Landwirtschaftsausschuss: Sachverständigenanhörung zur Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik ab 2028
Zahlungen sollen fairer und effizienter werden
2. April 2025
MÜNCHEN. Die EU-Kommission arbeitet gerade am Finanzrahmen für eine Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2028. Auf Antrag der CSU-Fraktion fand im Landwirtschaftsausschuss eine Sachverständigenanhörung statt, um frühzeitig die Weichen dafür zu stellen. Denn aktuell ist unsicher, ob es überhaupt einen eigenständigen EU-Agrarhaushalt geben wird. Auch die flächenbezogene Direktzahlung soll wohl langsam zurückgefahren werden.
Matthias Borst vom Bayerischen Bauernverband wies darauf hin, dass 14 Prozent aller Betriebe in Deutschland Bergwirtschaft betreiben. Dem müsse bei den GAP-Planungen Rechnung getragen werden. „Oft heiße es, das Geld werde mit der Gießkanne ausgeschüttet, aber das stimmt nicht“, sagte er. Auch müsse bei den Auszahlungen beachtet werden, dass viele Betriebe die Gelder aus den Corona-Stützprogrammen zurückzahlen müssen. Borst warb außerdem dafür, neben dem Abbau der Bürokratie die Vorschriften zur Düngeregelung, -dokumentation und -aufzeichnung zu lockern.
Weniger Bürokratie war auch Dr. Gerhard Dorfner von der Landesanstalt für Landwirtschaft ein wichtiges Anliegen. „Wir brauchen den Mut, nicht mehr allen Einzelfällen gerecht zu werden“, sagte er. Das werde zwar zu schmerzhaften Kompromissen führen, aber sonst komme man nicht weiter. Für die familiengeführten Landwirtschaftsbetriebe in Bayern wünsche er sich mehr Preisstabilität und Planungssicherheit – insbesondere in Zeiten des Klimawandels und wenn es zu einem EU-Beitritt der Ukraine kommen sollte.
Der frühere Staatsminister Dr. Marcel Huber berichtete von seinen Erfahrungen im Praktikerrat, in dem neben Landwirtinnen und Landwirten unter anderem Vertreter der Landwirtschafts-, Umwelt- und Waldbesitzerverbände saßen. „Die Entfremdung von der Landwirtschaft zu Verbrauchern und Umweltschützern führte zu viel Unmut bei den Landwirten“, erklärte er. Huber betonte, dass die Ernährungssicherheit eine strategische Fähigkeit unseres Landes sei, die uns etwas wert sein müsse. Nur so könnten auch die Standards bei Tierwohl, Tierschutz und Wasser gewährleistet bleiben.
Nachhaltigkeitsprämien statt Direktzahlungen
Prof. Dr. Sebastian Lakner von der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock sprach sich für den Erhalt der Artenvielfalt durch Nachhaltigkeitsprämien statt für Direktzahlungen aus. Dann würde das Geld auch an die Landwirtinnen und Landwirte fließen – selbst wenn sie das Land nur gepachtet haben. Lakner forderte auch einen Gewinn- und Risikoaufschlag. 37 Prozent der Arbeitnehmer und 48 Prozent der Betriebsleiter seien über 55 Jahre. „Wer soll den Hof übernehmen, wenn die Arbeit nicht lukrativ ist?“
Thomas Lang von der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern nannte die GAP-Reform eine riesige Herausforderung. Schließlich gingen ein Drittel der Haushaltsgelder in den Agrarbereich. „Wir sollten dafür sorgen, dass die Ausgaben nicht nur für die Verwaltung und Politiknerds, sondern auch für die Menschen verständlich bleiben“, sagte er. Aktuell gebe es viel zu viele Förderebenen. Mit Blick auf den Klimawandel brauche es außerdem Programme zum Bodenerhalt und zum Humusaufbau.
Stephan Süß vom Interessenverband der kleinbäuerlichen Landwirte in Bayern sprach sich für eine Renationalisierung der Agrarpolitik aus. „Da die Mitgliedsstaaten die GAP unterschiedlich auslegen, führt das zu Wettbewerbsnachteilen für deutsche Bauern“, erklärte er. Außerdem sollte sichergestellt werden, dass Betriebe nicht durch Dumpingimporte in Existenznöte geraten. „Nie mussten Verbraucher weniger für Nahrungsmittel ausgeben als heute.“ Das sei ein Grund dafür, warum die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe in Bayern um 12,5 Prozent auf 81.500 gesunken ist.
