Afrikabüro in Addis Abeba: „Wir brauchen Austausch“

Berichte über Arbeit des Afrikabüros und Stiftung „Menschen für Menschen“ im Europaausschuss

München, 30.11.2021

  • Bis 2050 wird jeder vierte Mensch aus Afrika stammen – nicht zuletzt aufgrund der Bevölkerungsentwicklung gewinnt der afrikanische Kontinent in den kommenden Jahrzehnten an weltpolitischer Bedeutung.
  • Im Europaausschuss stellten Sigurd Rothe die Aktivitäten des Afrikabüros in Addis Abeba und Dr. Sebastian Brandis die Zusammenarbeit der Stiftung „Menschen für Menschen“ mit Äthiopien vor.
  • Die Diskussion mit den Abgeordneten verdeutlichte: Trotz bestehender Herausforderungen bieten zahlreiche Bereiche von der Wirtschaft bis zur Wissenschaft die Chance zur Zusammenarbeit, von der beide Partner profitieren.

Das Bayerische Afrikabüro, eröffnet im Jahr 2019 in Addis Abeba, dient – vergleichbar wie eine Botschaft – als Anlaufstelle für die bayerische Zusammenarbeit mit Äthiopien, der Afrikanischen Union (AU) und dem gesamten afrikanischen Kontinent. Die Unterstützung orientiert sich an den Themenfeldern des 2019 verabschiedeten Bayerischen Afrikapakets und umfasst die vier Dimensionen: Entwicklungszusammenarbeit, wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit.

Entwicklungszusammenarbeit: Projekte trotz Pandemie

Die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) umfasst die Begleitung, Unterstützung, Evaluierung und Weiterentwicklung von EZ-Projekten bayerischer und afrikanischer Partner im Rahmen des Bayerischen Afrikapakets – trotz der Corona-Pandemie und volatiler politischer Lage konnten Projektbesuche in den vergangenen zwei Jahren stattfinden. Delegationsreisen und Bildungsreisen mussten jedoch verschoben werden.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit: erste Schulbuchdruckfabrik am Horn von Afrika

Ein weiterer Schwerpunkt des Afrikabüros ist die Beratung und praktische Unterstützung bayerischer Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit und -entwicklung in Äthiopien. So konnte im laufenden Jahr etwa die erste Schulbuchdruckfabrik am Horn von Afrika mit bayerischer Technologie und Trainingskomponente eröffnet werden. Zudem verfolgt das Bayerische Afrikabüro zentrale wirtschaftspolitische Themen, darunter die Umsetzung der panafrikanischen Freihandelszone AfCFTA, die in den nächsten Jahren die 54 afrikanischen Staaten mit über 1,2 Milliarden Menschen zur dann größten Freihandelszone der Welt zusammenführen soll. Während der innerafrikanische Handel aktuell für nur rund 17 % des Gesamthandels der afrikanischen Staaten steht, sind dies im Vergleich in Europa rund 69 %.

Wissenschaftliche Zusammenarbeit: neue Studiengänge

Im Rahmen der bayerisch-afrikanischen Wissenschaftskooperationen werden in Äthiopien vielfältige Kooperationsformate zwischen bayerischen und äthiopischen Wissenschaftsakteuren teils seit mehreren Jahrzehnten auf- und ausgebaut. So wurden z.B. zwischen der LMU und der Universität Jimma zahlreiche neue Studiengänge ins Leben gerufen (z.B. Master in Health Professional Education/Master in Integrated Clinical and Community Mental Health).

Afrikabüro fördert kulturellen Austausch

Zum Jahr der Kunst, Kultur und des Kulturerbes 2021 der Afrikanischen Union (AU) leistete Bayern einen eigenen Beitrag mit der Gestaltung einer Bayerisch-Afrikanischen Modenschau „Dirndl à l‘africaine“ mit einem Münchner Modelabel. In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Wissenschaftsministerium und der Universität Bayreuth arbeitet das Bayerische Afrikabüro zudem an einem bayernweiten, hochschulübergreifenden Zertifikatsstudienprogramm „AfriZert“, das ab dem Wintersemester 2022 angeboten werden soll. Das Ziel besteht darin, Studierenden im Freistaat parallel zum Fachstudium die Möglichkeit zu eröffnen, ihr Wissen zu Akteuren, Strukturen und Dynamiken auf dem afrikanischen Kontinent auf- bzw. auszubauen.

Ganzheitlicher Ansatz

Dr. Sebastian Brandis erläuterte, wie die Prinzipien der Stiftung „Menschen für Menschen“ des Gründers Karlheinz Böhm, bereits früh zu einem Paradigmenwechseln in der EZ beigetragen haben. Darüber hinaus kommt der Entwicklungszusammenarbeit und damit auch der Tätigkeit der Stiftung im Vergleich zum vergangenen Jahrzehnt eine ganz neue Relevanz zu: „Ein integrierter Ansatz steigert nicht nur die Biodiversität, er führt auch zum Aufbau humaner Wertschöpfungsketten“, sagte Brandis. „Nur auf der Grundlage einer ganzheitlichen Entwicklung können die Lebensperspektiven der Menschen verbessert werden", fügte er hinzu.

Austausch mit afrikanischen Partnern

In der anschließenden Aussprache betonte Klaus Steiner (CSU), wie wichtig die Eigenverantwortung, insbesondere der Regierungen vor Ort sei und bat um eine Einschätzung der Situation in Äthiopien. Brandis sagte, dass die Stiftung keine politische Bewertung vornehmen wolle, und die aktuelle Situation nur vor dem historischen Hintergrund des Landes zu betrachten sei. Zudem handele es sich um einen inneräthiopischen Konflikt und man solle vorsichtig sein, als Nicht-Afrikaner dort einzugreifen. Anne Franke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kritisierte, dass das Bayerische Afrikabüro nicht an erster Stelle die Beratung von bayerischen Unternehmen, sondern die Hilfe zur Selbsthilfe im Fokus haben sollte. Markus Rinderspacher (SPD) fragte, wie der Freistaat Bayern im Hinblick auf die Corona-Situation Unterstützung leisten könne. Rothe erläuterte, dass sich u.a. die LMU und die Jimma Universität ihre langjährige Partnerschaft zu Nutze gemacht hätten, um gemeinsam zu Corona in Äthiopien zu forschen und daraus auch wichtige Empfehlungen für eine angepasste Impfstrategie abgeleitet hätten. Ausschussvorsitzender Tobias Gotthardt (FREIE WÄHLER) fragte, wie die Zukunft der Afrikanischen Union (AU) beurteilt werde. Rothe bekräftigte, dass sich die AU aktuell in einem umfassenden Reformprozess befände und in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen werde. Generell sei es wichtig, den Austausch mit verschiedenen afrikanischen Partnern verstärkt zu suchen und zu fördern.

AS

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