"Stärkung der Jugendbeteiligung in Bayern"

Expertenanhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie

6. Mai 2021

MÜNCHEN.     Wie können junge Menschen mehr Gehör finden? Wie kann die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in der Politik besser gelingen? Zu diesen Fragen äußerten sich in einer Anhörung vor den Mitgliedern des Sozialausschusses zahlreiche Vertreter von Jugendverbänden und -organisationen.

Parallel zur Jugend- und Familienministerkonferenz von Bund und Ländern, die aktuell unter bayerischem Vorsitz in Augsburg stattfindet, ging es im Landtag um die Beteiligung von jungen Leuten in der Politik. Im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie äußerten sich 14 Sachverständige auf Antrag der Grünen-Fraktion zum Thema und waren sich in vielen Punkten einig. Getreu dem zugrunde liegenden Prinzip „Nichts für uns, ohne uns!“ berichteten die teils noch sehr jungen Expertinnen und Experten von ihren Erfahrungen in Kinder- und Jugendverbänden und -Netzwerken.

Ganz grundsätzlich erläuterte zunächst Patrick Wolf vom Bayerischen Jugendring, dass die Einbindung von Kindern und Jugendlichen in politische Entscheidungen nicht nur das Demokratiebewusstsein stärkt, sondern auch der Wahrung der Grundrechte entspricht. Wolf forderte mehr jugendgerechte Gesetze. Dabei wurde er auch konkret: Seine Forderung, Beteiligungsrechte in den Gemeindeordnungen zu verankern und so die Jugendbeteiligung auf kommunaler Ebene nach vorn zu bringen, traf bei den anderen Sachverständigen auf breite Zustimmung.

Beteiligungsrechte in Gemeindeordnungen verankern

Jugendlichen lediglich ein Rederecht in Gemeindeversammlungen einzuräumen reiche nicht aus, erklärte Jens Tönjes vom bayerischen Landesverband im Kinderschutzbund. „Das war eine Erwachsenenidee.“ Nötig seien vielmehr gesetzliche Regelungen, die eine Beteiligung von Kindern und Jugendlichen überall in Bayern möglich machen. Neben dieser rechtlichen Anerkennung, so Tönjes, bedürfe es einer entsprechenden Strategie und auch der Hilfe und Unterstützung für Kommunen, solche Teilhabe möglich zu machen.

„Jugendbeteiligung braucht Jugendliche“, sagte Ilona Schuhmacher, von der Evangelischen Jugend in Bayern. Was so lapidar klinge, sei aber gar nicht so einfach, es bedeute nämlich, sich mit deren Bedürfnissen und Anliegen auseinanderzusetzen. Bevor allerdings die Frage nach dem Wie, also der richtigen Methode angegangen wird, will Schuhmacher, das Warum der Beteiligung geklärt haben. Formuliert werden müssen nach Schumachers Worten Ziele, zeitliche Perspektive, barrierefreier Zugang und Dauerhaftigkeit sowie verlässliche Orte. Aus wissenschaftlicher Perspektive forderte Eva Feldmann-Wojtachnia vom Centrum für angewandte Politikforschung der LMU, jugendpolitische Teilhabe müsse aus der Randständigkeit herauskommen. Feldmann-Wojtachnia verwies zugleich darauf, dass auch viel Beziehungsarbeit nötig sei und Vertrauen aufgebaut werden müsse. Die Leiterin der Forschungsgruppe Jugend und Europa sagte: „Es ist Mut nötig, Macht abzugeben.“

„Noch viel Arbeit an der Basis nötig“

Diesen Mut aufzubringen, fällt nach den Erfahrungen von Anna Heiland, vom Kreisjugendring Ostallgäu, vielen Entscheidungsträgern schwer. Heiland berichtete von ihrem Jugendbeteiligungs-Projekt „What‘s up?!“, bei dem von 45 Gemeinden nur sieben mitmachen wollten. Ihr Fazit lautete: „Es braucht noch viel Arbeit an der Basis.“ Überzeugungsarbeit bei der Schulleitung muss Moritz Meusel, Koordinator des Landesschülerrats und Landesschülersprecher aus Bamberg immer wieder leisten. „Es ist häufig ein Kampf lediglich eine Klassensprecherkonferenz zu organisieren.“ Meusel beklagte Gegenwind beim ehrenamtlichen Engagement, das nicht einmal im Zeugnis gewürdigt werde.

