Gesundheitsausschuss debattiert über Naloxonabgabe an geschulte medizinische Laien

Dienstag, 25. Oktober 2016
– Von David Lohmann –

Naloxon ist ein Gegengift gegen Opioide, das Vergiftungen innerhalb weniger Minuten aufheben kann. Schon lange diskutieren Experten darüber, ob das Gift in die Hände von Drogenabhängigen gegeben werden soll, um damit zum Beispiel bei Heroin-Überdosierungen Todesfälle zu verhindern. Die im Ausschuss für Gesundheit und Pflege geladenen Experten waren sich bei der Anhörung „Naloxonabgabe an geschulte medizinische Laien – Take-Home-Naloxon (THN-Programme)“ einig: Ja.

Zwei Drittel aller Drogentoten sterben zu Hause oder in der Wohnung von Freunden. Denn statt bei einer Überdosierung einen Notarzt zu rufen, legen die Mitkonsumenten die Betroffenen in den meisten Fällen nur in eine Badewanne mit kaltem Wasser. Grund: „90 Prozent haben laut einer Befragung Angst, dass neben den Ärzten auch die Polizei kommt“, erklärte Prof. Dr. Norbert Wodarz. Der Leiter der Suchtforschung am Bezirksklinikum Regensburg befürwortet daher die Abgabe von Naloxon: Dadurch hätten Konsumenten genug Zeit, die Wohnung vom restlichen Stoff zu befreien und zu verschwinden.

„Wir brauchen dringend einen weiteren Pfeil im Köcher“, meinte Direktor Prof. Dr. Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences. 80 Prozent der Drogenkonsumenten hätten laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits Überdosierungserfahrungen gemacht. „Naloxon nasal zu verabreichen, könnte daher ein wichtiger Baustein sein, um Leben zu retten“, meinte Dr. Karl-Peter Ittner, Leiter Notarztwagen am Universitätsklinikum Regensburg.

„Könnte statt dem Umgang mit Naloxon nicht die Atemspende trainiert werden?“, wollte der stellvertretende Ausschussvorsitzende Bernhard Seidenath (CSU) wissen. Die Experten rieten davon ab: „Die Atemspende von Laien wird schon seit 2010 nicht mehr empfohlen“, sagte Chefarzt Dr. Markus Wehler von der Zentralen Notaufnahme am Klinikum Augsburg. Grund seien mangelnde Erfahrung und fehlende Ausdauer. „Im ambulanten Bereich ist das nicht vorstellbar und sicher auch nicht leistbar“, resümierte Wehler.

Harald Gigga, Dozent für präklinische Notfallmedizin und Krisenintervention in München, teilte die Einschätzung: „Die Thoraxkompression ist wichtig und muss geschult werden – die Atemspende nicht.“ Das Einzige, was die Experten medizinischen Laien im Fall einer Überdosis ohne Naloxon raten: Den Betroffenen wie im Führerscheinvorbereitungskurs in die stabile Seitenlage bringen, in den Oberschenkel zwicken und hoffen, dass der Reiz im Gehirn ankommt, damit die Atmung wieder anspringt.

Sandro Kirchner (CSU) befürchtete, dass Drogenabhängige durch das Nasenspray leichtfertiger mit Drogen umgehen. Laut einer Studie aus Kanada sei allerdings durch Naloxon keine erhöhte Risikobereitschaft erkennbar, sagte Olaf Ostermann, Gesamtleiter der Kontaktläden bei Condrobs e.V. in München. Auch einen Missbrauch schloss er aus: „Das Ziel ist, drauf zu sein“, erklärte Ostermann. „Und Naloxon hat den gegenteiligen Effekt.“

Ruth Müller (SPD) wollte von den Experten wissen, um wie viel Prozent die Überlebenschancen durch Naloxon stiegen. Studien gingen von einer Reduzierung der Todesrate um 30 Prozent aus, antwortete der Vorstandsvorsitzende des Arbeitskreises Medizinischer Ethik-Kommissionen in Deutschland, Prof. Dr. Joerg Hasford. „Das ist in der Medizin unglaublich viel.“

Ulrich Leiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) interessierte sich dafür, ob es durch den Missbrauch von Naloxon zu Entzugserscheinungen kommen kann. „Das ist immer eine Frage der Dosierung“, erläuterte Ärztin Kerstin Dettmer von Fixpunkt e.V. aus Berlin. Doch selbst bei einer zu hohen Dosierung seien die Konsumenten nicht automatisch abhängig.

„Gibt es denn überhaupt etwas, was dagegen spricht“, fragte Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER). „Ansonsten können wir die Anhörung rasch beenden.“ Die Ausschussvorsitzende Kathrin Sonnenholzer (SPD) will jetzt Wege finden, um die Zulassung von Naloxon in nasaler Form im Freistaat zu beschleunigen.

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