Umweltausschuss informiert sich über Schutz und Erhalt biologischer Vielfalt

Donnerstag, 7. Juni 2018
– Von Miriam Zerbel –

Laut Bayerischer Verfassung gehört es zu den vorrangingen Aufgaben von Staat und Kommunen, die biologische Vielfalt im Land zu schützen. Wie das am besten geschehen kann, erläuterten Experten für Naturschutz in einer Anhörung des Umweltausschusses.

Begleitet vom Aufflammen der Diskussion über das Insektensterben, sehen die Sachverständigen von Naturschutzbehörden und -verbänden, aus der Wissenschaft und der Landwirtschaft fast einhellig dringenden Handlungsbedarf. Jeder aufmerksame Naturbeobachter könne ohne Monitoring einen dramatischen Verlust an biologischer Vielfalt in Bayern feststellen: weniger Streuwiesen und Magerrasen, weniger Schmetterlinge und Spinnen, ein drastischer Rückgang von Kleininsekten und damit auch von deren Fressfeinden wie Feldlerche und Kiebitz.

Appell: Jetzt handeln

So fällt die Bilanz des Landesbundes für Vogelschutz, LBV, zehn Jahre nach der bayerischen  Biodiversitätsstrategie ernüchternd aus. Zwar habe Bayern 2008 die Probleme erkannt, zehn Jahre später sei aber immer noch ein erschreckendes Ausmaß beim Verlust von Arten und Lebensräumen festzustellen. „Wir stehen aktuell vor der Herausforderung, diesen Trend umzukehren. Wir müssen jetzt handeln“, appellierte der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer an die Politik. Diesem Appell schloss sich Ludwig Sothmann an. Der Biodiversitätsrat am Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz mahnte: „Jetzt stehen wir an einem Wendepunkt, wenn wir jetzt nicht agieren, verpassen wir die Weichenstellung.“

Laut Bayerischem Artenschutzbericht sind 40 Prozent der Tier- und Pflanzenarten in Bayern bedroht.  5,7 Prozent seiner Tierarten hat der Freistaat bereits verloren, bei den Pflanzenarten sind es 3,5 Prozent. Auffällig ist demnach, dass vor allem ehemals häufige Arten besonders betroffen sind. Neben dem Rückgang der Arten beklagte der Bund Naturschutz in Bayern auch einen Rückgang an Artenkennern und naturschutzfachlicher Expertise. Zudem müsse der Schutz der biologischen Vielfalt eine ressortübergreifende Aufgabe sein, dürfe nicht allein auf das Umweltministerium begrenzt sein.

Forderung: Umdenken in der Agrarpolitik

Die Sachverständigen führten die Hauptursache für den Rückgang der biologischen Vielfalt in erster Linie auf die intensive Landwirtschaft zurück: Überdüngung, zu viel Pflanzenschutzmittel, ausgeräumte Landschaften. Der Landessprecher der 61 bayerischen Landschaftspflegeverbände warnte aber zugleich vor „Bauern-Bashing“. Die Entwicklung liege nicht allein in landwirtschaftlicher, sondern vielmehr in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung, so Nicolas Liebig. Für den Bauernverband ist klar: Die Ursache für den Rückgang der Artenvielfalt liegt im Flächenverbrauch. Seit 1960 sei die landwirtschaftliche Fläche um 840.000 Hektar zurückgegangen und fehle nun als Lebensraum für Wildtiere, Pflanzen und Insekten.

Ferner gebe es nicht nur Defizite bei der konsequenten Erfassung von Ausgleichsflächen. Weil die entsprechende Pflege der Flächen fehle, brächten Ausgleichsflächen in 80 Prozent der Fälle kaum etwas für die Biodiversität. Ein Umdenken in der Agrarpolitik forderte der Wildbienenexperte Dr. Andreas Fleischmann. Fehlende Biotopbrücken und Insellagen kleiner Naturschutzgebiete seien typische Probleme, Abhilfe böten Pufferstreifen am Rand von landwirtschaftlichen Flächen, Hecken, Brachen und Gewässerrandstreifen.

Vorschlag: Bildung, Personal, Beratung, Vernetzung

Mit Blick auf die Krefelder Studie im vergangenen Jahr, wonach die Fluginsekten-Biomasse seit 1989 um 75 Prozent gesunken ist, regte Professor Wolfgang Weisser vom Departement für Ökologie an der TU München eine intensivere  Ursachenforschung an. „Sonst hecheln wir der Entwicklung nur hinterher.“ Einen besseren Biotopverbund, um die Populationen zu verbinden, forderte Dr. Willy Zahlheimer vom Naturwissenschaftlichen Verein Passau: „Wir brauchen Biotop- und Artenschutz.“

Recht einig waren sich die Sachverständigen darin, wie der Verlust der biologischen Vielfalt in Bayern bekämpft werden kann. Demnach ist es sinnvoll, Bildung sowie Ausbildung zu fördern (man schützt nur, was man kennt), mehr Personal beispielsweise in der Wildlebensraum- oder Hofberatung einzusetzen und eng mit den landwirtschaftlichen Betrieben zusammenzuarbeiten sowie die Naturschutzakteure besser zu vernetzen. Ganz konkrete Vorschläge bezogen sich beispielsweise darauf, auch die öffentliche Hand stärker in die Pflicht zu nehmen und Naturschutz auf Zeit in Gewerbegebieten zu ermöglichen und zu fördern oder in der Landwirtschaft ein Prämiensystem für pestizidfreie Flächen zu errichten.

Erfolgskontrolle: „Was bringt was?“

Bei der Finanzierung des Naturschutzes zählt Bayern im bundesweiten Vergleich zu den Spitzenreitern. Dennoch reichen die Mittel nach Ansicht einiger Verbände nicht aus. Zusätzliche Investitionen forderte neben den Landschaftspflegeverbänden der LBV: Für die Landwirte müsse sich der Erhalt der biologischen Vielfalt auch finanziell lohnen. Ferner sollten die bestehenden Mittel auf ihre sinnvolle Verwendung hin überprüft werden. Eine Erfolgskontrolle regte auch Ausschuss-Mitglied Rosi Steinberger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) an: „Wir sollten die Maßnahmen evaluieren. Was bringt was?“





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