Enquete-Kommission Integration: Ortstermin bei Fördereinrichtungen für Flüchtlinge

8. März 2017

München. Die Mitglieder der Enquete-Kommission „Integration in Bayern aktiv gestalten und Richtung geben“ haben heute Fördereinrichtungen für jugendliche und heranwachsende Flüchtlingen in München besucht. Unter Leitung von Kommissionsvorsitzendem Arif Tasdelen (SPD) wollten sich die Kommissionmitglieder einen plastischen Eindruck von den Angeboten, Chancen und auch Problemen bei der Fort- und Ausbildung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund verschaffen.
Erste Station war die SchlaU-Schule im Münchner Zentrum, in der rund 300 Schülerinnen und Schüler von 50 Lehrkräften, 8 Sozialarbeitern und einer Psychologin betreut werden. 95 Prozent der Schülerinnen und Schüler sind unbegleitete jugendliche Flüchtlinge. Möglich ist das, weil das Bildungsreferat der Stadt München und das Kultusministerium des Freistaats Lehrkräfte abstellen. Die Ziele sind dabei so individuell wie die Menschen, die hier lernen. Manche müssen erst mit dem lateinischen Alphabet vertraut gemacht werden, anderen fehlen selbst Grundkenntnisse der deutschen Sprache, andere wollen hier einen Schulabschluss erwerben oder sich auf eine Ausbildung oder eine weiterführende Schule vorbereiten. Schulleiterin Antonia Veramendi fasst es so zusammen: „Es gibt kein festes Curriculum, weil wir uns ständig an neue Herausforderungen und Situationen anpassen müssen. Deswegen ist unser System auch durchlässig – je nach Entwicklung der Schülerin oder des Schülers kann man die Module wechseln, wenn sie aktuell unter- oder überfordert sind.“

Auch soziale Kompetenzen werden vermittelt

Möglich ist dieser schulanaloge Unterricht durch die neue Berufsschulpflicht, die für junge Flüchtlinge bis 21 Jahren, in Ausnahmefällen sogar bis zu 24 Jahren gilt. Wichtig ist dabei nicht nur die Vermittlungen von Sprachkenntnissen und schulischen Inhalten, sondern auch von sozialen Kompetenzen und die Vorbereitung auf das selbstständige Leben in einer freiheitlichen Gesellschaft. Dazu gehören auch Team- und Konfliktfähigkeit oder die Fähigkeit eigene Interessen und Talente zu entdecken, um sie für sich zu nutzen. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit den Behörden, denn oft müssen Aufenthaltstitel oder Arbeitserlaubnis geklärt werden. Denn – das gehört zur Besonderheit der SchlaU-Schule, nach dem Abschluss reißt der Kontakt nicht ab. „Wir legen großen Wert auf die Nachbetreuung und begleiten die Jugendlichen auch wenn sie nicht mehr bei uns auf die Schule gehen“, erklärte Veramendi. Allerdings seien die zwei Jahre, die man Zeit habe für den Unterricht sehr knapp bemessen. „Drei Jahre wären eigentlich zielführender, betonte Veramendi.

Sorgen wegen der unsicheren Rechtslage

Die Vermittlungsquote an weiterführende Schule, Ausbildungsplätze, Praktika oder in die Berufstätigkeit liegt bei über 90 Prozent, darauf ist man stolz bei der SchlaU-Schule. Sorgen hingegen bereite die unischere Rechtslage für Flüchtlinge aus Ländern wie etwa Afghanistan. „Wenn man mit einer Abschiebung rechnen muss, wirkt das nicht sehr motivierend im Unterricht“, sagte Veramendi und verweist darauf, dass darunter der gesamte Klassenverband leide. „Die Stimmung ist gerade schlecht“, so Veramendi, was besonders betrüblich sei, weil an der Schule an sich eine sehr familiäre Atmosphäre herrsche. Auf die Frage des stellvertretenden Kommissionsvorsitzenden Josef Zellmeier (CSU) nach eventuellen Konflikten etwa beim Umgang mit weiblichen Lehrkräften, war die Antwort eindeutig. „Hier herrscht eine Kultur des gegenseitigen Respekts. Unsere Erfahrung zeigt: wenn man offen auf die Menschen zugeht, gibt es keine Probleme. Ansonsten gibt es unter den Schülern manchmal die Konflikte, die es an jeder Schule gibt. Das hat nichts mit der Herkunft oder dem kulturellen Hintergrund zu tun“, war sich Veramendi sicher. Im anschließenden Gespräch mit den Schülersprechern und war vor allem die unsichere Aufenthaltssituation ein Thema und die Sehnsucht nach Anerkennung der Leistung und des Integrationswillens.

