Ausschuss für Wissenschaft und Kunst: Dissens beim Umgang mit Hitlers Propagandawerk

Mittwoch, 22. Januar 2014

– Von Anna Schmid –


„Das würde zum Schaden unseres Landes ausfallen“, fürchtet Kultusminister Ludwig Spaenle. Deswegen werde die Staatsregierung die Arbeit an einer historisch-kritischen Ausgabe von Hitlers Propagandaschrift „Mein Kampf“ nicht mehr weiter unterstützen. Diese Entscheidung trage er ausdrücklich mit, betonte der Minister vor den Abgeordneten im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst.

Mit diesem Entschluss setzt sich die Exekutive über einen einstimmigen Landtagsbeschluss aus dem vergangenen Jahr hinweg, der die Erstellung einer historisch-kritischen Ausgabe durch das renommierte Institut für Zeitgeschiche (IfZ) unterstützt hatte.


Und mit diesem Entschluss hat sie ihre ursprüngliche Entscheidung revidiert: 2012 hatten das Staatsministerium für Finanzen, bei dem die Urheberrechte bislang noch liegen, und das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst das IfZ noch mit der Erstellung einer kommentierten Ausgabe der Schrift beauftragt und die finanzielle Förderung des Projekts zugesichert.


Denn Ende 2015 erlischt das Urheberrecht des Freistaates an dem Werk. Dann kann jeder das Buch veröffentlichen. Eine kommentierte Ausgabe der Hetzschrift sollte ihre unkontrollierte Verbreitung erschweren.


Das IfZ hat bereits 500.000 Euro staatliche Unterstützung erhalten und setzt die Arbeit an der kommentierten Ausgabe fort. Spaenle betonte, dass selbstverständlich Wissenschaftsfreiheit gelte. Nur könne die kommentierte Ausgabe nicht im Auftrag des Staates entstehen.

 

Meinungsumschwung während Israel-Reise des Ministerpräsidenten

 

Die Israel-Reise von Ministerpräsident Horst Seehofer und Gespräche mit dem Staatspräsidenten des Landes, Schimon Peres, sowie Vertretern der Knesset, Opfern des NS-Regimes und deren Angehörigen hätten die Staatsregierung zu ihrem Meinungsumschwung bewegt, erklärte Spaenle. Es sei klar geworden, dass die Wahrnehmung einer solchen Ausgabe im Ausland schwierig sei.


Die Verbreitung der unkommentierten Ausgabe müsse weiter verhindert werden, betonte er. Dafür habe man das Strafrecht. Denn wesentliche Teile des Textes erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung.


Bei den Abgeordneten aller Landtagsfraktionen stößt die neue Entscheidung der Regierung weitgehend auf Unverständnis. Lediglich Dr. Thomas Goppel (CSU) brach eine Lanze für seinen Parteikollegen: Es sei gerechtfertigt, dass die Regierung im Hinblick auf ihre Außenwirkung nachdenklich geworden sei. „Wir wissen, wie die Welt tickt“, sagte er. Eine kommentierte Ausgabe sei wichtig, betonte dagegen der stellvertretende Ausschussvorsitzende Oliver Jörg (CSU). „Wir wollen jungen Menschen, die mit so einem Schund konfrontiert sind, etwas in die Hand geben“.


„Jeder Schüler muss diese Auflage sehen“, sagte Isabell Zacharias (SPD). Sie warf der Staatsregierung vor, Bayern durch die Kontroverse in ein schlechtes Licht zu rücken. „Die Exekutive ignoriert die Legislative und das ist nicht in Ordnung“, warf ihr Parteikollege Georg Rosenthal der Regierung vor.


Das Vorgehen der Staatsregierung sei dem Thema nicht angemessen, sagte der Ausschussvorsitzende Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER). Die Staatsregierung ignoriere das Zusammenspiel der Gewalten. Er mahnte, einen gemeinsamen Weg zu suchen.


Aller Argumente seien ausgetauscht worden, inhaltlich habe sich nach der Israel-Reise des Ministers nichts geändert, kritisierte Sepp Dürr (Bündnis 90/Grüne). Landtag und Regierung müssten nun gemeinsam vorgehen, mahnte auch er.


Auf der Tagesordnung des Ausschuss standen auch die international bedeutenden Medienkunstsammlung Götz, die Bayern zum Teil am 1. Januar übernommen hat und zum Teil als Dauerleihgabe erhält. Sie soll in Museen in München und Nürnberg gezeigt werden und bringe so einen Mehrwert nicht nur für die Landeshauptstadt, so Spaenle.


Dass man Kultur nicht immer anfassen kann, machte schließlich der Regensburger Wissenschaftler Daniel Drascek klar. Er ist der Vorsitzende des bayerischen Expertenausschusses, der sich mit der Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes (IKE) beschäftigt. Sie prüft derzeit, welche der 18 bayerischen Bewerbungen in die Liste aufgenommen werden.

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