Bildungsausschuss: Debatte über berufliche Situation von Studienreferendaren

Donnerstag, 6. Februar 2014

– Von Jan Dermietzel –

101 Petitionen hatten den Landtag erreicht, um Ausbildungssituation, Arbeitsbedingungen und Berufseinstiegschancen von Studienreferendaren in Bayern zu verbessern. Der Bildungsausschuss verhandelte darüber am 6. Februar 2014 im großen Konferenzsaal, wo ein Großteil der Petenten die Debatte verfolgte und sich auch daran beteiligte.

Ganz zu Beginn herrschte noch Einigkeit unter den Fraktionen des Landtags. Ohne Gegenstimme beschloss der Bildungsausschuss, sich vom Kultusministerium berichten zu lassen, mit wie vielen Schülern bis 2018 zu rechnen sei und wie sich das auf die Lehrerstellen auswirken werde. Denn das Versprechen der Staatsregierung, trotz sinkender Schülerzahlen die Zahl der Lehrer im Freistaat nicht zu senken, zieht die Opposition in Zweifel. „Unehrlich und verlogen“ verhalte sich die CSU-Fraktion gegenüber Schülern, Eltern und Lehrern, schimpfte Günther Felbinger (FREIE WÄHLER), denn jetzt stelle sich heraus, dass der Kultusminister doch rund 200 Lehrerstellen streichen wolle. Dem widersprach Peter Tomaschko (CSU): Die Regierungsfraktion habe versprochen, im Bildungssystem keine Stellen zu streichen. Und zum Bildungssystem gehörten „in Bayern neben den Schulen auch die Hochschulen“. Die rund 200 Stellen, die den Schulen genommen würden, baue man nun an den Hochschulen auf. 

Das war bei weitem nicht der einzige Streitpunkt einer teils hitzigen Debatte zwischen Regierungsfraktion CSU und der Opposition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FREIEN WÄHLERN. Thomas Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) beklagte, zuletzt habe der Freistaat nur 23 Prozent der frisch examinierten Lehrer in den Schuldienst übernommen – oft reiche nicht einmal eine sehr gute Durchschnittsnote von 1,3. Der Freistaat rate zwar den Kandidaten, sich an der Bedarfsprognose des Kultusministeriums zu orientieren, um die richtige Fächerkombination zu wählen. Doch diese Prognose ändere sich ständig, sie sei „so genau wie eine Wettervorhersage für zwölf Monate“, beklagte Felbinger.

Exakte Prognosen seien zu viel verlangt, entgegnete Otto Lederer (CSU). Die Zahl der Bewerber übersteige derzeit massiv die Anzahl der Stellen, der Staat könne nicht über Bedarf einstellen. Jeder, der sich für einen Beruf entscheide, müsse Verantwortung für die eigene Zukunft übernehmen und trage ein gewisses Risiko: „Wer in Bayern studiert, dem stehen auch viele andere Wege offen jenseits des bayerischen Schuldienstes“, so Lederer, „von kommunalen und privaten Schulen bis hin zum Schuldienst in anderen Bundesländern“ und Berufen in der freien Wirtschaft. „Berufsberatung“, widersprach Kathi Petersen (SPD), sei nicht Aufgabe des Bildungsausschusses im Bayerischen Landtag, sondern Gesetzgebung und, falls nötig, die Schaffung von mehr Lehrerstellen. Lederer gab zu: Mehr Lehrerstellen in Bayern seien wünschenswert „genauso wie mehr Stellen bei der Polizei, im Finanzministerium und in der Justiz“. Aufgabe einer Regierung sei es aber, all diese Interessen gegeneinander abzuwägen, und zu einem tragbaren Gesamtergebnis zu kommen. „Und das unterscheidet uns als Regierungsfraktion von der Opposition, die immer alles fordern kann, ohne es bezahlen zu müssen.“ So schmetterte die CSU-Fraktion auch die drei Oppositionsanträge ab, die darauf abzielten, die Unterrichtsstundenzahl von Referendaren zu verringern (FREIE WÄHLER), 350 neue Lehrerstellen an Gymnasien zu schaffen (Bündnis 90/Die Grünen) oder junge Lehrer mit Bestnote im Frühjahr 2014 in jedem Fall einzustellen (SPD).

Von Petenten und Oppositionsabgeordneten stark kritisiert wurde eine Formulierung der Staatsregierung in ihrer Stellungnahme zu den 101 Petitionen. Vom „Praxisschock“ ist dort die Rede, der bayerischen Referendaren erspart werden solle, sobald sie als vollwertige Lehrer vor der Klasse stehen. Diesen Schock erlebt man nach Auffassung des Kultusministeriums nicht, wenn man bereits als Referendar an die hohe Unterrichtsstundenzahl herangeführt wird. 11 Stunden Unterricht pro Woche sind Pflicht für Bayerns Referendare, die Realität liegt offenbar eher bei 17. Darunter leide das eigene Studium und auch der Unterricht für die Schüler, beklagen die Petenten. Denn Referendare müssen sich während ihrer Zeit an der Schule bereits auf das zweite Staatsexamen vorbereiten und benötigen für Unterrichtsvorbereitung und Klausurkorrekturen deutlich länger als langgediente Kollegen. „Die Referendare werden an den Schulen verstärkt zum normalen Unterricht herangezogen“, meinte Thomas Gehring, sekundiert vom Ausschussvorsitzenden Martin Güll (SPD): „Die Referendare rationalisieren sich auch noch ihre eigenen späteren Stellen weg.“ Lederer konterte: Vor einigen Jahren habe in Bayern ein Lehrer noch durchschnittlich 18,4 Schüler unterrichtet, heute seien es bereits nur noch 14, an Gymnasien teils 13. Von 2007 bis 2012 sei die Schülerzahl in Bayern um 9 Prozent gesunken, die Lehrerzahl um 6 Prozent gestiegen.

Den Lehrern, die der Freistaat im Februar 2014 vorerst nicht in den Schuldienst übernimmt, nützen die Statistiken erst einmal wenig. Sie stehen auf der Warteliste für den nächsten möglichen Einstellungstermin. Die 101 Petitionen, die ebenfalls darauf abzielten, an den geltenden Bedingungen für Referendare etwas zu ändern, finden, gegen das Votum der Opposition, keinen Weg in die bayerische Gesetzgebung. Die Petenten erhalten nun jeweils das Wortprotokoll der Ausschusssitzung und die schriftliche Stellungnahme der Staatsregierung.

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