Mit kreativen Ideen gegen den drohenden Fachkräftemangel
Sachverständigenanhörung im Ausschuss Öffentlicher Dienst: Nachwuchsinitiative Bayern 2040
18. März 2025
MÜNCHEN. Auf Antrag der SPD-Fraktion berichteten Verbände aus dem Öffentlichen Dienst über die aktuellen Herausforderungen durch den zunehmenden Personalmangel. Verantwortlich dafür sind vor allem der demografische Wandel, aber auch die Konkurrenz mit der Privatwirtschaft, die sich verändernden Ansprüche der Generation Z und der steigende Bedarf an IT-Fachkräften. Immerhin ist die Entwicklung schon seit längerer Zeit absehbar, weshalb es nicht an innovativen Lösungsansätzen mangelt.
Gerhard Wipijewski, Vorsitzender der Bayerischen Finanzgewerkschaft, wies die oft genannten Vorwürfe zurück, dass die Behörden wegen der Bürokratie selbst für den Personalmangel verantwortlich seien. „Natürlich ist die Fachkräftegewinnung schwierig“, räumte er ein. Allein in der Steuerverwaltung hätten in den letzten Jahren rund 500 Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können, gleichzeitig gingen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. „Aber im Finanzressort ist auch viel Positives passiert.“ Als Beispiel nannte Wipijewski die Nachwuchsgewinnung oder das sogenannte Zweite-Chance-Verfahren, wenn die Ausbildungsplätze nicht vollständig besetzt werden können.
Nina Gürster von der Jugendorganisation des Bayerischen Beamtenbundes war mit der Zahl der jüngsten Einstellungsverfahren zufrieden. Sie warnte allerdings, dass die Qualität der Bewerbungen nachlasse – auch wegen der zunehmenden Konkurrenz mit der Privatwirtschaft. Vor allem jüngere Menschen würden den Öffentlichen Dienst nach ein paar Jahren wieder verlassen. „Das tut uns massiv weh.“ Zusätzlich rückten durch den demografischen Wandel weniger Menschen nach, als in Rente gingen. „Auch die geänderte Einstellung der Generation Z zur Arbeit sehen wir kritisch“, betonte Gürster.
„Die Kirchen haben ebenfalls Probleme“, berichtete Martin Goppel von der Katholischen Erziehergemeinschaft in Bayern, dem Berufsverband für Lehrkräfte und Pädagogen. Die Arbeit mit den sehr heterogenen Kindern und mit den nicht immer ganz unkomplizierten Eltern werde zunehmend anspruchsvoller. Ein weiteres Problem sei, dass es kaum Karrieremöglichkeiten für Lehrkräfte gebe. Gleichzeitig leide das Image des Berufs, weil es immer heißt: „Die Hütte brennt.“ „Diese Hütte gestaltet aber die Zukunft“, unterstrich Goppel. Er wünschte sich mehr Mut und Zuversicht statt des ständigen Geredes vom Krisenmodus.
„Wir müssen uns im Öffentlichen Dienst auf die Jugend von morgen einstellen“
„Das Problem ist nicht die Generation Z“, hob Thorsten Grimm von der Deutschen Polizeigewerkschaft in Bayern hervor. „Sondern wir müssen uns auf die Jugend im Öffentlichen Dienst von morgen einstellen.“ Bundesweit fehlten 1,4 Millionen Fachkräfte, in den nächsten Jahren seien es voraussichtlich schon dreimal so viele. Daher gebe es auch innerhalb der Polizei einen großen Konkurrenzkampf um die besten Köpfe. Dass immer von Stellenabbau geredet wird, hilft laut Grimm nicht unbedingt bei der Personalsuche. Zwar werde auch viel Personal eingestellt – wegen der hohen Teilzeitquote brauche es aber noch mehr.
