Sozialausschuss: Bericht der Staatsregierung zur Misshandlung von Kindern in der Sekte „Zwölf Stämme“

Donnerstag, 23. Januar 2014

– Von Eva Spessa –

Zwei Ministerien waren aufgefordert, in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration am 23. Januar über den Stand der Erkenntnisse zu den Kindesmisshandlungen der Sekte „Zwölf Stämme“ in Bayern zu berichten. Die Religionsgemeinschaft hatte mit anhaltenden Verstößen gegen die Schulpflicht 2006 den Betrieb einer eigenen Schule durchgesetzt und später bestätigt, körperliche Züchtigung als geeignetes pädagogisches Mittel zu sehen.

 

Die Fragen der Abgeordneten richteten sich vor allem auf die Aktivitäten der Jugendämter im Hinblick auf die – lange Zeit mutmaßlichen – körperlichen Züchtigungen, zu denen das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration Stellung nahm, und auf den Betrieb einer privaten Schule der Sekte, über dessen Hintergründe das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Auskunft gab.

„Jugendämter haben richtig gehandelt“

Der Vertreter des Sozialministeriums Ministerialrat Josef Ziller hielt zunächst einmal grundsätzliches fest: Die Kindererziehung liege klar in der Hand der Eltern, das Grundgesetz schütze Familien vor staatlichen Eingriffen – diese dürften nur erfolgen, wenn das Kindeswohl erheblich gefährdet sei. Darüber hinaus habe das Jugendamt hier keine Entscheidungsgewalt, die entscheidende Instanz sei das Familiengericht.

In einer chronologischen Rückschau auf die Ereignisse betonte Ziller das richtige und rechtzeitige Handeln der Jugendämter: Sie seien jedem Verdachtsfall gründlich nachgegangen, hätten intensiv – jedoch ohne greifbare Ergebnisse – sowohl mit den Eltern und den Kindern als auch mit Sektenaussteigern gesprochen, es habe einen regelmäßigen Austausch zwischen den zuständigen Jugendämtern, angemeldete und unangemeldete Besuche sowie amtsärztliche Untersuchungen gegeben, die aber keine Hinweise auf Misshandlungen geliefert hätten. Überdies müsse man zwischen Hinweis und Beweis unterscheiden – und Beweise habe man zwar gesucht, aber nicht gefunden. Erst mithilfe von Filmmaterial eines TV-Reporters, erlangt mit dem Jugendamt nicht zur Verfügung stehenden Mitteln, konnte das Familiengericht das Sorgerecht für 40 Kinder der „Zwölf Stämme“ den Eltern teilweise entziehen.

Schulbesuch im Vordergrund

Ergänzend berichtete Ministerialrat Bernhard Butz vom Kultusministerium zur sogenannten Ergänzungsschule, die die „Zwölf Stämme“ im Kloster Zimmern in Deiningen seit 2006 betrieben hatten. Diese sei nach der obstinaten Weigerung der Eltern, ihre Kinder auf Regelschulen zu schicken, vor allem deshalb immer wieder befristet genehmigt worden, um den Kindern überhaupt einen Schulbesuch und – auch erfolgreich absolvierte – externe Schulabschlüsse zu ermöglichen. Die Genehmigung wurde nicht mehr verlängert, nachdem 2013 eine Reihe von Forderungen des Ministeriums, darunter die Distanzierung von jeder Form körperlicher Züchtigung, unbeantwortet geblieben waren. Mittlerweile hat die Regierung von Schwaben den Betrieb gänzlich untersagt und die Kinder sind an Regelschulen angemeldet.

Elternrecht und Kindeswohl


Das Thema ist ein heikles, darüber herrschte im Grunde Einigkeit im Ausschuss: Das Wohl der Kinder stehe klar im Vordergrund, doch auch das Recht der Eltern bei der Erziehung sei unbestritten, ebenso wie die Grenzen des Staats bei seinen Möglichkeiten des Eingreifens. Dazu käme die komplexe Psychologie der Liebe der Kinder zu ihren Eltern und umgekehrt. Dennoch: Körperliche Misshandlung sei unter keinen Umständen akzeptabel, auch nicht auf einer religiösen Basis.


Als besonders problematisch bezeichneten einige Ausschussmitglieder die Genehmigung der Schule der „Zwölf Stämme“: Die Zwangsmaßnahmen, mit deren Hilfe die Schulpflicht durchgesetzt werden sollte, hatten nicht gegriffen, also hat man diese zweifelhaften Schule toleriert – dies käme fast einer Erpressung gleich, und diese Art der Konfliktvermeidung sei offensichtlich keine Lösung gewesen.

 

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