Mexiko bietet als aufstrebende Wirtschaftsmacht ein hohes Investitionspotenzial für bayerische Unternehmen. Schon jetzt ist Mexiko der viertgrößte Absatzmarkt für bayerische Exporte in Amerika und ist vor allem in der Automobilbranche auch als Produktionsstandort interessant.
 
Begleitet wird die Delegation durch den Repräsentanten des Freistaats Bayern in Mexiko, Christian Weber, der auch einen Großteil der Programmplanung übernommen hatte. In einem ersten Briefing informierte Weber die Delegation über die wirtschaftlichen Eckdaten Mexikos und dessen ökonomische Rahmenbedingungen. Das Land unterhält Freihandelsabkommen mit über 40 Staaten weltweit, darunter im Rahmen von NAFTA mit Kanada und den USA. Zwar ist Mexiko ein international renommierter Industriestandort, doch auch der Tourismus trägt stark zur Wertschöpfung im Land bei. Dabei bezieht sich Mexiko bewusst auf seine historischen Wurzeln aus den Zeiten der Maya und Azteken. Bei einem Besuch der Pyramiden von Teotihuacán war die Verknüpfung der jahrtausendealten regionalen Geschichte mit dem Tourismus Thema.

Bayerische Unternehmen investieren in Mexiko

In San Luis Potosí war zunächst das Werk des weltweit bekannten bayerischen Mittelständlers Dräxlmaier Programmpunkt. Mit über 5.000 Mitarbeitern ist der Automobilzulieferer der größte und wichtigste Arbeitgeber im Bundesstaat San Luis Potosí und seit elf Jahren dort ansässig. Auf 67.000 Quadratmetern werden Fahrzeugelektronik und -innenausstattung gebaut. Im Gespräch mit dem Werkleiter José Luis Gonzalez, dem Produktionsleiter Marco Hernández und der Verwaltungschefin Cristina Sánchez  erfuhren die Teilnehmer unter anderem, dass Dräxlmaier in Mexiko über 50 Prozent weibliche Mitarbeiter beschäftigt. Themen, die die Delegationsmitglieder interessierten, waren entsprechend auch die Frauen in Führungspositionen, Corporate Social Responsibility sowie die Einbindung und die Rolle der Gewerkschaften im Unternehmen. Ebenso waren mögliche Auswirkungen der US-Wahl auf den Freihandel Thema. Der Ausschussvorsitzende Erwin Huber unterstrich, dass angesichts des starken Status von Dräxlmaier in Mexiko auch in Zukunft die offenen Märkte Garant für zukünftigen Erfolg seien.

Der mexikanische Markt ist umkämpft

Die nächste Station in San Luis Potosí war die Baustelle der künftigen Autofabrik von BMW. Rund eine Milliarde US-Dollar nimmt das bayerische Unternehmen in die Hand, um ab 2013 Autos der 3er-Serie in Mexiko fertigen zu können. Mit rund 150.000 Autos, die dort pro Jahr die Bänder verlassen, kalkuliert man in München. Werkleiter Hermann Bohrer stellte der Delegation die Pläne vor und zeigte auch bei der anschließenden Rundfahrt, wie das Vorhaben einer nachhaltigen Autofabrik funktionieren wird. Auf 300 Hektar Fläche erstreckt sich die Fabrik, rund 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden hier Arbeit finden. Mexiko selbst, so erfuhr die Delegation bei einer Marktübersicht, die von BMW-Mitarbeitern gegeben wurde, ist weltweit mittlerweile an siebter Stelle in Bezug auf die Automobilproduktion. Der Binnenmarkt selbst ist stark umkämpft: Waren es vor wenigen Jahren nur fünf Hersteller, die auf dem Markt aktiv waren, sind es nun 47. Bei einem Arbeitsessen mit dem Gouverneur des Bundesstaates San Luis Potosí, Juan Manuel Carreras, merkten die Abgeordneten, wie wichtig vor Ort die Industrie- und Ansiedlungspolitik genommen wird und wie stolz die Regierungsvertreter sind, dass sie so namhafte bayerische Weltunternehmen vor Ort haben.