Eine Ausgrenzung von Nicht-Staatsangehörigen in der Jugendbeteiligung beklagte die mit 18 Jahren jüngste Expertin und Vorsitzende des Jugendbeirats in Regensburg, Leyla Stanojević. Für den stellvertretenden Landesschülersprecher Förderschulen, Adam Al-Jaisani aus Aschaffenburg liegt das Problem in der kaum vorhandenen politischen Bildung in Förderschulen. Von erfolgreichen best-practice-Beispielen berichteten Maria Cabras, Vorsitzende im Jugendparlament Pfaffenhofen an der Ilm und Julia Hacker, Jugendbeauftragte in Lauf an der Pegnitz. Ihr Jugendparlament werde von der Stadt Pfaffenhofen gut unterstützt, berichtete Cabras, und die Arbeit der Jugendlichen von pädagogisch geschultem Fachpersonal gefördert.

Einig waren sich alle geladenen Fachleute darin, das Wahlalter abzusenken. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend sieht in der Wahlmöglichkeit auf kommunaler Ebene ab 16 Jahren einen notwendigen Schritt sowohl für die jungen Menschen, als auch für Kommunen und Demokratie. Daniel Köberle, der bayerische Landesvorsitzende sprach von „Werkstätten der Demokratie“. Michael Voss, Bildungsreferent bei der Bayerischen Sportjugend, betonte „Demokratie muss gelernt werden“. Dr. Heiko Tammena, von der Katholischen Landjugendbewegung erklärte: „Wir verstehen nicht, warum es noch Abgeordnete gibt, die Angst haben, auch 16jährige wählen zu lassen.“

Das Defizit: Eine Gesamtstrategie

Eine fehlende Gesamtstrategie in der Partizipation junger Menschen sieht Sebastian Schiller vom Deutschen Kinderhilfswerk in Berlin. Der Leiter der Fachstelle Kinder- und Jugendbeteiligung mahnte, die dazu nötigen Strukturen zu schaffen. Es geht nach Schillers Ansicht um gesetzliche Regelungen wie die Absenkung des Wahlalters, Wissensvermittlung und Beteiligungsformate sowie finanzielle Mittel in Förderfonds, die leicht abzurufen sind.

Unter Leitung der Ausschussvorsitzenden Doris Raucher (SPD) berichteten in der anschließenden Fragerunde fast alle Abgeordneten, die sich zu Wort meldeten, zunächst von ihrem eigenen Weg in die Politik. Sie würdigten aber auch wiederholt und fraktionsübergreifend die Beiträge und Anregungen der verschiedenen Fachleute. Matthias Enghuber von der CSU räumte ein, man brauche verlässlichere Strukturen als bislang in der Kommunalpolitik. Susann Enders (FREIE WÄHLER) gab zu, dass es frustrierend für viele Jugendliche sei, wenn die Umsetzung von angestoßenen Projekten so lange dauere, dass sie selber davon nicht mehr profitieren können, weil sie aus dem entsprechenden Alter herausgewachsen seien. Für den Sozialdemokraten Arif Tasdelen erwies sich der Hinweis auf die Frage, wie Menschen mit Migrationshintergrund besser in die Partizipation eingebunden werden können, als besonders wertvoll. „Wir brauchen mündige Bürger, davon profitiert das Land“, sagte die Liberale Julika Sandt. Die Grünen-Politikerin Eva Lettenbauer sprach von einem Recht auf Beteiligung und mahnte, die Forderungen ernst zu nehmen. Übereinstimmend sprachen sich die Fraktionen von FREIEN WÄHLERN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP für eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre aus.

/ Miriam Zerbel

 

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