Umweltausschuss hört Experten zum Flächenverbrauch

Donnerstag, 19. April 2018
– Von Miriam Zerbel –

Wohnen, Gewerbe, Straßen: Wieviel Fläche darf und soll dafür verbaut werden? Um diese Frage drehte sich die Anhörung im Umwelt- und Verbraucherausschuss. Verschiedene Fachleute erörterten, wie im Freistaat weniger Fläche verbraucht werden kann und welche Instrumente dazu nötig sind.

Jeden Tag werden in Bayern rund zehn Hektar Boden umgewandelt in neue Wohngebäude, Gewerbegebiete und Straßen. Damit ist der Freistaat weit entfernt von der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes, die einen Zielwert von 4,6 Hektar anrät. Dass der Flächenverbrauch im Land zu hoch ist, darin waren sich alle Fachleute im Umwelt- und Verbraucherausschuss einig. Welcher Weg allerdings eingeschlagen werden sollte, um den Flächenverbrauch zu verringern, diskutierten Experten sowie Abgeordnete kontrovers.

„Falsche Weichenstellung“

Zunächst ging es um die Beurteilung von Informationsmaterial sowie die Beratung der Staatsregierung und inwiefern diese den Städten und Gemeinden hilft, die Herausforderungen zu meistern. Informationsmaterialien seien in den Gemeinden kaum bekannt und reichten nicht aus, hieß es beim  Bund Naturschutz. Nach Ansicht seines Landesbeauftragten Richard Mergner gibt es zwar viele Vorschläge zur Eindämmung des Flächenverbrauchs, aber sie scheitern an der mangelnden Realisierung durch die verantwortlichen Behörden. „Die Weichenstellung zur Reduzierung des Flächenfraßes geht in die falsche Richtung.“

Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, AbL, sprach von fehlenden gesetzlichen Vorgaben, die verhinderten, dass jeder mache, was er wolle. Das treffe vor allem land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche monierte Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, BBV. Seit 1960 seien 840.000 Quadratmeter Wiesen und Felder verloren gegangen.

Für verbindliche Ziele und eine feste Verbrauchsobergrenze sprach sich nicht nur Professor Holger Magel, Präsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum, aus, sondern auch Dr. Jana Bovet. Die stellvertretende Leiterin des Departments Umwelt- und Planungsrecht am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, UFZ, betonte, ohne eine solche Grenze sei eine Trendwende nicht zu erreichen. Maria Kurz, Landesgeschäftsführerin der katholischen Landjugendbewegung Bayern,  KLJB, forderte gar eine verbindliche Obergrenze von 4,5 Hektar täglich.


„Eingriff in die Planungshoheit“



Eine Forderung, die sowohl Matthias Simon vom Bayerischen Gemeindetag als auch Erich Odörfer vom Bayerischen Städtetag rundweg ablehnten. Als Eingriff in die Planungshoheit der Kommunen und als nachteilig für die wirtschaftliche Entwicklung Bayerns kritisierten sie die Idee einer festen Verbrauchsgrenze. Diesen Vorwurf prüft aktuell der Verfassungsgerichtshof.  „Es ist nicht so, dass kein Wille zum Flächensparen besteht“, sagte Simon. Odörfer mahnte, derweil nicht die staatliche und kommunale Daseinsvorsorge aus den Augen zu verlieren. Um effektiv Fläche sparen zu können, forderten beide wirksame Instrumente, um an unbebaute Grundstücke in Städten und Gemeinden heranzukommen.

Auf eine beunruhigende Entwicklung verwies Professor Manfred Miosga von der Universität Bayreuth. Der Stadt- und Regionalentwickler hat festgestellt, dass vor allem in strukturschwachen Gebieten Bayerns mit schrumpfender Bevölkerung überdurchschnittlich viel Fläche in Anspruch genommen wird. „Diese kleinen Gemeinden befinden sich häufig in einer verzweifelten Situation, in der sie Fläche bereitstellen, um handlungsfähig zu bleiben“, erklärte Miosga. Hier fehle es nicht nur an Informationsvermittlung und der Bewusstseinsbildung zum Flächensparen, es seien auch noch andere Mechanismen am Werk.

„Bürgermeisterwettbewerb“ um Gewerbegebiete

Hier kommt die Gewerbesteuer ins Spiel, in der die Bayerische Akademie Ländlicher Raum, der Bund Naturschutz und die AbL eine wichtige Ursache für den Flächenverbrauch sehen. Erhoffte Gewerbesteuereinnahmen seien häufig ausschlaggebend für die Ausweisung von Gewerbegebieten und führten zum sogenannten „Bürgermeisterwettbewerb“ um neue Bau- und Gewerbegebiete. Die Sachverständigen forderten deshalb neue Formen der Gemeindefinanzierung.

Einer Analyse des Bayerischen Rundfunks zufolge werden in Bayern weit mehr Gewerbegebiete ausgewiesen als benötigt. Demnach würden die aktuell verfügbaren Gewerbeflächen rein rechnerisch zehn Jahre für den Bedarf reichen, selbst wenn die bayerischen Gemeinden von nun an keine weiteren Gewerbeflächen mehr ausweisen würden.

Vorschläge für Reformen

Das Wissen um Innenentwicklungspotentiale, Flächenmanagement-Datenbanken und Folgekosten-Schätzungen als Instrumente langfristiger Planung und entsprechender Entwicklungskonzepte sind nach Ansicht vieler Experten noch nicht in Städten und Kommunen angekommen. Allerdings seien viele kleinere Gemeinden mit ihrer Verwaltung damit personell und organisatorisch überfordert.

Dort, wo das Prinzip der Freiwilligkeit bislang versagte, müsse der rechtliche Rahmen geändert werden. Dazu kamen viele Vorschläge aus den Reihen der Sachverständigen: von einer Reform der Gemeindefinanzen und der Forderung nach interkommunaler Zusammenarbeit, über eine Versiegelungsabgabe bis hin zu neuen Formen der Bürgerbeteiligung. Unüberhörbar war der Ruf nach einer Stärkung der Landes- und Regionalplanung und die Kritik am gelockerten Anbindegebot, das eigentlich das Entstehen neuer Siedlungskerne verhindern sollte, nun aber durch die Aufweichung keine Hilfe beim Flächensparen sei.

Warnung vor „Bürokratiemonster“

Gegensätzliche Einschätzungen gab es zum Flächenzertifikate-Handel, also dem Verkauf von Rechten für die Nutzung von Fläche. Während die Planungsexpertin Dr. Bovet Zertifikate als kostengünstigstes Instrument favorisierte, um das Verbrauchsziel zu erreichen, warnte Ordinarius Magel vor einem Bürokratiemonster.

Für den SPD-Abgeordneten Florian von Brunn und seine Kollegin von den Grünen, Rosi Steinberger, ist das Prinzip der Freiwilligkeit gescheitert. Für beide ist klar: Es muss sich etwas ändern.



 

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