Erfolgsmodell IdA

Auch im Beruflichen Fortbildungszentrum (bfz) der Bayerischen Wirtschaft in München hat man bei der Aus- und Weiterbildung von jungen Flüchtlingen gute Erfahrungen gemacht. Erst seit einem Jahr gibt es die Initiative, für die 6, 7 Millionen private Mittel aufgebracht wurden und in der Zeit wurden in den beiden IdA-Programmen („Integration durch Ausbildung und Arbeit“) der Bayerischen Wirtschaft je 1000 jugendliche Asylbewerber im Alter von in der Regel 16 bis 21 Jahren (maximal 25 Jahren) in neun Monaten auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Dabei wurde auf die Bleibewahrscheinlichkeit, Vorbildung und vorhandene Sprachkompetenz geachtet. Zudem musste die allgemeine Schulpflicht erfüllt worden sein. Zugewiesen wurden die Jugendlichen und Heranwachsenden durch die Agentur für Arbeit. Neben der Förderung für ein berufsbezogenes Deutsch, der Kompetenzfeststellung für die richtige Wahl des Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes und die fachliche Unterweisung stehen aber auch andere Aspekte im Fokus. Die sozialpädagogische Betreuung etwa ist ein wichtiger Faktor, denn auch hier ist man davon überzeugt, dass Spracherwerb und Wissensvermittlung alleine nicht ausreichen, um den jungen Menschen ein selbstständiges Leben in Deutschland zu ermöglichen. Standortleiter Carsten Buchenau weist auf die unterschiedlichen Lebenssituationen und Migrationserfahrungen der Jugendlichen hin und die Notwendigkeit am sozialen Leben teilnehmen zu können. Auch im bfz hinterlässt die unsichere Rechtslage für einige der Flüchtlinge ihre Spuren. „In einer Klasse ist die Stimmung gerade sehr schlecht, weil ein junger Afghane seinen Abschiebebescheid bekommen hat. Damit müssen wir hier auch umgehen“, erklärte Buchloe.

Sprachkurs verbessert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Beim Besuch in einer der Sprachförderklassen wird klar: das ist für viele nach wie vor die größte Herausforderung. Aber immerhin – in nur neun Monaten haben die Flüchtlinge, die anfangs kein Wort Deutsch sprachen gelernt, sich verständlich auszudrücken und ihre Wünsche und Sorgen zu formulieren. Für viele ist dieser Erfolg ein Antrieb noch besser Deutsch zu lernen, was dann auch wieder die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert. Und dieser Arbeitsmarkt, darauf legte Buchenau Wert, braucht diese jungen Menschen. Erschwert würde der Zugang zu weiterer Qualifizierung und Berufstätigkeit oft durch bürokratische Hürden. So gebe es für die Teilnehmer des Sprachkurses aus München weiterführende Kursangebote der Stadt, während jene die außerhalb der Stadtgrenzen leben darauf keinen Anspruch haben.
Am Ende zog Arif Tasdelen ein positives Fazit über die Informationsfahrt. „Wir können im Landtag die Themen theoretisch besprechen, aber hier haben wir die Praxis. Und es ist gut hier vor Ort gewesen zu sein, weil wir sehen welche Folgen die Entscheidungen, die wir im Landtag treffen für die Menschen draußen haben.“

Die Enquete-Kommission wurde am 19. Juli 2016 vom Bayerischen Landtag eingesetzt und untersucht die Situation von Migrantinnen und Migranten in Bayern, die Chancen, Risiken und Herausforderungen, die die Integration der nach Bayern zugewanderten Menschen mit sich bringt, sowie der Grundlagen und Rahmenbedingungen einer erfolgreichen und zukunftsgerichteten Integrationspolitik im Freistaat. / zg

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