Drohnenabwehr in Bayern
Bericht des Staatsministers und Fachgespräch im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport
22. Oktober 2025
MÜNCHEN. In den vergangenen Wochen häuften sich auch in Bayern Vorfälle mit Drohnen unbekannter Herkunft über Flughäfen, Einrichtungen der kritischen Infrastruktur und Großveranstaltungen wie dem Oktoberfest. Im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport beriet eine Expertenrunde, wie eine optimierte Drohnenabwehr im Freistaat aussehen könnte. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) berichtete dazu einleitend über die Pläne der Staatsregierung. Allgemeiner Tenor: Die notwendige Aufrüstung der bayerischen Polizei wird teuer.
Nach den jüngsten Drohnensichtungen über Bayern, die unter anderem mehrfach zur Einstellung des Flugbetriebs am Münchner Airport geführt haben, will der Freistaat die Fähigkeiten der bayerischen Polizei zur Drohnenabwehr deutlich ausbauen. „Wir sind zwischenzeitlich einer erheblichen Bedrohung und akuten Gefährdungen durch Drohnen ausgesetzt, sie sind zu einem ernstzunehmenden Sicherheitsrisiko geworden“, erklärte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor dem Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport. Die Staatsregierung werde deshalb zum einen in Erding ein Drohnenkompetenz- und -abwehrzentrum (DKAZ) aufbauen und zum anderem mit einer Gesetzesinitiative die rechtlichen Grundlagen für eine Drohnenabwehr durch die bayerische Polizei klarer fassen und erweitern. Dazu soll die Polizei unter anderem mit bewaffneten Abwehrdrohnen ausgerüstet werden. Herrmann appellierte an den Landtag, die dafür erforderlichen Haushaltsmittel bereitzustellen.
Im folgenden Fachgespräch waren sich alle Experten einig, dass die Grundlage einer erfolgreichen Drohnenabwehr die Erkennung und Verifizierung von Drohnenflügen in den klar definierten Flugverbotszonen ist. Wie die Präsidentin des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, Kerstin Schaller, berichtete, stellen sich viele vermeintliche Drohnensichtungen, vor allem in der Dunkelheit, als Fehlmeldungen heraus. Trotzdem müsse man jede Meldung zunächst ernst nehmen. Je schneller Klarheit herrsche, desto konsequenter und zielgerichteter könne reagiert werden. Schließlich seien nicht nur mutmaßliche Spionage- oder Sabotagedrohnen in der Luft, sondern auch privat oder gewerblich genutzte.
Drohnenabschuss kein Allheilmittel
Zurückhaltend äußerte sich Schaller bezüglich der Hoffnungen, die Problematik durch einen Abschuss sogenannter „unkooperativer Drohnen“ unbekannter Herkunft zu lösen. „Eine Drohne abzuschießen, ist nicht so leicht, wie man sich das vorstellen mag“, sagte sie. Es handle sich um schnelle und wendige Objekte. Ziel müsse immer sein, eine Drohne unschädlich zu machen, ohne unbeteiligte Personen dadurch zu gefährden. Die Abwehrmaßnahmen müssten stets dem Gebot der Verhältnismäßigkeit gerecht werden. Der Inspekteur der bayerischen Polizei, Markus Trebes, ergänzte: „Der Abschuss ist nicht immer die erste Wahl.“ Wegen der Gefahren durch herabstürzende Trümmer sei dieser über Wohngebieten oder größeren Menschenansammlungen im Regelfall keine Option. Es gebe aber zahlreiche andere Methoden für eine effektive Drohnenabwehr, zum Beispiel durch Störsender oder Abfangdrohnen.
Einig waren sich Trebes und Schaller auch darin, dass zum Schutz kritischer Infrastruktur in Zukunft eine Überwachung und Einsatzfähigkeit rund um die Uhr gewährleistet sein müsse. Neben der nötigen Technik brauche es dazu ausreichend geschultes, hochmobiles Personal. „Das alles wird richtig viel Geld kosten“, sagte Schaller voraus. Allein für den Betrieb des DKAZ sei Personal im „niedrigen dreistelligen Bereich“ erforderlich, teilte Trebes mit. Neben der flächendeckenden Verteilung von Spezialeinsatzkräften an den Standorten der Bereitschaftspolizei wolle man zur schnellen Reaktion auch „einfache Abwehrmöglichkeiten aus dem Streifenwagen heraus“ etablieren.
Hilfe durch Bundeswehr nur eingeschränkt gewährleistet
Breiten Raum in der Anhörung nahm die mögliche Beteiligung der Bundeswehr an der Drohnenabwehr im Inland ein, zumal die Polizei technisch nur im bodennahen Luftraum bis zu 300 Meter Flughöhe agieren kann. Nach Angaben von Generalmajor Wolfgang Ohl ist die Bundeswehr im Rahmen des gesetzlich Zulässigen bereit, die Polizei bei der Bekämpfung von Drohnen im Inland zu unterstützen. Möglich sei dies, wenn ein „Schaden in katastrophalem Ausmaß“ drohe oder im Zuge der Amtshilfe auf Anfrage der Polizei. Dies könne aber nur erfolgen, wenn der Bundeswehr dafür neben der Bewältigung ihrer Aufgaben zur Landesverteidigung und dem Schutz ihrer Einrichtungen entsprechende Kapazitäten zur Verfügung stünden. „Es ist eine Fehlannahme, dass die Bundeswehr als Kavallerie Sicherheitsaufgaben im Inland in großem Umfang dauerhaft wird übernehmen können – schon gar nicht im Krisen- oder im Verteidigungsfall“, betonte Ohl.
Ungeachtet dessen verwies Markus Scholter, Referatsleiter Recht im Bundesverteidigungsministerium, auf rechtliche Hürden beim Einsatz der Bundeswehr im Innern. Zwar solle nun durch eine Änderung des Luftverkehrsgesetzes mehr Klarheit geschaffen werden, für eigenverantwortliche Einsätze der Bundeswehr zur Drohnenabwehr im Innern über den Katastrophenschutz hinaus müsste aber das Grundgesetz geändert werden, erläuterte Scholter.
Rechtslage klarer fassen
Die Rechtswissenschaftlerin Verena Jackson von der Universität der Bundeswehr forderte mehr Rechtssicherheit für die Drohnenabwehr. Die bisherige klassische Trennung von äußerer und innerer Gefahr im Grundgesetz und den daraus abgeleiteten Regelungen sei vor dem Hintergrund hybrider Kriegsführung nicht mehr zeitgemäß. „Wir brauchen für die Zukunft Regeln, mit denen die Praktiker mit Blick auf die neue Gefährdungslage umgehen können“, sagte sie. Bezüglich der zivilen Kontrolle des Luftraums plädierte die Leiterin für Politische Angelegenheiten bei der Deutschen Flugsicherung, Sabine Hornig, für jeweils spezifische Regeln für den Umgang mit bemannten und unbemannten Flugobjekten. Dass die aktuelle Gesetzeslage beide Bereiche gleich behandle, erschwere die zügige Abwehr „unkooperativer“ Drohnen.
/ Jürgen Umlauft