"Ein Privileg, dass die Bayern da sind"

Der Gouverneur freute sich über die positiven Eindrücke, von denen die  bayerische Delegation berichten konnte und dankte für den Besuch und das Interesse an den wirtschaftspolitischen Inhalten: „Es ist ein Privileg für uns, dass die Bayern da sind.“ Die Investitionsentscheidung von BMW bezeichnete er als neue Ära in der wirtschaftlichen Entwicklung seines  Bundesstaates. Ausschussvorsitzender Erwin Huber dankte für die wichtigen Einblicke in San Luis Potosí und hoffte auf weitere gute Beziehungen mit dem Bundesstaat und Bayern, die auch in einem Besuch in München münden könnten. Die Delegation sprach beim Regierungschef, dem Wirtschaftsminister, dem Bildungsminister und dem Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses des Bundesstaates verschiedene politische Themen an. So interessierte unter anderem, wie ein funktionierender öffentlicher Nahverkehr verwirklicht werden könnte, wie angesichts des Fachkräftebedarfs die Bildungsqualität gesichert werden soll und inwieweit Diversifizierungsanstrengungen angesichts des durchaus zu beobachtenden Automobilfokus unternommen würden.

Bayerische Firmen investieren vor Ort

Nutzfahrzeuge und Transport war das Hauptthema am Dienstagvormittag in Querétaro. Die Delegation besuchte das Werk von MAN. Nach einer Führung durch die Endmontagehallen für Lkws und Busse war der öffentliche Personentransport in Mexiko Mittelpunkt der Diskussion. Jenseits des Individualverkehrs werden 97 Prozent der Personenbeförderungen über Busse abgewickelt, nur jeweils 1,5 Prozent über Bahn und Flugzeug. Entsprechend wichtig ist der Markt für Busse in Mexiko. Ein öffentliches Personenbeförderungsnetz gibt es nahezu nicht. Der größte Kunde von MAN, so erfuhr die Delegation, hat einen Fuhrpark von 9500 Bussen und leistet ebenso viele Personenkilometer pro Jahr wie der Fernverkehr der gesamten Deutschen Bahn. Entsprechend wichtig sei es, so ein Unternehmensvertreter, die Busnetze am Laufen zu halten. Daher bietet MAN kilometerbezogene Wartungsverträge für seine Fahrzeuge an.
Mit der Produktionsniederlassung der REHAU AG, des bekannten oberfränkischen Polymerverarbeiters, stand ein wichtiger Mittelständler auf dem Besuchsprogramm. Von den weltweit 20.000 Mitarbeitern, die drei Milliarden Euro Umsatz generieren, befinden sich rund 500 in Mexiko an zwei Standorten vor Ort. Seit 1993 ist REHAU in Querétaro, von Anfang an unter der Leitung von Stephan Joachim, der in einer Werksführung unter anderem die Produktion von Fensterelementen und Automotive-Bauteile zeigte. Themen in den anschließenden Gesprächen waren das NAFTA-Abkommen und die Möglichkeiten, qualifizierte Mitarbeiter langfristig zu binden. Aufgrund der hohen Industriedichte in Querétaro ist der Arbeitsmarkt umkämpft und die Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern folglich einen Reihe an nichtmonetären Anreizen bieten, so etwa einen betriebsärztlichen Dienst und eine Krankenzusatzversicherung.
In Querétaro stand am Abend noch ein runder Tisch mit Abgeordneten des Bundesstaates auf dem Programm. Darüber hinaus wurden den bayerischen Abgeordneten die Tourismusstrukturen vor Ort im Rahmen einer Präsentation vorgestellt. Demnach ist Querétaro die führende Tourismusregion Mexikos, abgesehen von den bekannten Destinationen, die Meerzugang haben. Zu diesem Erfolg tragen die historische Altstadt – UNESCO-Welterbe – und eine Reihe von Thermalbädern in der näheren Umgebung bei.

Volkswagen und Audi produzieren in Mexiko

Puebla war die nächste Station der Informationsreise. Volkswagen ist dort seit 1964 mit einem großen Werk vertreten. Dort wurde der legendäre VW Käfer noch gefertigt, als dessen Produktion an anderen Orten der Welt schon aufgegeben worden war. Audi hat seine Produktion ebenfalls in die Nähe der Niederlassung des Mutterkonzerns gerückt und hat in San José Chiapa für rund eine Milliarde US-Dollar die Produktion des Q5 gestartet. Klaus-Peter Körner, Geschäftsführer Produktion, erläuterte der Delegation die Herausforderungen beim Bau der Automobilfabrik und erklärte das Konzept der nachhaltigen Produktion. 150.000 Fahrzeuge, 4000 Mitarbeiter und eine Fläche von 460 Hektar – so die Eckdaten des Werks.
Der nunmehr 13. Audi-Standort weltweit produziert den Q5 für die ganze Welt. Bei einer anschließenden Werksführung konnten sich die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses in der Praxis von den erläuterten Konzepten überzeugen. Andreas Zelzer, Geschäftsführer Personal, berichtete von den Maßnahmen der Mitarbeiterbindung, mit denen Audi – wie andere, von der Delegation besuchten Unternehmen auch – die Fluktuation der Fachkräfte niedrig halten kann. Auch hier wird ein betriebsärztlicher Dienst mit modernen medizinischen Geräten angeboten.