Studiendirektorin Lena Matthe vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus erklärte, dass die Bedarfsplanung für Lehrkräfte sehr kompliziert ist. Erstens sei der Vorlauf durch die siebenjährige Ausbildung sehr lang. Zweitens ist laut Matthe die notwendige Anzahl wegen der hohen Teilzeitquote nur schwer einzuschätzen. Und drittens variiere der Bedarf durch die Zuwanderungsquoten, beispielsweise durch den Krieg in der Ukraine. Um gegenzusteuern, gebe es seit vielen Jahren Onlinekampagnen, Social-Media-Aktionen und Plakatwerbung. „Außerdem haben wir Lehrkräfte, die in Schulen gezielt den Kontakt zur Schülerschaft suchen.“
Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration hat laut Ministerialrat Christoph Klatt den Peak des demografischen Wandels schon überwunden. „Gleichwohl benötigen wir unverändert qualifizierten und dauerhaft motivierten Nachwuchs.“ Daher seien die Einstellungskriterien überarbeitet worden. Tattoos und eine Körpergröße von 1,60 Meter sind daher kein Einstellungshindernis mehr. „Dadurch wollen wir vor allem die Damenwelt ansprechen.“ Darüber hinaus gebe es weitere Maßnahmen wie Einstellungsberater, die neue Abteilung Polizeikarriere, digitalisierte Bewerbungsplattformen und vermehrt Praktikaangebote.
Die aktuelle Wirtschaftslage ist für den Öffentlichen Dienst auch eine Chance
Ministerialrätin Constanze Balzer vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat hielt insbesondere die Gewinnung von Nachwuchskräften in der IT für elementar. „Schon jetzt sind im Karriereportal 750 von 1000 Stellengesuchen aus diesem Bereich“, sagte sie. Natürlich wünsche sich ihr Ministerium eine starke Wirtschaft. Die aktuelle Schwäche sei aber auch eine Chance für den Öffentlichen Dienst, weil dieser den Bewerberinnen und Bewerbern in einer schwächelnden Konjunktur Sicherheit biete. Nichtsdestotrotz sei es wichtig, das Image für den Staatsdienst zu verbessern. „Wir können noch so viele Plakate aufhängen, wenn junge Menschen uns mit Akten und Bürokratie verbinden.“
In der anschließenden Aussprache betonte Peter Tomaschko (CSU), dass aus seiner Sicht ein Arbeitsplatz in Wohnortsnähe ein großer Pluspunkt für die Arbeit im Öffentlichen Dienst wäre. „Als junger Mensch gehe ich dahin, wo es schön ist und wo ich mich später wohlfühle.“ Speziell für angehende Lehrkräfte müsse man hervorheben, wie viele Möglichkeiten und Freiheiten dieser Beruf biete – auch in Bezug auf Familienleben und Bezahlung.
Ähnlich argumentierte Arif Taşdelen (SPD): Seiner Meinung nach geht es jungen Menschen darum, wie lange sie pendeln müssen, ob es Möglichkeiten zur Teilzeit gibt und welche Modelle zur Familiengerechtigkeit angeboten werden. Speziell für Lehrkräfte sei es wichtig, dass sie sich nicht im ersten Studienjahr für eine Schulart entscheiden müssten. Aus seiner persönlichen Erfahrung ist auch ein modernes Arbeitsumfeld entscheidend.
Für die Grünen bedeutet ein starker Öffentlicher Dienst eine starke Demokratie
Für Julia Post (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist „ein handlungsfähiger Öffentlicher Dienst das größte Demokratieprojekt unserer Zeit“. Denn es beuge dem zunehmenden Vertrauensverlust in die Politik vor. Das müsse der Landtag nach außen tragen. Um Lehrkräfte zu entlasten, sollte die Politik Schulen auch nicht durch immer mehr und sich zum Teil widersprechende Aufgaben überfordern. Für mehr Personal müssten neben Quereinsteigern auch mehr ältere Menschen gewonnen werden.
Christian Lindinger (FREIE WÄHLER) sorgte sich als ehemaliger Polizeibeamter, dass das Personal in den Dienststellen immer älter werde – in Passau habe das Durchschnittsalter vor einigen Jahren bei 52 Jahren gelegen. Helfen könnte seiner Meinung nach eine höhere Besoldung. „In die höchste Gehaltsstufe kommt man nur kurz vor Dienstende mit einer Gnadenbeförderung.“ Jetzt gelte es vor allem, die aktuell noch freien Stellen zu besetzen.
/ David Lohmann