Wieso profitieren Landwirte nicht von den steigenden Lebensmittelpreisen?
Mehr Mut bei finanziellen Forderungen im Rahmen der GAP-Verhandlungen wünschte sich Harald Ulmer vom BUND Naturschutz in Bayern. „Weil die gesellschaftlichen Anforderungen zugenommen haben, brauchen wir nicht weniger, sondern deutlich mehr Geld“, hob er hervor. Ulmer kritisierte auch, dass von den steigenden Lebensmittelpreisen nicht die Landwirte profitieren. „Da müssen wir ran.“ Zudem gelte es, die Böden resilienter zu machen, den Wasserschutz ernster zu nehmen sowie Biodiversitäts- und Artenschutzprogramme voranzutreiben.
„Die GAP-Direktzahlungen machten 2020 23 Prozent des landwirtschaftlichen Einkommens aus“, berichtete Christina Borchmann von der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Union. Jetzt müsse überlegt werden, wie die Zahlungen noch fairer und effizienter werden können. Auch müssten Hindernisse für den Generationenwechsel beseitigt, Lebensmittelketten diversifiziert, Bürokratie abgebaut und mehr Anreize für Klimaschutzmaßnahmen geschaffen werden.
In der anschließenden Aussprache unterstrich Sascha Schnürer (CSU), dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Lage auch in der Landwirtschaft radikal verändert habe. „Europa ist dabei aber nicht das Problem, sondern die Chance“, sagte er. Deutschland müsse jetzt die Rolle des Impulsgebers einnehmen und für mehr Unabhängigkeit und weniger Bürokratie in der Agrarproduktion sorgen. „Resilienz ist das Schlagwort der Stunde.“
FREIE WÄHLER: „Coronakrise hat gezeigt, wie wichtig Ernährungssicherheit ist.“
Ulrike Müller (FREIE WÄHLER) befürchtete, dass das Agrarbudget in Zeiten hoher Ausgaben wie etwa für die – notwendigen – Verteidigungsausgaben in Zukunft abgesenkt wird. Dabei habe nicht zuletzt die Corona-Krise gezeigt, wie wichtig die Aufrechterhaltung der Lebensmittelversorgung ist. Sie forderte, dass Bayern sich über den Bundesrat einsetzt, damit die Ernährungssicherheit auch in Zukunft finanziell gesichert ist. „Wir brauchen hochwertige Lebensmittel.“
Der AfD-Abgeordnete Ralf Stadler sorgte sich, dass der geplante EU-Beitritt der Ukraine neue Herausforderungen für Landwirtinnen und Landwirte bringe. „Wie wird sichergestellt, dass Umwelt- und Sozialstandards mit den Richtlinien der EU übereinstimmen?“, fragte er. Ähnliche Sorgen treiben ihn bei den zukünftigen Freihandelsabkommen um. „Milchbauern haben einen Stundenlohn von zehn bis 24 Euro – das ist das Niveau von Leiharbeitern.“
Paul Knoblach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) beunruhigte insbesondere die Lage im Weinbau. „Wir sprechen von einer der weltweit größten Weinbaukrisen“, unterstrich er. Allein in Bordeaux sollen rund 30.000 Hektar Weinberge gerodet werden. In Bayern sei die Weinkultur zwar weniger ausgeprägt, aber dennoch ein großer Wirtschaftsfaktor. „Müssen wir ähnliche Rodungsprogramme fürchten?“, wollte er wissen. „Und falls ja, wie sollen die aussehen?“
Der SPD-Abgeordnete Horst Arnold war unsicher, ob die Nebenerwerbslandwirtschaft noch eine Zukunft hat. Das betrifft laut Agrarbericht 54 Prozent der Landwirtinnen und Landwirte. Nur 47 Prozent würden die Arbeit hauptberuflich betreiben. Auch seien 40 Prozent der Flächen verpachtet. „Helfen die aktuellen Regelungen oder beschleunigen sie nur den aktuellen Strukturwandel?“, fragte er. Arnold befürchtete, dass sich viele junge Menschen gegen den Beruf entscheiden.
/ David Lohmann