Mehr private Initiative in der Energieversorgung

Mexikos Energiepolitik stand im Mittelpunkt des Donnerstagvormittags, nachdem die Delegation wieder zurück nach Mexiko City gereist war. Beim Startup-Unternehmen ENLIGHT erfuhr die Delegation zunächst von den Bemühungen der mexikanischen Regierung, mehr private Initiative in den staatlich dominierten Energiesektor zu bekommen. Dazu war sogar eine Verfassungsänderung nötig, die eine einfache Mehrheit im Abgeordnetenhaus und eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat erforderte. Sowohl die Öl- als auch die Stromproduktion sind bislang in der Hand von Staatsunternehmen (PEMEX bzw. CFE), die vollständig vertikal integriert sind, das heißt im Beispiel von PEMEX von der Ölförderung bis hin zum Tankstellennetz. ENLIGHT ist nun im Erneuerbare-Energien-Geschäft aktiv und verkauft Photovoltaikanlagen im ganzen Land. Aufgrund des so genannten Net Meterings, in dem über das Ganze Jahr Stromerzeugung und -verbrauch komplett miteinander verrechnet werden, entfallen bislang noch Speichertechnologien, die dem Kunden angeboten werden. Mexiko selbst versucht zwar, im Bereich der Erneuerbaren voranzukommen, jedoch ohne Einspeisevergütung, sondern über eine Ausschreibungssystematik.

"Es gibt viele Mexikos"

Der Nachmittag stand im Zeichen des Treffens mit den Spitzen der Mexikanischen Wirtschaft. Deren Spitzenorganisation CCE und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) des Bundesentwicklungsministeriums hatten dazu geladen. Das Gespräch war von den Sorgen um die künftige Ausgestaltung des Freihandels geprägt. Die Vertreter der mexikanischen Wirtschaft betrachteten aber eine durch den designierten US-Präsidenten Trump angedachte Revision von NAFTA auch als Chance, darin bislang nicht enthaltene Themen aufzunehmen, so etwa Arbeitsrecht oder Energie. Der Ausschussvorsitzende Erwin Huber versicherte den Gesprächspartnern: „Sie haben Bayern an Ihrer Seite, wenn es um den Welthandel geht.“ Neben der Handelspolitik interessierte die Delegation die zunehmende Schere zwischen Arm und Reich in Mexiko, die Maßnahmen zur flächendeckenden Digitalisierung, Energieeinsparung und Ideen zur verstärkten Nutzung der Schiene für den Güter- und Personentransport. Letzteres ist derzeit in Mexiko wenig ausgeprägt, die Schieneninfrastruktur ist kaum ausgebaut.

Am Freitag stand die politische Lage in Mexiko im Mittelpunkt. Im Rahmen eines Arbeitsgesprächs mit Vertretern der Deutschen Botschaft und der Außenhandelskammer wurde auch die innere Sicherheit angesprochen. Tenor der Gespräche war, dass Mexiko stets differenziert betrachtet werden müsse. „Es gibt viele Mexikos“, so die Aussage – das Land sei sehr komplex. Bislang, so war zu erfahren, hatte noch kein deutsches Unternehmen wegen angespannter Sicherheitslagen in manchen Provinzen aufgrund der Drogenkonflikte das Land verlassen und Niederlassungen aufgegeben. Im Gegenteil, Mexiko sei als Industriestandort attraktiv wie nie. Ungefähr 30 Milliarden US-Dollar beträgt der historische Investitionssaldo deutscher Unternehmen. Entsprechend positiv bewerteten die Abgeordneten die Tatsache, dass mit Christian Weber ein eigener Repräsentant als Ansprechpartner für bayerische Unternehmen vor Ort und präsent ist. Dies ermöglicht den für bayerische Unternehmen notwendigen und von vielen weiteren Gesprächspartnern erwähnten differenzierten Blick auf das Land, der sich den Mitgliedern der Delegation auf der Reise dank der vielfältigen Termine selbst eröffnet hatte.

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